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wärtig, da der Krieg den Strom gesperrt und auch die Eisenbahnen sich unterworfen hat, vielfach benutzt werden muß.
Ich kenne diese Straße aus eigener Erfahrung. Wie eine Schlange windet sie sich empor, auf der eineil Seite die steile undurchdringliche Felsenwand, ans der andern den tiefen Abgrund, in welchen das Auge mit Grausen blickt. Nur an den gefährlichsten Stellen, zumal an den Biegungen, ist ein Schutzgeländer errichtet; aber wenn man sich dasselbe ansieht, begreift man nicht, was und wovor es schützen soll. Wagen und Pferde vor dem Hinunterfällen? Nimmermehr! Ein starker Druck der Hand, ein Stoß mit dem Fuße ist im Stande, das ganze Ding über den Haufen zu werfen.
Zuweilen ist die Straße so schmal, daß zwei Wagen nicht aneinander vorüber können. Um das Begegnen zu vermeiden, steigt der Kutscher ab, geht einige Schritte voraus, schaut um die Ecke, und findet er nichts Bedenkliches, so ruft er seinen Pferden zu, die denn auch gehorsam Nachkommen. Ist der Kutscher, zu träge, um abzusteigen, so knallt er nur etliche Male mit der Peitsche; hört er nur den Widerhall, aber keinen Widerknall, so fährt er auf gut Glück weiter.
Die gefährlichste Stelle der ganzen Straße ist am Berge Oresz. Dieser Berg hat nämlich die Eigenthümlichkeit, zeitweise in Bewegung zu gcrathen, d. h. zu rutschen. Ein solcher Bergrutsch hatte gerade kurze Zeit, bevor ich die Stelle passirte, statt- gesunden, und zwar der Art, daß auch ein Stück der Straße mit wcggerissen und in die Tiefe gestürzt war. Da cs zugleich auch heftig geregnet, so war zum Ueberfluß ein Gießbach entstanden, der die Straße znm Theil ausgewaschen hatte. An Ausbesserung hatte noch niemand gedacht. Was thnt der Kutscher? Er sucht sich etliche Steine, legt dieselben in die Rinne dicht an des Abgrunds Rand, setzt sich auf seinen Bock, und mit lautem Hott! und Hü! geht's über die halsbrecherische Stelle hinweg. Das Gleiten eines einzigen Steines hätte das schrecklichste Unglück herbeigeführt. Begreiflicherweise waren wir Deutsche, die wir von der Reisegesellschaft waren, vorher ausgestiegen, zwei walachische Frauen dagegen, deren eine sogar ein kleines Kind an der Brust hatte, waren ruhig sitzen geblieben und lachten hinterher die ängstlichen Deutschen aus. 'Niemals wäre ein „gebildeter" Wagenlenker mit „gebildeten" Rossen über eine solche lebensgefährliche Stelle gefahren, und hätte er es versucht, er wäre sicher gestürzt. Aber ein Walache riskirt es; er ist sicher, daß ihm nichts passirt; d. h. wenn etwas Passirt, erfährt man's halt nicht!
In dem Hochgebirge selbst sind die reichsten Schätze verborgen. Wild und Holz gibt es natürlich im Ueberfluß, und drunten im Innern lagern die verschiedensten Erze und Metalle und harren des Tages, da sie heraus geholt werden ans Licht der Sonne von Menschenhand.
Aber wann wird dieser Tag kommen? Aus der Tiefe brodeln zahlreiche Mineralquellen hervor, die an Heilkraft denen von Westeuropa wenig nachgeben. Aber wen: bringen sie Heilung? Unbeachtet, unbenutzt fließen sie dahin! Mächtige Steinfalzblöcke ragen da und dort aus dem Boden; aber ihre Ausbeutung, die hauptsächlich durch Strafgefangene geschieht, läßt viel zu wünschen übrig. Große Steinkohlenlager finden sich fast unmittelbar unter der Oberfläche, aber wegen Mangels an Straßen und Arbeitskräften hat man sie bis in die neueste Zeit unbenutzt liegen lassen müssen und bezieht, so viel ich weiß, auch heute noch den Bedarf aus Oesterreich und England. Stromweis quillt das Petroleum aus der Erde, aber die weitere Verarbeitung ist mangelhaft. Erst die Vollendung des Eisenbahnnetzes, namentlich der Verbindung nach Ungarn und Siebenbürgen dürste eine Aenderung, d. h. Besserung schaffen.
Nur ein Beispiel, wie es so geht! Als die Stadt Bukarest, wenigstens in ihren Hauptstraßen, mit Quadern gepflastert werden sollte, da war die Hauptsorge des hochweisen Magistrats die: woher Steine nehmen und zwar die billigsten? Denn in der Tiefebene gibt es weder Sand noch Steine! Man mußte sich ans Ausland wenden. Freilich, 15 Meilen vor den Thoren der Stadt gab es die prächtigsten Granitfelsen, aber der Transport vom Norden Schottlands war wohlfeiler, als der von den Karpathen im eigenen Lande. Jeder Pflasterstein kostete aber
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auch die Kleinigkeit von 80 Pfennigen — und wer wollte leugnen, daß Bukarest ein theures Pflaster habe!
