Heft 
(1878) 29
Seite
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dahinfliegt (die Poesie gibt deshalb der Morgenröthe und auch der Sonne Flügel) oder, wie wir auch biblisch sagen können, mit der cs dahinwogt, denn in dem Verbum rmlmr sind die Begriffe wogen und strahlen vereinigt; der Name sowohl des Stromes als des Lichts werden davon gebildet.

Auch wenn die Wissenschaft Schwarz als Aussehen des Körpers definirt, der alles Licht absorbirt hat und keines zurückgibt, entspricht dies biblischer Denk- und Sprachweise. Natürlich läßt sich in der Bibel nicht diese Realdesinition des Schwarzen erwarten, aber der dieser Realdefination wesentliche Begriff der Absorption ist, so gedacht und ausgedrückt, auch biblisch. Verschlingen bedeutet in der Bibelsprache ausheben und unsichtbar- machen. Zwar wenn gesagt wird: der Tod ist ver­schlungen in den Sieg, so ist das Verhältniß hier das um­gekehrte; das Licht ist das Absorbirende, denn Tod ist Finster­niß und Sieg ist Licht. Aber wenn in Psalm 107 von den Schiffbrüchigen, die keinen Ausweg der Rettung wissen, gesagt wird: ihre Weisheit wird verschlungen, so ist der Sinn, daß Verzweiflung sie umnachtet. Oder wenn Jesaia von den fal­schen Propheten sagt: sie haben den Weg, den du gehen solltest, verschlungen, so ist der Sinn, daß ihre Predigt das Volk über den Weg, auf den sie gerettet werden könnten, im Finstern läßt.

Schwarz und Weiß sind auch in der heiligen Schrift die äußersten Gegensätze. Schwarz ist Schwund des Lichts und seiner Farbe. Wenn das Endgericht die diesseitige Geschichte abbricht, so wird, wie Joel weissagt, die Sonne in Finsterniß verwandelt und der Mond in Blut oder, wie der Seher der Apokalypse sagt: die Sonne wird schwarz und der Mond wie Blut, d. i. dunkelroth oder schwarz mit röthlichem Scheine. Hiernach ist, was von der Sonne gesagt wird, nicht von Verhüllung durch schwarze Wolken gemeint, sondern der Sinn ist, daß die himmlischen Lichtquellen der Erde versiegen, indem sie, wie es anderwärts ausgedrückt ist, ihr Licht in sich selbst zurücknehmen und ihre Bewegung in Stillstand geräth.

Schwarz ist auch Schwund des helleren Teints und des Kolorits, welches ihm gesundes Blut verleiht. Mein Freund ist weiß und roth, ruft Sulamith aus, die Schön­heit ihres Geliebten feiernd, wie Homer von Menelaos sagt, seine Hautfarbe sei gewesen wie Elfenbein mit Purpur be­strichen. Und von den Edlen Jerusalems sagt Jeremia, daß ihr Schneeweiß oder Milchweiß mit Korallenroth gemischt, und daß ihre Gestalt wie aus Saphir geschnitten war aber wie entstellt hat sie die Katastrophe Jerusalems! Finsterer als Schwärze ist ihr Aussehen geworden, man kennt sie nicht mehr, wenn sie sich zeigen, ihre Haut klebt an ihren Gebeinen, sie ist wie Holz vertrocknet. Diese Entfärbung und Dürre ist die Folge der Hungersnoth, weshalb auch der dritte der vier apo­kalyptischen Reiter, welcher Theurung bringt, auf schwarzem Pferde daherkommt.

Das gewöhnliche hebräische Wort für Schwarz geht auf den Wurzelbegriffdecken" zurück, denn schwarz ist für das Licht wie eine bergende und nicht durchlaffende Decke. Und unser deutschesschwarz" hängt mit lateinisch surcius zusammen, was nicht allein denjenigen bedeutet, der für Gehörseindrücke unempfindlich ist, sondern auch dasjenige, von dem keine Ge­hörsausdrücke ausgehen. Newton wurde bekanntlich, indem er sieben prismatische Farben zählte, durch die Vergleichung der phrygischen Tonscala geleitet, aber auch schon der sprachschafsende Menschengeist vergleicht Töne und Farben, so daß z. B. im Hebräischen Hörnerschall und Morgenroth, Lauchgrün und Trompetengeschmetter nach gleichen Wurzelwörtern benannt werden. Diese Vergleichung liegt auch dem Worteschwarz" als Farbwert unter: wie Properz eine Lyra, die keinen Ton gibt, 8ur<M 1)-ra nennt, so ist schwarz, was nichts des ein­fallenden Lichtes von sich gibt. Die Stoffe, die wir schwarz nennen, sind freilich nicht in vollem Sinne schwarz, indem sie doch mehr oder weniger farbloses oder gefärbtes Licht zurück­geben.

