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purpurhaltige Schnecken auch in den Meeren anderer Küstenländer ausfindig und siedelten sich dort an oder errichteten Faktoreien, so daß Ezechiel da, wo er den Markt von Tyrus schildert, auch importirten Purpur aus Elisa, d. h. wahrscheinlich peloponnesisch-lacedämonischen namhaft macht. Solchen griechischen Purpur verarbeitete man in dem durch seine Purpurfabrikate berühmten binnenländischen Thyatira, nordöstlich von Smyrna, wo jene Lydia, welcher der Herr das Herz für das Evangelium aufthat, Pnrpurkrämerin war, d. i. purpurgefärbte Garne verkaufte. Die älteste Stätte der Purpurgewinnung aber ist Tyrus selbst und war es schon damals, als es noch lange nicht das uralte große Sidon überflügelt hatte. Noch jetzt zeigen sich in der Nähe des ärmlichen verkommenen Städtchens, welches den Namen sdes alten Tyrus sortpflanzt, deutliche Spuren der bis in die' christliche Zeit hinein berühmten Purpurfärbereien. Dicht am Meeresrandc haben sich kreisrunde Behälter gefunden, welche in anstehenden Sandstein eingehanen sind, von 2 — 8 Fuß Durchmesser und 4 — 5 Fuß Tiefe, einige durch Rinnen verbunden; sie sind zum Theil leer, mehrere aber enthalten Schnecken-Fragmente, welche nicht angeschwemmt sein können, sondern in alter Zeit von Menschenhänden hineingekommen sein müssen, denn sie sind scharfkantig und zu einer Art Breccie zusammengekittet — es sind Reste der Purpurmuscheln, und diese Reste sagen uns am sichersten, welcherlei Schnecken es waren, ans denen der Purpur dort in Tyrus gewonnen ward. Es gibt eine ziemliche Anzahl von Meerschneckengattungen mit und ohne Schale, welche irgendwie gereizt, eine rothe oder violette Flüssigkeit von sich geben; aber diese alle sind nicht die echten Purpurschnecken, die Farbe ihres Saftes erbleicht, nachdem sie einige Zeit der Luft und dem Tageslichte ausgesetzt gewesen. Die echten Purpurschneckcn sind, wie uns neuerdings E. von Martens in seinem sachverständigen schönen Vortrage über Purpur und Perlen (1874) gezeigt hat, Narsx trunouluL und der mit Stacheln und Röhren von größerer Länge versehene Nrmox brnmlarm; auch die Gattung von Mittelmeerschnecken mit nicht gleich stachelichter Schale, welche jetzt im System Illmjmra, heißt, namentlich Lm-pai-a lmaiunLtoiim, gehört dazu, aber die in der Nähe des alten Tyrus gefundenen Schalenreste stammen alle von Nnrsx trunealim und die bei dem unteritalischen Tarento und im Peloponnes gefundenen Von Uursx bramckarm.
Der Farbstoff, welcher von diesen Schalthieren entnommen wird, ist nicht ihr Blut, sondern der schleimige Saft einer ihnen mit allen Schnecken gemeinsamen Drüse. Dieser Saft ist nicht unmittelbar roth oder violet, sondern weißlich, aber unter Einwirkung des Sonnenlichts färbt er sich wie eine photographische Substanz durch Gelblich und Grünlich hindurch bis zu der Purpurfarbe, welche ein Gemenge aus rothem und violettem Licht ist, und diese Mischfarbe von theils mehr blauem, theils mehr rothem Ton ist unvertilglich. Plinius sagt, das Roth des Purpurs von Tyrus gelte dann als preiswürdigst, wenn es geronnenem Blute gleiche und von oben angesehen ins Schwarze falle, von der Seite aber angesehen das auffallende Licht zurückstrahle. Und vom Purpurblan sagt er, es sei eine düstere (oder nach modernem Ansdruck: eine kalte) Farbe, welche dem zürnenden Meere gleiche, d. h. wie es v. Martens erklärt: dem Meere beim Anzuge eines Sturmes, nämlich der dunkelblauen Farbe des Mittelmeeres, wenn der dunkele Himmel sie trübt und die Wogen sich erheben. Der Purpur war auch in der Zeit der Römerherrschaft noch kostspielig. Ein Pfund des violetten Purpurs, mit welchem die Mode begann, kostete in den leHten Zeiten der Republik 100 Denare, d. i. 87 Mark.
Ein Mantel aber vom besten Purpur aus Tyrus, wie ihn der Luxus der Kaiserzeit zu tragen gebot, galt, mit 10,000 Sesterzen, d. i. 2175 Mark bezahlt, eher für wohlfeil als zu theuer. Jetzt ist der Purpur der Meerschnecken eine verschollene Sache. Schon im Anbeginn des Mittelalters war das Schaufädengebot dem Wortlaute des mosaischen Gesetzes nach für den Israeliten unerfüllbar, denn — so begründet sich die Selbst- dispensirnng — wir haben kein Purpurblan mehr. Jene Meeresbewohner, welche früher in Unzahl zermalmt und auseinandergerissen wurden, haben heutzutage Ruhe, aus der nur etwa eine
oder die andere von einem Muschelsammler oder Zoologen gestört wird. Denn mit dem Purpur aller Farbentöne, welchen jetzt die Kunst auf chemischem Wege herstellt, könnte der alte Purpur nicht konkurriren.
