Heft 
(1878) 29
Seite
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deutsche Poesie sagt: Via is stastsüsit, vis. VsrsiAt äis miuns, ersehen wir aus der Literatur unseres Stammvolkes: treue Liebe heißt im Sanskrit Zuneigung so unvergänglich wie uilll, d. i. die Jndigofarbe. Gelb als Leibfarbe des Neides hat sich erst im Mittelalter herausgebitdet; Freidanks Bescheidenheit sagt noch: Oeusus Ast uuct ^vsitia cka2 sol ctiu ultvurvvs slu, also grün, gelb und blau, wie es der Waid, der deutsche Indigo, liefert. Blau als Färbung der Luft wird auch als Bild des Grund- und Haltlosen verwendet; blauen Dunst nennen wir Lug und Trug, und blaue Geschichten ooutss Visus heißen französisch Ammemnährchen. Ein neuerer Aesthetiker macht Blau zur Farbe des Tragischen, indem er dabei an die himmel­stürmenden Titanen denkt, Gelb zur Farbe des Komischen wegen der lustig flackernden Flamme, des freudespendenden Weins re., und Grün zur Farbe des Humoristischen, weil es aus Blau und Gelb gemischt und die Farbe der zwischen Geburt und Tod, Lust und Leid üppig wuchernden Vegetation, die Farbe des Saftigen und Feuchten, des Flüssigen und Sprudelnden sei. Wir wollen uns durch solche geistreiche Abgeschmacktheiten nicht den Geschmack an der Farbensymbolik des Volkssprich­worts und der Poesie und des Kultus verkümmern lassen; umn sieht aber daraus, daß keine Farbe an sich symbolisch ist, son­dern daß sie erst durch näher oder ferner liegende Kombina­tionen symbolischen Werth bekommt.

Anders aber verhält es sich mit Schwarz und Weiß. Diese sind an sich symbolisch, sie bedeuten was sie sind. Schwarz ist, was alle Farben absorbirt und das Sonnenlicht nicht zurückstrahlt; das Licht ist in ihm untergegangen und die Farben begraben. Darum bedeutet es Trauer und Tod. Weiß aber ist, was das Sonnenlicht unverkürzt zurückstrahlt; alle Farben sind in ihm verklärt und es hält sie alle in sich ge­fangen. Darum bedeutet es Reinheit und Sieg. Eben darum sind die persischen Rosse im achten Gesicht Sacharjas weiß, weil keine Weltmacht je verhältnißmäßig reinere edlere Ge­sinnung gegen Israel bethätigt hat, als die Dynastie der Achä- meniden, welche die Exulanten entließ und den Tempel­bau förderte. Und der erste apokalyptische Reiter hat ein weißes Pferd, denn erzog aus zu überwinden und daß er siegete."

Indem die alttestamentliche Offenbarungsreligion die Be­deutung des Weiß durchschaute, die sein Wesen mit sich bringt, ergab sich für sie mit einer über Willkür erhabenen Noth- wendigkeit Weiß als liturgische Grundfarbe. Die anderen litur­gischen Farben waren Purpurroth, Purpurblau und Scharlach, aber Weiß steht immer entweder voran oder mit Nachdruck zuletzt. Weiß war die Grundfarbe der Vorhänge, die das Heiligthum theilten, der Teppiche, die es deckten, des Ornats, der den Hohenpriester auszeichuete, und ausschließlich weiß­linnen waren die Kleider der Priester. Wenn außerbiblisch erzählt wird, daß auch die Erstgeborenen vor Erwählung des Stammes Levi und daß Mose vor und bei der Amtseinsetzung Aarons in weißen Gewändern fungirten, so beruht dies auf richtigem Rückschluß. Weiß bedeutet Reinheit oder, was nahezu dasselbe, Heiligkeit; denn Heiligkeit ist Abgeschiedenheit von Unreinem, der Heilige Israels und das Licht Israels sind parallele Benennungen Gottes. In Weiß sind die Priester gekleidet als Diener des Heiligen und als die in Heiligkeit Vorbilder des Volkes sein sollen.