Auch die Sprache bezeugt es, daß das Schwarz, welches

Natur und Kunst uns zu sehen geben, sich mit dem Begriffe nicht vollkommen deckt. Sie begreift unter diesen Namen auch die dem Schwarz sich annähernden dunklen Farbentöne. Was wir Morgengrauen nennen, nennt der Semit Morgenschwärze. Der dunkelrothe Wein heißt semitisch bald roth bald schwarz, wie er auch jetzt noch in Italien vino iroi-o heißt. Ja, im Unterschiede von Weiß erscheint dem Semiten sogar Grün als Schwarz. Als das Land eines Araberstammes von Dürre heimgesucht war, sandte man drei Kundschafter aus, um Weide­plätze zu suchen. Einer der Kundschafter wollte die prächtigen grünen Fluren des Landes preisen, welches er seinerseits als Wanderziel empfahl, und wie drückte er sich aus?Die Ober­fläche des Landes," sagte er,gleicht der Nacht, so grün ist alles." Dieses Schwanken der Farbenbezeichnung zieht sich auch noch in das Griechische des neuen Testaments herein. Bei Marcus lesen wir, daß der Herr, der die Fünftausend speisen will, lagern läßt auf das grüne Gras. Grün heißt «Moros, aber so heißt auch die Farbe des Pferdes des vierten apokalyptischen Reiters, der den Tod in allen Gestalten bringt und dem der Hades folgt. Die Nacht ist grün, wie etwa das stumpfe Grün der Oliven- oder Salbeiblätter, und der Tod ist grün in dem Sinne, in welchem die Gelbsucht Chlorose heißt, also grün im Sinne von gelb und fahl.

Ebenso begreift der Name Weiß mit dem absolut Weißen auch relativ Weißes. Weiß im vollen Sinne sind die Strahlen der Sonne und die Strahlen eines in den höchsten Grad der Glühhitze, die sogenannte Weißglühhitze, versetzten Körpers. Diese Strahlen sind weiß, denn alle Spektralfarben sind darin geeinigt. Aber schon das diffuse Tageslicht ist nicht mehr schlechthin farblos, und selbst das direkte Sonnenlicht erscheint uns nicht weiß, sondern gelblich oder, dichterisch ausgedrückt, golden; erst wenn wir es durch das Prisma sich brechen lassen, erkennen wir, daß es an sich die farblose Einheit aller Farben ist. Dennoch nennt der Araber den Tag weiß; füres ward Nacht" sagt Hariri:Der weiße Tag färbte sich schwarz." Aber auch mondhelle Nächte heißenweiße Nächte", und der Mond führt im Hebräischen zwei Namen, deren einer ihn als den Weißen, der andere als den Gelben bezeichnet. Denn weiß nennt die Sprache auch das Gelbliche. Das Feld, sagt Jesus, ist schon weiß zur Ernte; weiß sind die reifenden Aehren im Unterschiede von den grünen Saathalmen. Der Byssus von Elis, erzählt Pansanias, gibt dem der Hebräer nichts an Feinheit nach, aber er ist nicht so schön gelblich. Dennoch vertritt der Byssus unter der liturgischen Farbe das Weiß, nicht wie Arnold Ewald in seiner Schrift über die Farbenbewegung für möglich hält, das Gelb, welches nur durch das Gold vertreten sein könnte, das aber nicht seiner Farbe, sondern seinem Glanze und Werthe nach in Betracht kommt. Auch unser Linnen ist nicht vollkommen weiß; wir bleichen die Leinwand, um das Farbige daraus zu entfernen, ohne daß es jedoch immer in gleichem Maße und ohne daß es je gänzlich gelingt. Der reine Schnee ist doch weißer als die Weißeste Leinwand, und das den Schnee beleuchtende Sonnen- und Tageslicht ist farbloser als das vom Schnee zurückgeworfene. Deshalb sagt Marcus von dem Herrn da wo er auf dem Berge verklärt wird, daß seine Kleider weiß erglänzten gleich dem Schnee, so sehr weiß, wie kein Walker auf Erden eine solche Weiße herznstellen ver­mag. Matthäus aber sagt, als ob er Optik studirt hätte: sein Antlitz leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Weil weiß das Licht und schwarz die Finsterniß ist, und weil als weiß erscheint, was das Licht ohne Entziehung zurück­strahlt, als schwarz, was es ohne Rückstrahlung absorbirt: deshalb sind Weiß und Schwarz unmittelbar bedeutsam. Im übrigen werden die Farben nur dadurch symbolisch, daß sich mit ihnen die Vorstellung bestimmter Gegenstände verbindet, denen sie eigen sind. Roth ist uns die Farbe der Liebe, indem wir dabei an das Herzblut denken, in welchem sie wallet. Grün ist uns die Farbe der Hoffnung, weil wir dabei an das Pflanzengrün denken, welches im Winter erstirbt, um im Früh­ling wieder zu erstehen. Und wie wir dazu gekommen sind, Blau zur Farbe der Treue zu machen, so daß die mittelhoch-