Vor dem Hochgebirge der Karpathen dehnt sich ein welliges Hügelland aus, welches ebenso reich an landschaftlichen Reizen wie an Schätzen und Gütern ist, aber noch ganz andere Reich- thümer zu Tage fördern würde, wenn es gleichmäßig angebaut und kultivirt wäre. Zahllose Herden bevölkern die Brachen, aber der Gewinn, den sie bringen, ist ein sehr problematischer. Die Felle gehen roh für Spottpreise über die Grenze, um als zehnfach theureres Leder zurückzukehren. Mit der Wolle ist es nicht anders. Prachtvolle Eichenwälder schmücken Thäler und Höhen, aber die Forstkultur liegt tief im Argen. Starke Stämme sieht man selten. Was die Axt erreichen kann, das wird niedergehauen und in die Städte geschafft, wo Holz das einzige Brennmaterial ist. Ehedem kostete in Bukarest der Kubikklafter Holz sechs bis acht Dukaten, bei hohem Schnee und anhaltendem Frost auch zehn bis zwölf Dukaten. Seit die Eisenbahnen den Transport besorgen, sind die Preise heruntergegangen.
Riesige Plantagen von Obstbäumen, besonders ganze Wälder von Pflaumenbäumen, bedecken die Abhänge, und Weinberge ziehen sich von Ort zu Ort. Da reisen die köstlichsten Trauben, die an Süßigkeit und Wohlgeschmack den türkischen und griechischen nichts nachgeben; aber dem gekelterten Wein fehlt die sorgfältige Pflege.
Die walachische — ebenso auch die moldauische — Tiefebene dürfte an Fruchtbarkeit und Ertragsfähigkeit ihresgleichen suchen; sie ist in der That eine der Kornkammern Europas. Unzweifelhaft hat einst über diese weiten Flächen das Meer geflutet und hat, nachdem es sich in seine jetzigen Räume zurückgezogen, einen Humusboden hinterlassen, der zur Hervorbringung der reichsten Ernten keines Düngers und nur der allergeringsten Bearbeitung und Pflege bedarf. Die Humusschicht selbst ist von verschiedener Mächtigkeit, stellenweise 50, 60, 90 und mehr Fuß tief. Darüber haben die Ingenieure Dr. Stroußbergs beim Bau ihrer Eisenbahnen und Brücken die trübseligsten Erfahrungen gesammelt.
In einem so weichen Boden haben natürlich die von den Karpathen herabstürzenden Flüsse kein eigentliches festes Bett. Im Sommer nur wenige Schritte breit und leicht zu durchwaten, überschwemmen sic im Winter, namentlich im Frühjahr, ihre Ufer oft stundenweit, hemmen jeden Verkehr und reißen alles nieder, was ihnen in den Weg kommt. Da war nun vielleicht mit den größten Schwierigkeiten ein Brückenpfeiler errichtet; er sah aus, als sollte er für die Ewigkeit aushalten; aber der Eisgang kam, unterwühlt sank er in die Flut. Oder der Fluß, ärgerlich über das Hinderniß, wüthend, daß er nicht im Stande ist, den in Rede stehenden Pfeiler zu unterwühlen, sucht sich ohne Mühe in dem weichen lockeren Boden ein anderes Bett, einen anderen Weg, und siehe, als die Wasser sich verlaufen haben, steht der arme Pfeiler auf dem Trockenen.
Als ich vor zehn Jahren das Land zum ersten Male betrat und bereiste, war von all dem fruchtbaren Boden wohl kaum mehr als die Hälfte angebaut. Stundenlang konnte man fahren, ohne den Zeichen menschlichen Fleißes zu begegnen; ja, man hätte sich in eine .völlig unbewohnte Steppe versetzt glauben können, wenn nicht tiefe Räderspuren oder auch hier und da ein Brunnen mit mächtigem Ziehbalken das Dasein von Menschen verratheu Hütten. Und kam man wirklich an bestellten Feldern vorüber, so zeigte gleich der erste Blick, wie mühelos, wie lässig die Bestellung geschehen war. Man muß es gesehen haben, was ein rumänischer Bauer mit seinem Acker vornimmt, um es zu glauben.
Ist der Boden in Folge günstiger Witterung locker und weich, so füllt es dem Bauer nicht ein, den Pflug hervorzuholen; er streut einfach den Samen aufs Land und fegt mit einer aus Besenreis zusammengebundenen Egge darüber hin. Das ist alles. Ist dagegen in Folge anhaltender Dürre und Hitze der Boden hart und fest geworden, dann genügen freilich kaum sechs vor den Pflug gespannte Ochsen, um ihn aufznreißen und für die Aussaat empfänglich zu machen. Daun kostet es natürlich Schweiß und Anstrengung, aber doch auch nach der Regel: Immer langsam voran!