Dem weißen Linnen entspricht unter den Metallen das Silber als Bild der Reinheit. Bon Jerusalem sagt Jesaia im Hinblick auf dessen Fürsten, mit deren Geburts- und Standesadel ihr Mangel an Gesinnungsadel in Widerspruch steht:Dein Silber ist zu Schlacken geworden." Und als drei Abgesandte der Exulanten Babyloniens eine Spende von Silber und Gold für den Tempel gebracht haben, erhält Sacharja die Weisung, eine Doppelkrone, also eine silberne und eine goldene, daraus zu machen und sie als Vorbild des künftigen Zemach, welcher König und Priester in Einer Person sein wird, auf das Haupt des Hohenpriesters Josua zu setzen. Die

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silberne Krone ist das priesterliche und die goldene das könig­liche Jnsigne. Was Byssus und Purpurroth unter den Linnen- und Wollenzeugen, das sind Silber und Gold unter den Me­tallen. Denn das Silber ist weiß und das Gold gilt dem Semiten als gelb oder roth. Als der Chalis Muäwijja den Sasau mit der Anrede:O Rother!" als Barbaren verspottete, antwortete dieser mit stolzem Selbstbewußtsein:Das Gold ist roth". Aber auch unser alter Meyfart, der Sänger des himm­lischen Jerusalems, stellt, ohne Gelb und Roth zu unterscheiden, Gold und Purpur zusammen:

Was ist das gvldne Stück Von Gold, Zierd und Geschmückt Gold ist nur rothe Erd,

Die Erd ist nicht viel Werth.

Was ist das roth Gewand,

Das Purpur wird genannt?

Von Schnecken aus dem Meer Kommt aller Purpur her.

Eben solche Bilder der Herrlichkeit und Reinheit wie das Gold und das Silber (die Aegypter nannten es weißes Gold) unter den Metallen sind die goldene Sonne und der silberne Mond unter den himmlischen Leuchten. Die Sonne macht den Eindruck' der Hoheit, und der Mond mit seinem Weiß auf dunklem Grunde den Eindruck der Reinheit. Auch die Blumen­welt bietet ein gleiches Bilderpaar. Die purpurne Rose ist die Königin und die weiße Lilie die Priesterin unter den Blumen, wie Rückert sie anredet:

Glänzende Lilie!

Die Blumen halten Gottesdienst im Garten,

Du bist der Priester unter der Familie.

Wie in der alttestamentlichen Schrift, so ist Weiß auch in der neutestamentlichen die Erscheinung der Gotte und seinem Dienst Geweihten und Geheiligten. Wenn Paulus den Gala­tern sagt:So viele eurer getauft sind, die haben Christum angezogen", so entnimmt er dies Bild von der Männer-Toga, deren Anlegen bei den Römern den Uebergang in das Mündig­keitsalter bezeichnte; diese Toga aber war weiß. Und wie der Psalmist sagt, daß Gott sich in Licht hüllt wie in ein Ge­wand, und wie Daniel den Alten der Tage, d. i. den Ewig­seienden in schneeweißem Kleide, ja sogar weißem Haar schaut (nicht wie eines Greises, denn auch der erhöhte Christus, wie ihn Johannes schaut, hat weißes, d. i. lichtstrahliges Haar): so erscheinen auch Gottes Engel da, wo sie sich, wie bei der Auferstehung und Himmelfahrt, menschlich versichtbareu, in weißeil Kleidern. Auch die Seligen droben, die bei Gott sind, schaut der Apokalyptiker in weißen Stolen; die Alten nennen diese zwischenzuständliche Bekleidung stotu prima im Unterschiede von ötola sscnmcka, der verklärten Leiblichkeit der Auferstandenen sie ist weiß vom Blute des Lammes, d. i. von der reinigen­den und verklärenden Macht dieses Blutes. Weiß ist in Apo­kalypse alles, was auf das himmlische Reich des Lichtes und den Sieg dieses Reiches über die Finsterniß Bezug hat. Selbst der Thron Gottes, den Ezechiel über dem krystallenen Firmament wie Saphirstein und also wie tiefes Blau zu schauen bekommt, ist da, wo die Gesichte des neutestamentlichen Sehers bis zum Uebergang der zeitlichen Geschichte in die Ewigkeitsgestalt des Jenseits gelangt sind, weiß:Ich sah einen großen weißen Thron und den der daraus saß, vor welches Angesicht floh die Erde und der Himmel und ihnen ward keine Stätte gefunden". Weiß und nicht saphirblau er­scheint der Thron Gottes da wo vor seinem Richterblick die Welt der Sünde und des Todes vergeht, um der neuen Welt der Gerechtigkeit und Verklärung zu weichen. Denn Blau ist die Farbe des durchsonnten Himmels und Weiß ist die un­mittelbare Erscheinung der Sonne selber; Blau bedeutet die in Gnade sich herablassende gesänftigte Majestät und Weiß be­deutet den auf diesem Wege der Gnade schließlich erreichten Sieg und Triumph des Lichtes. Weiß heißt griechisch WMos und dieser Name ist verwandt mit lux, dem Namen des Lichts.