Ein anderes Roth, und zwar Hochroth, d. i. mehr Gelboder Braunrotst als das Blau- oder Schwarzroth des Purpurs lieferte dem Alterthum ein kleines erbsengroßes Insekt, welches sich durch Anbohren und Ansaugen einer Eichenart und einiger anderen Pflanzen ernährt. Man hielt dieses Insekt gemeinhin für eine Beere (eoomm) des Baumes selber und nannte es deshalb 6066 U 8 ; die Eiche, an der es sich findet, heißt davon im System gu6i-6U8 eoooikbrm Aber schon die Sprache des mosaischen Gesetzes, welches auch diesen Farbstoff zu Kultuszwecken verwendet, erkennt das Thier als solches; sie nennt es und zugleich die von ihm kommende Farbe tolLntll 8olmni, d. i. Glanzwurm und Glanzwurmfarbe. Im Persischen heißt der Wurm lliim. Von diesem Worte stammt der Name, den dieses Hochroth erhielt, seit das jüdische Volk unter persische Botmäßigkeit gekommen. Er lautet im Buche der Chronik llarrnil; das romanische vm-miKlio, vsrmsil, d. h. Wurmroth, ist wie die Ueber- setzung davon. Eine ähnliche und doch stammverschiedene Benennung lautet im Türkischen, Persischen, Arabischen üii-wmi, woran die romanische Benennung rother Farbentöne mit Carmin und Carmoisin (Carmesin) sich anschließt. Auch der Name Scharlach, welcher seit dem Mittelalter für den Farbstoff des Coccusinsekts in Gebrauch gekommen, ist türkisch.
Diese Cvccusfarbe war bei Griechen und Römern die eigentliche Farbe für das Obergewand des Kriegers, besonders des Feldherrn. Darum ist es ein Scharlachmantel, welcher, wie Matthäus erzählt, dem Heiland im Richthause des Pilatus von den Kriegsknechten umgehängt wird; Marcus und Johannes sagen dafür Purpur, denn die Sprache des Volkes unterschied die beiderlei Roth nicht. Noch häufiger wurde die Verwechselung, seit im Mittelalter der Purpur von dem feurigeren und leichter zu erlangenden Scharlach verdrängt ward. Daher kommt es, daß auch Luther in seiner Bibelübersetzung bald Purpur statt Scharlach, bald Scharlach statt Purpur gebraucht; indes hat er für Scharlach, und nur für diesen noch den besonderen Namen Rosinfarbe oder Rostnroth; das gewöhnliche Rosenrotst ist zwar Heller als das Scharlachrotst, aber auch Plinius sagt, der Scharlach ähnele den Rosen, obwohl schief angesehen mehr dem Purpurroth. Dies zu erproben wäre jetzt schwierig. Denn der Schneckenpurpur ist gänzlich außer Brauch gekommen, und das alte Kermesinsekt ist zwar auch jetzt noch nicht aus dem Handel verschwunden, man färbt noch immer mit den sogenannten Kermesbeeren oder Scharlachkörnern und macht daraus Carmin und Lack; aber weit gesuchter als eoomm iliom, d. i. die Eichenschildlaus, ist 006LU8 enoti, d. i. die Cactusschildlaus, die besonders aus Mexiko und Peru kommende Cochenille, von welcher die alte Welt noch nichts wissen konnte. Fragen wir aber, woher das Israel der Zeit Moses die rothe Wurmfarbe hatte, so ist auch hier wie bei dem doppelten Purpur zu antworten, daß sie von ihnen aus Phönizien bezogen wurde. Denn auch Salomo verschreibt sich einen geschickten Arbeiter, der mit Purpur und llnrmil nmzngehen wisse, von seinem guten Freunde, dein Könige von Tyrus, und dieses Hochroth heißt bei den Griechen und Römern POtvtxovv, pbomrioinm, posinoium, punieium, d. i. phönizisches oder pnnisches Roth. Das französische poimoai,, welches die Klatschrose und Klatschrosenroth bedeutet, ist ebendasselbe Wort.
Purpurroth, Purpurblan, Scharlach und dazu Weiß — das sind die vier mosaischen Kultusfarben. Vierfarbig, d. i. gewebt aus Garnen der vier Farben mit hineingewebten Cheruben waren die zehn Teppiche, welche die innere Bedachung des Stiftszeltes bildeten; vierfarbig mit Cheruben der Vorhang, welcher das Allerheiligste und Heilige schied; vierfarbig der Vorhang, welcher den Eingang des Heiligen, und der Vorhang, welcher den Eingang des Vorhofs schloß; vierfarbig das Schulterkleid, der Gürtel und das mittelst goldener Ringe und Ketten am Schulterkleid befestigte Amtsschild des Hohenpriesters. Dreifarbig, nämlich purpurblan, purpurroth und scharlachen, waren die Granatäpfel unten am Saume seines Talars. Ein-