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Botraris, Georg Kara'tskakis und überhaupt jeder echte Braer oder Palikare. Bekanntlich nahm der König Otto selbst die Fnstanella an.
Dieselbe ist glänzend weiß, besteht aus einem Gewebe von feiner Baumwolle, reicht von der Taille bis an die Knie, wo sie in weite Falten ausgeht, und wird durch einen Zug über den Hüften zusammengehalten, der untere Saum ist gewöhnlich mit Stickerei geziert. Zn ihr gehören als wesentliches Element die sogenannte Tzaruchia, leichte Schnabelschuhe ans rothem russischen Leder (Telatinion) mit einer blauen Quaste auf der Spitze, eine für Gebirgsreisen sehr zu empfehlende Fußbekleidung; ferner seidene und nicht selten goldgestickte Kamaschen, die bis an die Knie zugeheftelt werden, eine ebenfalls reichgestickte Jacke mit offenen Aermeln, endlich ein breiter Ledcrgürtel, woran das Taschentuch, die Börse, der Tabaksbeutel und die Waffen anfgehängt werden. Der Tabaksbeutel besteht aus Hasenfell, worin sich der Tabak besonders feucht erhalten soll, mit einem rothen Rande aus dem obenerwähnten Leder und einer blauweißen Schnur aus Baumwolle, wie sie die Bäuerinnen spinnen; er heißt Kapnosaknlla. Den Kopf bedeckt ein rother Fez mit langer blauer Troddel.
Diese bunte Menge nimmt also auf den Abhängen, welche die Langseiten des Stadiums bilden, Platz, klettert in der Wildniß herum, legt ein Taschentuch unter sich auf das Erdreich, hält sich an Acanthusstauden und Distelstränchern fest, wirft Steinchen ans die, welche stehen wollen und die Aussicht rauben, und ruft: „Kato, kato", d. h. nieder; nur die Knaben, welche Tabak und Cigarrettenpapier (Kapnocharti) herumtragen, haben das Recht herumzulanfen. Denn von Marmorsitzen ist freilich nichts mehr zu spüren, sie sind alle in drei Kalköfen zn Kalk verbrannt worden, es ist wieder wie in der guten alten Zeit vor Herodes Attikns. Nnr den Halbkreis, der den Abschluß des Stadiums nach hinten bildet, hat man mit Hilfe eines rohen Brettergerüstes in eine Art von Amphitheater umgestaltet; hierher begab sich die Elite der Gesellschaft, hierher auch der türkische Gesandte, hier postirte sich der Minister und die Ministerin, endlich jeder, der Lust hatte, für die olympischen Spiele drei Drachmen zu bezahlen.
Hierher sollten, so hieß es anfangs, die Majestäten kommen, da diese aber seit mehreren Tagen von Athen abwesend, nämlich in Dekelea waren, so vertrat ihre Stelle der Ministerpräsident, welcher Schlag fünf Uhr zum Stadium hereinfuhr und von der Musik mit emem Tusch begrüßt ward. Er hatte nachher die Preise zn vertheilen. Nun umzingeln die Soldaten die Arena, die von Polizeidienern in rothen Jacken gesäubert wird; ein verlorener Hund wird mit dem den Griechen eigen- thümlichen Abscheu gegen diese Thiere im Kreis herumgejagt; Trompeter verkünden den Anfang der Spiele, auf einer besonderen Bühne erscheinen drei Kampfrichter (Hellanodiken), und auf ein Zeichen des Gymnasiarchen treten durch einen in den natürlichen Felsen des Bodens gebrochenen unterirdischen Eingang ans der linken Langseite, nnr mit Hosen und einem blauen Hemd bekleidet, viernndzwanzig Kämpfer auf.
Es sind schöne, kräftige und wohlgebildete Gestalten, die den besseren Kreisen anzugehören scheinen. In der That ist die Bestimmung getroffen worden, daß nnr Zöglinge der Lyceen und der Universität zum Stadium Zutritt haben, um den wiederaufgenommenen Spielen einen vornehmeren Charakter zn ertheilen, zugleich aber die Idee der Gleichheit aller im Stadium wieder zu beleben. Ihre Herkunft anlangend, so sind es wahre Panhellenen, Athener so gut wie Samier, wie Mace- donier, wie Epiroten, wie Smyrnüer, wie Jsmailiten rc.
Die Wettkämpfe, welche nun nacheinander vorgenommen wurden, entsprechen im allgemeinen dem Fünfkampf (Pentathlon) des Alterthnms, wie derselbe auf einem Giebelfelde im Ausstellungsgebättde von dem Bildhauer Brutos dargestellt worden war. Ihre Reihe wurde wie dort mit dem Wettlanf und zwar dem sogenannten Diaulos eröffnet, wo der Laufende die Bahn zweimal zu dnrchmesfen und, einen Bogen um das Ziel beschreibend, ohne anzuhalten, zum Ablanfsstande zurück- zukehren hat — der einfachste und natürlichste Agon unter allen, dem die Stadien überhaupt ihre langgestreckte Form ver
danken; bekanntlich wurde die Bahn in Olympia, welche gerade 600 griechische Fuß (184,97 m) maß, zum allgemeinen und noch jetzt gebräuchlichen Längen- und Wegemaß erhoben; vierzig solcher Stadien entsprechen ziemlich genau einer deutschen Meile. Der Kämpfer waren vier; der, welcher das Seil zuerst ergriff, erhielt unter dem Klange der Musik einen Lorbeerkranz, der nächste einen Myrten-, der dritte einen Oliven- zwejg; übrigens wurde wie bei allen nachfolgenden Spielen dem ersten Sieger eine Prämie von 150, dem zweiten eine von 50 Drachmen zuerkannt.
Der Sprung niit Springstange und vermittels eines über den Graben ausgespannten, während des Sprunges zu ergreifenden Seiles nahm die zweite Stelle ein; der Anfsprnng wurde durch ein freistehendes Sprungbret, die übersprungene Entfernung durch eine Furche in den Boden bezeichnet. Auch hier versuchten sich vier Agonisten, von denen einer zu großer Ergötzung des Publikums in den Graben fiel und über und über beschmutzt sich den Namen des Borboromenos eroberte, der beste Springer erhielt einen Kranz von wildem Oelbaum.
Es folgte der Speerwnrf: stumpfe Stäbe, ähnlich unseren Geren, sollten durch das Loch inmitten einer blauen, am Rande weißen Scheibe hindurch geworfen werden. Ich bedauere berichten zu müssen, daß von den nenn Agonisten kein einziger das Loch getroffen, vielmehr der und jener sogar hoch über die Scheibe geworfen und dadurch den Hellenen zn einem homerischen Gelächter Veranlassung gegeben hat.
Nun kam der Diskos, eine linsenförmige Scheibe, ähnlich einem kleinen Rnndschild von Holz, ohne Handhabe und deshalb schwer zu fassen, welche von einer kleinen Erderhöhnng ans möglichst weit zn werfen war. Wäre ich ein Myron gewesen, so hätte ich einen neugriechischen Diskuswerfer modellirt und das pioclementinische Museum um ein Meisterwerk bereichert. Da ich aber nnr ein deutscher Schriftsteller bin, so begnüge ich mich zu sagen, daß die Stellung beim Schleudern der Disknsscheibe einige Aehnlichkeit mit der Stellung unserer Kegelschieber hatte. Der Oberleib des Diskuswerfers ist nach vorn mit einer Beugung zur rechten Seite hin gesenkt und findet seinen Ruhepnnkt ans dem linken Arm, dessen Hand auf der Kniescheibe des etwas nach vorn gekrümmten rechten Beines anfgestützt ist. Der Schwerpunkt des Körpers ruht also auf dem rechten Fuße, während das linke, nnr mit den Zehen auf den Boden gestützte Bein das Gleichgewicht herstellt. Zum Wurf des schweren Diskos, welcher auf der inneren Fläche des Unterarms und der Hand ruht, ist der rechte Arm rückwärts über die Schulterhöhe gehoben, um mit voller Kraft die Scheibe im Bogenwurf schleudern zu können. Nacken und Haupt aber sind nach der rechten Seite hin übergebeugt, so daß der Disko- bolos mit seinem Blicke prüfend die Stellung der rechten Seite seines Körpers zn überschauen vermag. Nun sanft die Scheibe hochgeschwungen durch die Luft; aller Augen sind auf sie geheftet; weit fliegt sie über die übrigen hinaus; das Volk klatscht in die Hände, und elastisch kehrt der angespannte Körper des Athleten in seine natürliche Form zurück.
Zwei herkulische Gestalten bereiten sich, um den letzten Kampf zn ringen —
Da traten sie vor in den Kampfkreis,
Faßten sich dann einander, nmschmiegt mit gewaltigen Armen. Beiden knirscht' auch der Rücken, von stark umspannenden Armen Angestrengt und gezuckt; und mederströmte der Schweiß rings; Aber häufige Striemen entlang an Seiten und Schultern,
Roth von schwellendem Blut erhoben sich, und mit Begier stets Rangen sie beide nach Sieg.
Nach Sieg, das heißt, sich nicht nur einander niederzu- werfen, eine Art des Ringkampfes, wo der dreimal niedergeworfene Gegner sich für besiegt erklärt; sondern nachdem der eine Ringer zu Boden gefallen war, und der andere auf ihm liegend ihn am Anfstehen hinderte, hatten sie in dieser liegenden Stellung den Kampf noch fortzusetzen, so daß jene berühmte Gruppe der Ringer zum Vorschein kam, die tausende meiner Leser in der Tribüne zn Florenz gesehen haben werden, wo der oben liegende Ringer sein linkes Bein fest um das seines Gegners geschlungen hat, und der Besiegte sich zwar bemüht, mit Hilfe des sreigebliebenen linken Armes und rechten Knies