Issue 
(1878) 23
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die vier Evangelien des neuen Testaments ins Italienische, begleitete sie mit kurzen sachlichen Anmerkungen, und ver­theilte und verkaufte die 26,000 gedruckten Exemplare unter Bekannten und Unbekannten in Florenz. Dann kündigte er exegetische und moralische Vorlesungen über die (mitzubrin­genden) Evangelien an und hielt in den drei auf einander folgenden Wintern von dem Jahre 1873 bis 1876 seine Vorträge unter wachsender Betheiligung eines gewählten Publikums. Als er die ersten zwei Bände dieses Werkes in den Druck gab, schickte er denselben eine längere Einleitung voraus, in welcher er denPlan seiner Arbeit" (Oa U-!§ions cksll? Opsra) auseinandersetzte. Bei der Verachtung, welche die Religion in der italienischen Laienwelt betroffen habe, könne nur die Beschäftigung mit Gottes Wort neue Ehrfurcht vor den Heiligthümern der Kirche wirken. So lade er die Dur­stigen zier Quelle ein. Hier war es nun, wo die gefährlichen Bemerkungen seiner Feder entschlüpften, welche seiner Zukunft den kirchlichen Frieden rauben sollten. Er beklagte die Unver­söhnlichkeit einer ultramontanen Cligue gegenüber der Neu­gestaltung Italiens und forderte die entscheidenden kirchlichen Gewalten auf, durch Beugung unter die züchtigende Hand Gottes, unter deren Zulassung die schmerzliche Beraubung der Kirche sich doch nur vollzogen habe, dem italienischen Volke das Vertrauen und die Liebe zur katholischen Religion zurück­zugeben.

Damit hatte Pater Curci in ein Wespennest gegriffen. Alsbald umschwirrten ihn die Stiche der gebrandmarkten Clique, und die klerikale Presse fand nicht Worte genug, um ihrem Erstaunen und ihrer Entrüstung über den unbegreiflichen Jesuiten Ausdruck zu geben. Geschäftige Zwischenträger be­eilten sich, ihn auch im Vatikan zu dennnziren, und dem be­stürzten Mönch wurde das höchste Mißfallen ausgesprochen, mit dem der heilige Vater von seinen unbedachten Auslassungen Kenntniß genommen habe.

In einer gedruckten Immediateingabe an den Papst vom 29. Juni 1875, von welcher Curci nur fünf Exemplare ab- ziehen ließ, suchte der gekränkte Mann sich vor dem ehemaligen hohen Gönner zu rechtfertigen. Mit freimüthigen Worten be­kannte er sich zu der oben gekennzeichneten Wandlung seines Urtheils über die gegenwärtige Lage der Kirche. Die Religion leide unwiederbringlichen Schaden, wenn die feindselige Stel­lung der Kirche zu dem jungen Italien noch länger fortdauere. Der Papst solle sich mit dem persönlich gut katholischen Viktor Emanuel versöhnen. Der von solcher Güte gerührte König werde sofort alle ungläubigen Beamten entlassen und christlich gesinnte an deren Stelle setzen. Die Kammer wäre aufzulösen; der Klerus hätte das Volk auf die Neuwahlen gehörig vor­zubereiten; einchristliches Parlament" würde aus der Urne steigen, und das verlorene Heft säße wieder fest in der Hand der Kirche, die triumphirend aus der neuen Entwickelung her­vorgehen müsse. Dies mit kurzen Worten der Inhalt der Cureischen Denkschrift.

u NIM iinportiumma!"Das ist eine Unverschämtheit!" Mit diesem Ausruf warf Pio nono die Arbeit seines Gcwtaner Genossen aus der Hand. Jedenfalls war's ein naiver Traum, mit dem der gute Mönch sich getragen hatte. Das Schriftstück aber wanderte in die Kanzlei Antonellis, und von da fand es vor Jahresfrist seinen Weg in die Presse und erregte durch seine allgemeine Verbreitung den Sturm, der zuletzt den wohl­meinenden Vater aus seiner kirchlichen Heimat, der Gesellschaft Jesu, hinausstieß.

