Heft 
(1878) 30
Seite
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Kin Kofprediger des XVII. Jahrhunderts.

Das Urbild des humoristischen Kapuziners inWallen- steins Lager" war bekanntlich der schwäbische Augnstinermönch Abraham a Saneta Clara, der gegen vierzig Jahre (1668 bis 1709) den Wiener Hof durch seine barocke, oft ins Possen­hafte überstreifende Predigtweise gewiß mehr belustigt als wahr­haft erbaut hat. Am 4. Juli 1642 zu Krähenheimstetten bei Möskirch in Württemberg geboren, hatte Hans Ulrich Megerle, wie er nach sei­nem Vater, ei­nem leibeigenen Schenkwirth, bis an die Mönchszeit hieß, bei den Je­suiten zu Ingol­stadt den Grund seiner gelehrten Bildung gelegt, dann das Gym­nasium zu Salz­burg besucht, und war achtzehnjäh­rig in den Orden der Augustiner- Barfüßer eingc- treten, als dessen Provinzial er am 1. Dezember 1709 zu Wien starb.

Einen lustigeren Hofprediger hat es nie gegeben, so viel auch früher schon die katholi­sche Kanzel im Humor geleistet hatte. Darum er­lebte er es keines­wegs, was er in sei­nemJudas, der Ertz-Schelm", von der Verän­derlichkeit der Zu­hörer erzählte:

So lang ein Prediger ein schöne, zierliche, wolbered- te, ein anffgebutzte, mit Fabeln vnd sinnreichen Sprü­chen vnderspicktc Predig macht, da ist jedermann gut Freund. Vivat der l'ator Prediger! ein wackerer Mann! ich hör' ihm mit Lust zu. Wann er aber ein scharpsfen Ernst anfangt zu zaigen, wann er anfangt, großn Herrn, denen hohen Niuistris vnd Rüthen, den Edl-Lenthen, den Gaistlichen,denSol-

daten, dem Na-Mtrat vnd Obrigkeiten, den Zimmerlenthen, Becken, Gärt­nern, Wirthen, den Bauern vnd Kindern, demFrauen-Zimmer die Warheit zn sagen, so bringt ihm solches Reden Rädern, so bringen ihm solche Wörter Schwerdter, so bringt ihm solches Sagen Klagen. Er verfeindt sich allenthalben, sein ümckitorirnn wird bald die Schwindsucht leyden, die Kirchenstüel werden bald lauter Quartier der alten Weiber werden, die Kirchen werden bald werden, wie ein abgebrochener Jahrmarkt, an allen Orthen wird man hören:Was key ich mich nmb den Prediger!"

Wohl hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es galt, auch den Höchstgestellten die Wahrheit zu sagen; aber die gegen alle Stände schonungslos geschwungene satirische !

Geißel erinnerte doch oft fast mehr an den Hofnarren, als an den Hofprediger, und drang deshalb gewiß nicht allzutief ins Gewissen der Gestraften. Darum blieben ihm seine Zuhörer treu, auch wem: sie zuweilen einen Hieb abbekamen. Seine Reden sprudeln von Witz und Laune, sind überreich an Bildern und Wortspielen, aber die Häufung ist oft ermüdend, und neben dem Treffenden findet sich manches Schale und Geschmacklose.

So heißt es in der von Schiller benutzten Türt'en- predigt:Aus,

allst ihr Christen", folgendermaßen: Bon vielen Jah­ren her ist das rö­mische Reich schier römisch arm gewor­den durch stete Krie­ge, von etlichen Jahren her ist Nie- derland noch niede­rer geworden durch stete Kriege, Elsas; ist ein Elendsnß, der Rheinstrom ist ein Peinstrom ge­worden durch lau­ter Krieg; Ungarn sührt ein doppeltes Kreuz im Wappen, und bisher hat es viel tausend Kreuz ausgestanden durch lauter Krieg. Aber wer verursacht so langwierige, kläg­liche, schmerzliche Kriegsempörnugen? Werst Der? Nein, sondern Die die Sünde!"

Sehr gesucht find die Titel sei­ner Schriften, die oft mehr ein Witz- bnch als ein Er bauungsbnch in Aussicht zn stellen scheinen, z. B. Besonders meub- lirt- und gezierte Todten- Kapelle", Geistlicher Krä- merladen" oder gar:Wohl-ange- füllter Weinkeller, in welchem manche durstige Seele sich mit einem geistli­chen Gescgn-Gott erquicken kann."

Daß er trotz­dem ein Redner ersten Ranges, daß durch den Scherz bei ihm stets der tiefste Ernst hindnrchblitzt, daß eilt geduldiger und aufmerksamer Leser auch heute noch von ihm ebenso viel Beherzigenswerthes lernen, wie sich an seinen kaleidoskopartig durcheinander schil­lernden Humoresken und Satiren ergötzen kannsist nicht in Ab­rede zn stellen. Seine Zeitgenossen ehrten ihn und liebten ihn, und er war dessen würdig, denn sein Wandel stand in vollstem Einklänge mit seinem Bekenntniß, und die unerschrockene, selbstverleugnende Liebe, die er in der furchtbaren Pest von 1679 Tag und Nacht gegen die Kranken zeigte, reiht seinen Namen unter die echten Jünger seines Herrn und Meisters. R. K.

Jus unserer Sammlung merkwürdiger Mdnisse. II.

»MWI!«

Aüraham a Hancta Lt.ir.i.

Bild aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts.