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zügen her. Alle aber, wie sich aus den Urkunden ergab, hatten die Abkürzung „Tubal" dein vollen Namen vorgezogen.
Die Geburt eines Sohnes, während alle Welt Glückwünsche aussprechen zu müssen glaubte, wurde von Seiten der Mutter ausschließlich als eine Störung empfunden, die denn auch, als man ihr den Säugling reichte, von ihrem Lager aus erklärte, daß sie kleine Kinder immer häßlich gefunden habe und ihrem eigenen zu Liebe keine Ausnahme machen könne. Das Kind erhielt eine polnische Amme mit einem rothen Kopftuch und einem noch rötheren Brustlatz und wurde sammt dieser, seiner Pflegerin, in den oberen Stock verwiesen; kaum aber, daß die Mutter ihren ersten Kirchgang gemacht hatte, so begann der ausgelassene Gesellschaftsverkehr aufs neue, den das „freudige Ereigniß" nur auf Wochen unterbrochen hatte.
Unter denen, die auf Schloß Bjalanowo verkehrten, war auch Graf Miekusch, ein Gutsnachbar, klein, zierlich, mit langem rothblonden Schnurrbart, eine typische polnische Reiterfigur.
Die Verwandtschaft feiner Natur mit der jungen Frau stellte von Anfang an eine Intimität zwischen beiden her, die mit voller Unbefangenheit sich gebend, von Ladalinski wohl bemerkt aber nicht beargwöhnt wurde. Er vertraute vollkommen; einzelnes, das ihm hinterbracht wurde, wies er als Klatsch und Neid zurück, und wenn nichtsdestoweniger von Zeit zu Zeit eine leichte Wolke feinen Himmel trübte, so wußte der Ueber- muth der jungen Frau, die solchen Regungen der Eifersucht nur mit heiterem Spott begegnete, sein Vertrauen schnell wieder herzustellen. Er war glücklich, als Kathinka geboren wurde, doppelt glücklich, als er wahrnahm, daß seine Freude von seiner Frau getheilt wurde. In der That sah die junge Mutter anders auf dieses zweitgeborne Kind, als sie auf Tubal geblickt hatte; es wurde nicht in das obere Stockwerk verwiesen, blieb vielmehr in ihrer unmittelbaren Nähe, ja sie liebte es, an seine Wiege zu treten und sich, ohne daß ein Wort über ihre Lippen gekommen wäre, seines Anblicks zu freuen. Sah sie sich selbst in ihm?
Das war im Frühjahr 1792. Ein ungetrübter Sommer folgte, aber als der Herbst kam, brach ein Glück zusammen, das von Anfang an nur ein Schein gewesen war. Es geschah das, was in gleichen Fällen immer geschieht: das Verbotene des letzten Zwanges müde, fand eine Befriedigung darin, sich vor aller Welt zu entdecken.
Die Art der Ausführung entsprach dem Charakter der jungen Frau. Es war eine Fuchsjagd bei Graf Miekusch angesagt, dessen weites, eine einzige große Fläche bildendes Gnts- areal ein vorzügliches Terrain bot. Auch die Damen der Nachbargüter waren geladen, niemand fehlte; der Graf, zu seinen anderen gesellschaftlichen Vorzügen, hatte auch den Ruf eines glänzenden Wirths. Es war ein wundervoller Septembertag, der Himmel blank wie eine Glocke, hier und dort eine Kiefern- schonnng und am Horizont der spitze Kirchthurm des nächsten Städtchens. Dabei windstill und die Sommerfädcn zogen. Der Fuchs war bald aufgetriebcn, und in glänzendem Zuge schossen Reiter und Reiterinnen über Wiesen und Stoppelfelder hin; jeder begierig den andern zu überholen. Nur die junge Frau von Ladalinski hielt sich zurück, Graf Miekusch an ihrer Seite; beide schienen auf die Ehren des Tages verzichten zu wollen. Aber bald änderte sich das Bild; immer mehr Paare schieden ans der vordersten Reihe ans, und ehe eine Stunde um war, waren der Graf und feine Begleiterin noch die einzigen, die der Fährte folgten oder doch zu folgen schienen. Die Zurückbleibenden, ihnen nachschauend, waren entzückt von der Ausdauer der beiden Reiter, deren Gestalten, je mehr sie sich dem in blauem Dämmer liegenden Städtchen näherten, immer kleiner und schattenhafter wurden. Endlich schwanden sie ganz, und da Mittag heran war, beschloß man, auf das Schloß des Grafen zurückzukehren. Es verging eine Stunde, eine zweite und dritte; es kam der Abend und man wartete noch. Die Gäste brachen endlich auf, um auf ihre eigenen Güter heimzureiten. Unter ihnen auch Ladalinski. „Also doch," klang es in hundertfältiger Wiederholung in seinem Herzen. Erst am dritten Tage wurde durch einen Boten ein versiegelter Zettel an ihn abgegeben: „Erwarte mich nicht zurück; Du siehst mich nicht
wieder. Es war ein Jrrthum, der uns zusammensührte. Vergiß mich. Einen Kuß für das Kind. Sidonie von P."
Das Blatt entfiel ihm. Jedes Wort eine Demüthigung, selbst ihre Namensunterschrift: Sidonie von P. Sie hatte also den Namen ihrer eigenen Familie wieder angenommen und strich die sechs Jahre, die sie an feiner Seite verlebt hatte, wie ein unbequemes Intermezzo ans. Er war niedergeschmettert und doch konnte er die kurze Forderung, die sie stellte, „vergiß mich" nicht erfüllen. Zu eigner bitterster Beschämung gestand er sich, daß er sie, wenn sie zurückkehrte, ohne ein Wort des Vorwurfs oder der Erklärung, freudigen Herzens wieder aufnehmen würde. Der räthselhafte Zug der Natur war mächtiger in ihm als alle Vorstellung.
Er verfiel in Trübsinn, bis die Schicksale seines Landes ihn herausrissen. Es bereiteten sich jene Ereignisse vor, die schließlich Polen aus der Reihe der Staaten strichen. Rußland machte feine Pläne, und diese zu vereiteln, darauf waren jetzt, wie die Anstrengungen aller Patrioten, so auch die seinigen gerichtet. Er schloß sich der Kosciuskoschen Partei an und entwarf eine liberale Verfassung, die den Beifall der Whigführer im englischen Parlamente fand; endlich, als die Waffen entscheiden mußten, trat er in die Armee. Was ihm an militärischer Erfahrung abging, wußte er durch Muth und Eifer zu ersetzen. Es war keiner, dem Koscinsko mehr vertraut hätte, als ihm. Bei Szekoszin hielt er bis zuletzt aus. Als nach dem unglücklichen Treffen bei Macinowice der Rückzug auf Praga ging, wurde ihm das Kommando der nur aus vier schwachen Bataillonen bestehenden Arriöregarde anvertraut. Mit diesen deckte er den Uebergang über die Zilica zwei Stunden lang und benutzte die Zeit, während er nach jenseits der Brücke mit dem Feinde bataillirte, getheerte Strohkränze um die Holzpfeiler legen und diese Kränze anzünden zu lassen. Die Brücke stand schon in Rauch und Flammen, als er die Trümmer feiner Bataillone glücklich hinüberführte. Die Russen drängten nach; eine schwache Abtheilung derselben, die gleich darauf gefangen wurde, gewann gleichzeitig mit ihm das Ufer. Als aber das Gros in geschloffener Kolonne folgte, brachen die halbweggebrannten Mittelpfeiler zusammen und alles, was auf der Brücke war, stürzte nach. Suwarow selbst hielt keine hundert Schritt von der Unglücksstätte. Es war die letzte glänzende Aktion im freien Felde; drei Tage später fiel Praga.
Ladalinski legte sein Kommando nieder. Das „Uinw Lolonins" seines Kampfgenossen, wenn er es nicht sprach, so empfand er es doch. Es war ihm klar, daß das Land russisch werden würde, vielleicht mit einem Scheine von Selbständigkeit. Dieser Gedanke war ihm unerträglich. Es gab kein Polen mehr; so beschloß er sich zu expatriiren. Er ging zunächst auf seine jenseits der Grenze gelegenen schlesischen Güter und stellte von hier aus dem preußischen Hofe seine Dienste zur Verfügung. Ein umgehend eintreffendes Schreiben Bischofswerders sprach ihm seine Freude über den rasch und muthig gefaßten Entschluß aus und berief ihn, vorbehaltlich königlicher Genehmigung, in das auswärtige Amt. Diese Genehmigung erfolgte wenige Tage später. Die großen Flächen polnischen Landes, die gerade damals Preußen einverleibt wurden, wiesen die Staatsverwaltung darauf hin, solche Anerbietungen nicht abzulehnen.
In kürzester Frist hatte Ladalinski sich in den neuen Verhältnissen zurecht gefunden. Seine mehr preußisch als polnisch angelegte Natur unterstützte ihn dabei; dem Unordentlichen und Willkürlichen abhold, fand er in dem Regierungsmechanismus, in den er jetzt eintrat, fein Ideal verkörpert. Was darin schädliches war, das übersah er oder erachtete es als gering, nachdem er die Nachtheile eines entgegengesetzten Verfahrens so viele Jahre lang beobachtet hatte. Er war bald preußischer als die Preußen selbst. Die Auszeichnungen, die ihm zu Theil wurden, seine Missionen, erst an den Kopenhagener, dann an den englischen Hof, auf denen ihn Tubal, damals ein Kind noch, begleitete, trugen das ihrige dazu bei. Bon London nach dem Tode des Königs und der Amtsniederlegung Bischofswerders zurückberufen, trat er, in dem richtigen Gefühl erst dadurch feine Staatszugehörigkeit zu beweisen, zum Protestantismus über. Er wählte die reformirte Kirche, weil es die