Und seine Vertheidigungsschrift, in der er die Geschichte seines Leidens erzählt? Nun, wie gesagt, es ist ein weh- !

müthiges Aktenstück für den gegenwärtigen Zustand der päpst- >l liehen Kirche. Mit begeisterten Worten preist Curci in dem- ! selben die katholische Lehre. Die neuen und dochuralten" Glaubenssätze von der unbefleckten Empfängniß Mariä und von dem unfehlbaren Lehramte des Stellvertreter Christi sind ihm ein !> glänzender Beweis dafür, mit welchem Segen Gott die Kirche begnadigt hat, als er ihr einen solchen Papst schenkte, der diese oft verkannten Wahrheiten ans Helle Licht zog. Der Nachfolger Petri ist ihm ein so völlig irrthumsfreier Lehrer der Kirche, daß, wenn er über irgend einen dunklen Punkt der christlichen ^ Doktrin gesprochen hat, jede Abweichung zur Blasphemie und unentschuldbaren Gotteslästerung werden muß. ^

Aber hat denn Pius nicht über die Nothwendigkeit der weltlichen Herrschaft für den Stuhl des Apostelfürsten gesprochen?

Hat Curci nicht selbst die sechszehn Quartbände mit der Zustim­mung des gcsammtcn Episkopats zur Allokution vom 9. Juni 1862 gesammelt, und bei dieser Arbeit drei Jahre lang genug Ge­legenheit gehabt, sich über den Ernst Gewißheit zu verschaffen, mit dem diese Unentbehrlichkeit des weltlichen Dominiums be­hauptet wird? Ja, da kommt die jesuitische Taktik zum Vor­schein, in welcher Pater Curci ein halbes Jahrhundert hin­durch sich hat schulen lassen. Mit einer'unbegreiflichen Selbst- Verblendung stellt der nach stützenden Fundamenten für seine Ketzerei" haschende Mann die Behauptung auf: Der Papst habe nur für die volle Freiheit der Kirche die Unent­behrlichkeit des weltlichen Besitzes gelehrt; aber daß diese Frei­heit selbst eine gottgewollte sei, dafür finde sich in allen vom heiligen Stuhle ausgegangcnen Erklärungen nicht eine einzige Beweisstelle!

Wie denn aber nun, wenn sie sich dennoch fände? Curci versichert, dann bliebe ihm nur eins übrig, zu schweigen und demüthig der geoffenbarten höheren Wahrheit sich zu unter­werfen. Wohlan, am 26. März 1860 hat Pins IX in einem apostolischen Sendschreiben, das sich den Augen des gelehrten Jesuiten nicht hätte entziehen dürfen, die feierliche Erklärung ^ gegeben:Da die katholische Kirche, welche Christus unser Herr eingesetzt hat, um den Menschen die ewige Seligkeit zu bringen, ^

kraft ihrer göttlichen Einsetzung die Form einer vollkommenen Gesellschaft hat, so muß sie in Folge dessen einer sol­chen Freiheit genießen, daß sie bei Ausübung ihres heiligen Amtes keiner bürgerlichen Gewalt unter­worfen ist."

Das scheint deutlich geredet zu sein. Und wer in dem Sendschreiben weiter liest, der kann noch deutlichere Anssprüche finden. Was bleibt da Pater Curci übrig? Alle schönen Aus­führungen seiner sittlichen Entrüstung über die ultramontane Parteipresfe, über die Schmeichler und Heuchler am päpstlichen Hofe, über das allmächtige Parteitreiben in den höheren Re­gionen, das für sich und nicht für die Papstgewalt die Unfehl­barkeit in Anspruch nehme, das alles wird hinfällig, und Curci muß in den allgemeinen Ton mit einstimmen, sobald es ihm zum Bewußtsein kommt, daß Rom übcr den ihm noch streitig scheinenden Punkt schon gesprochen hat.

Wird der Exjesnit auch dann noch eine jesuitische Selbst­entschuldigung finden, nachdem erin löblicher Weise" sich dem unfehlbaren Spruche Roms unterworfen hat? Oder hätte ihn seine Beschäftigung mit den vier Evangelien schon genugsam gestärkt, um der Versuchung zu diesem letzten Akt sklavischen Menschendienstes siegreich zu widerstehen?

Aus der Asche.

Naturwissenschaftliche Plauderei von ÄlülUS Stindc.

Nachdruck verboten. Ges. v. ll./VI. 70.

Das Feuer im Kamin erlischt gemach, lieber die glühen­den Kohlen legt sich langsam ein zarter Staubschleier, der fast ! unmerklich trüber und .dichter wird, so unmerklich wie der ! Winter sich draußen in der Natur einstellt, so unmerklich wie das Alter naht. Und dann verglimmt der letzte Funke, nur ein Häuflein Asche bleibt übrig, kalter grauer Staub.

Einst gehörte dieser Staub einem lebenden Baume an, dessen Neste sich mächtig ausbreiteten, auf dessen Zweigen die Vogel sangen, in dessen Schatten die Waldpflanzen langhalsig aufschossen; in den Zellen des Holzes und der Rinde, in den Geweben des Blattes, in den Säften, die geheimnißvoll sich von Gefäß zu Gefäß drängten, waren die festen minera-