Heft 
(1878) 27
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immer besser, langsam als zu rasch. Daß man in Rumänien sich überstürzte, daß man sich, nachdem man kaum die Sklavenketten von den Händen gestreift, sofort als die freieste, konstitutionellste Nation Europas gebehrdete, und weil man so lange zum Schweigen verurtheilt war, nun gleich den Mund recht voll nahm, das hat sich schon oft bitter gerächt. Aber durch Schaden wird man klug. Sein Volk allmählich zu heben und zu bilden, cs auf dem Wege gesunder Entwickelung vorwärts zu führen, das ist das ehrliche Streben des Fürsten Kart, und man kann ihm das Verdienst nicht absprechen, daß er mit echt deutscher Zähigkeit und Geduld an diesem Streben sesthält und durch keine Einflüsse wie auch durch keine trüben Erfahrungen sich von demselben abbringen läßt. Manch schöner Erfolg ist in der That von ihm errungen worden und hat, ich weiß es aus persönlicher Mittheilung, sein Herz wahrhaft glücklich ge­macht.

Von Natur ist der Rumäne ich rede hier immer nur von dem eigentlichen Volke, von den Bojaren wird später die Rede sein gutmüthig, zutraulich, friedliebend, gastfreundlich- doch wohnt ihm auch eine gewisse Schlauheit inne, kraft deren er sich so leicht nicht übers Ohr hauen läßt; wie das spekn- lirende Ausländer oft genug haben erfahren müssen. Bei aller Unwissenheit besitzt er im Handel und Verkehr Gewandtheit und Scharfsinn genug, um selbst mit dem Juden und Griechen fertig zu werden.

Bis über die Ohren aber steckt er im Netz des Aber­glaubens. Als die ersten Lokomotiven durch das Land brausten, konnte man an allen Haltestellen und Uebergängen Hausen von Landlenten, Männern und Weibern, mit dem Popen an der Spitze, stehen sehen, die sich beim Herannahen des schwarzen Ungethüms lebhaft bekreuzigten, während das Wort Draculu (Teufel) leise von Mund zu Mund lief. Draculu ist bis heute unter dem Landvolke der einzig gebräuchliche Name für Loko­motive und Eisenbahn.

Die Religion der Rumänen ist die griechisch-katholische, die allerdings in der Weise, wie sie von den rumänischen Prie­stern gelehrt und geübt wird, wenig geeignet erscheint, den so nöthigen veredelnden und erhebenden Einfluß auf das Volk ans- zuübcn.

Um der bodenlosen Unwissenheit seines Volkes zu steuern, hat Fürst Karl von Anfang an sein Hauptaugenmerk auf die Errichtung von Schulen und auf die Ausbildung der Geistlich­keit gelenkt. Wie kann man von einem Volke Bildung und Kenntnisse verlangen, wenn die, welche zu Lehrern und Leitern berufen sind, seine Geistlichen, selbst wahre Musterbilder von Rohheit und Unwissenheit sind. Jeder wissenschaftlichen Bildung bar, kaum des Lesens mächtig, nur zur Vollziehung ihrer Cere- monien nothdürftig dressirt, dabei in erschreckend großer Anzahl vorhanden (in Bukarest, wo es mehr Kirchen gibt als Tage im Jahre, soll der zehnte Mensch ein Pope sein!) wie konnten sie einen heilsamen Einfluß ausüben! War doch auch ihr sittlicher Lebenswandel meistens recht anrüchig! Wie oft kam es vor namentlich auf dem Lande daß der Pope mit den männlichen Gliedern seiner Gemeinde um die Wette trank und, weil er der am meisten Betrunkene war, aus der Schenke auf die Straße geworfen wurde, wo er im Koth liegen blieb, bis die Weiber und Kinder herzukamen, ihren Seelen­hirten ausrichteten, nach Hause führten und ihm schließlich noch zum Zeichen ihrer unerschütterten Ehrerbietung, die schmierige Hand küßten.

Unvergeßlich ist mir ein Abenteuer, das ich selbst erlebt habe, allerdings nicht diesseit, sondern wie ich ausdrücklich be­merke, jenseit der Donau. Ich fuhr durch eine kleine Stadt, die ungenannt bleiben mag. Es hatte anhaltend geregnet, so daß der Morast aus den Straßen schier unergründlich war. Plötzlich scheuen die Pferde, der Kutscher hält au, steigt vom Wagen, geht nach vorn, und ich sehe cs war halb finster wie er eine menschliche Gestalt hervorzerrt, die unmittelbar vor den Hufen der Pferde gelegen haben mußte, und die er

seitwärts unter der Traufe des nächsten Hanfes niederlegt. Als ich mich erkundige, wer das wohl gewesen, ob etwa ein Unglücksfall vorliege und ob man nicht Hilfe bringen müsse, höre ich die gleichmüthige Antwort:Ach, es war nur der Protopope (Oberpfarrer) der Stadt, der da betrunken im Wege lag!"

Gerade unter der Geistlichkeit hat Fürst Karl, sozusagen, am ineisten aufgeräumt. Wenn er über Land reist, so hält er wohl in einem Dorfe an, läßt sich in die Kirche führen und befiehlt dem Popen, irgend eine liturgische Handlung vorzu­nehmen: ein Gebet zu lesen, einen Psalm zu singen und der­gleichen. Wehe dem Unglücklichen, der den billigen Anforderungen seines Fürsten nicht genügt; wenn er wohl gar das Brevier- verkehrt in die Hand nimmt oder beim Singen jenen unaus­stehlich näselnden Ton anschlägt, der eine wahre Pein ist für jedes musikalische Ohr. Eine geharnischte Zurechtweisung ist die gelindeste Strafe, die er empfängt.

Mit demselben Eifer beaufsichtigt der Fürst die Schulen, wohnt persönlich dem Unterricht sowie den Prüfungen bei und vertheilt mit eigener Hand Prämien an würdige Schüler und Schülerinnen, wobei ihm seine Gemahlin, die Fürstin Elisabeth, treulich zur Seite steht. Viel ist geschehen, aber noch weit, weit mehr muß geschehen.

Was die äußere Erscheinung des Rumänen betrifft, so ist derselbe von mittlerer Größe, etwas hager gebaut, mit südlicher Physiognomie, bräunlicher Gesichtsfarbe, schwarzen Haaren und lebhaften dunklen, seltener blauen Augen. Unter den Frauen finden sich viele schöne Gestalten. Aber wie sie früh reifen, so altern sie auch früh, und eine Frau von 30 bis 35 Jahren erscheint durchaus wie eine Matrone und wird von Jahr zu Jahr häßlicher.

Die Nationaltracht der Männer besteht in eng anliegenden Beinkleidern und einem kurzen weißen Hemde, welches letztere über den ersteren durch einen breiten Gurt zusammengehalten wird. Die Füße stecken entweder in kurzen Stiefeln oder in einem Schuhwerk von Fell, welches mit Bändern hoch hinauf befestigt ist. Ueber das Hemd wird eine reich verschnürte Weste gezogen. Eine Mütze von Schaffell vollendet den Anzug, zu welchem jedoch im Winter entweder ein langer brauner Tuch­mantel oder ein großer Schafpelz kommt. Letzterer wird sogar nicht selten auch im Sommer getragen, nur werden dann die Haare nach außen gewandt. Die Frauen tragen ein bis an die Knöchel reichendes Hemde, das mit allerlei Füttern und Schnüren besetzt ist, und um die Hüfte einen Gürtel, von welchem vorn wie hinten eine buntgestickte Schürze herabfällt. Ver- heirathete bedecken den Kops mit einem Tuche, das sie ganz malerisch zu binden und zu schlingen wissen. Junge Mädchen lassen den Kopf unbedeckt, und das Haar in langen Zöpfen herniederhängen. Um den Hals tragen Frauen wie Mädchen Ketten und Schnüre, sei es wie bei den ärmeren von Glas­perlen, sei es wie bei den reicheren von Dukaten. Eine rumä­nische Bäuerin trägt oft ihr ganzes Vermögen um den Hals. Die Fußbekleidung der Frauen ist dieselbe wie die der Männer; zum Schutze gegen den Winter bedienen sie sich ähnlicher Pelze wie diese.

Die Wohnung des Rumänen ist die einfachste von der Welt. Luxus kennt er nicht. Sein Haus baut er sich selbst. Reisiggeflecht mit Lehm ausgefüttert bildet die Wände, Stroh das Dach. Das Haus hat meist nur einen einzigen Raum, der alles umfaßt: Wohnstube, Schlafkammer, Küche, Hühner- und Schweinestall; höchstens ist noch eine Art Vorrathskammer an­geklebt. Eigentliche Ställe findet man in keinem Dorfe. Schafe, Rinder, Pferde mögen zusehen, wie sie sich in einein offenen Schuppen den Winter über durchschlagen.

Schließlich sei, um etwaigen geographischen Anforderungen zu genügen, noch bemerkt, daß Rumänien gegenwärtig auf 2200 Quadratmeilen nur 5 Millionen Einwohner zählt. Noch einmal, noch zweimal so viel, und das Land würde sie alle reichlich ernähren und dabei selbst reich werden.