Heft 
(1878) 29
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höchst meisterhaft, und doch steht er unserer Christusvorstellung ferner. Er vergießt Thränen, und doch glaubt man nicht an seinen Schmerz; er öffnet den Mund, aber wir können uns absolut nicht vorstellen, was er sagen möchte.

Hans Burgkmeier ist ein Zeitgenosse Dürers; er lebte zu Augsburg 14731531. Er steht in seiner Künstlerschaft Dürer sehr nahe, ja er verdient gleich nach ersterem genannt zu werden. Aber er ist, wenn ich so sagen soll, moderner als

gute Landschaft zu zeichnen verstand. Weiter ist Burgkmeier auch wie alle Meister seiner Zeit für den Holzschnitt thätig gewesen. Ob er selbst den Griffel geführt hat, ist zweifelhaft, doch wird erals ganz geschickt dazu" in einem Briese Pen- tingers genannt. Jedenfalls kannte er die Technik des Schnittes genau und zeichnete für dieselbe.

Es gibt einen Holzschnitt nach einer Zeichnung Bnrgkmeiers, einen Todtentanzgegenstand darstellend, in welchem er zuerst das

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Das Antlitz Christi von Hans Bnrgkmeier.

Dürer. Seine Figuren sind weniger streng, weniger objektiv. Innigkeit und Gefühlswärme sind nicht die starken Seiten Bnrgkmeiers, religiöse Empfindung hat er noch weniger. Da­gegen greift er mitten in das Leben hinein und stellt, was er erfaßt, lebendig und farbig dar. Kämpfe, Lagerscenen, historische Darstellungen, Momente aus der Gegenwart, wohl auch prunk­volle Allegorien, und dies alles umgeben mit modernsten Re­naissancebauwerken, das ist seine Sache. Auch ein Meister der Landschaft ist er. Man kann es sagen: Bnrgkmeier ist selbst Dürer nicht ausgenommen der erste Deutsche, der eine

Helldunkel der Zeichnung nach malerischer Auffassung eingeführt hat. Auch unser Veronikakopf läßt den vortrefflichen Holzschnitt­zeichner erkennen. Bnrgkmeier ist in der Sicherheit und Kraft des Striches einem Dürer fast ebenbürtig. Der geneigte Leser wolle unser Bild von dieser Seite aus würdigen. Und damit ist trotz des oben angedeuteten Mangels nicht wenig gegeben, denn bei Gegenständen andächtiger Betrachtung muß ja der Betrachtende selbst das meiste Hinzuthun. Das gilt von den alten Christen in Neapel so gut wie von der Bürgerin von Augsburg, wie von dem Leser des Daheim.