Heft 
(1878) 42
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zu lernen gibt. In Braunschweig aber schüttelten die Nach­barn ob solcher Gaben die Köpfe. Allein über ein dumpfes Staunen, ein ungewisses Wohlmeinen ging cs bei allen Gönnern des talentvollen Knaben vor der Hand nicht hinaus. Da war es der Hilfslehrer Bartels in der Büttnerschen Schule, der den Kleinen die Federn schnitt und ihre ersten Schnörkelver- snche überwachte, welcher unserem Gauß weiterhalf. Selbst mit Vorliebe ans mathematische Studien gewandt, faßte er ein ungewöhnliches In­teresse für das Kind, in welchem so er­staunlich der künf­tige Rechenmeister offenbar wurde. Den Abstand ihrer Jahre Bartels war acht Jahre älterüber­brückte die geistige Frühreife des Kna­ben; bald waren Lehrer und Schiller vertraute Freunde.

Gemeinschaftlich studirten sie, und fo mit Bartels' Hil­fe drang Gauß in feinem elften Jah­re über den bino­mischen Lehrsatz und die Lehre von den unendlichen Reihen an die Schwelle der höheren Ana­lysis vor.

Wenn ein Karl Friedrich, wo er stand und ging, in Büchern las, wäh­rend die anderen im Hanse, jung und alt, von früh bis spät die Hände reg­ten, so konnte dies indes Vaters Augen natürlich nicht viel besser als Müssig- gang sein. Und nicht etwa sein ty­rannischer Eigen­wille, sondern Hans- sitte des kleinen Mannes von da­mals, war es, wenn er den Knaben, so­bald der Schule ihr bescheidenes Recht geworden war, im Haushalte oder bei seinen Hantirungen für das tägliche Brot Mitarbeiten ließ, wenn er während der langen Feierabende des Winters ihn ans Spinnrad zwang und schließlich, um Licht und Heizung zu sparen, vorzeitig zu Bett trieb. Auf seinem Dachkämmcrlein, so wird erzählt, beim Geflimmer eines Dochtes, den er selbst von roher Baumwolle drehen und in einer ausgehöhlten Rübe mit Talgbrocken speisen mußte, hat Karl Friedrich dann halbe Nächte hindurch studirt, bis Kälte und Erschöpfung ihn endlich zwangen, sein ärmliches Lager zu suchen.

Wenn an Winterabenden derOelkrüsel" sein trübes Licht gab, mußte der Knabe, den man sonst nie ohne ein Buch fand, sich gleich anderen Hausgenossen ans Spinnrad setzen und sein

Gauß auf der Terrasse der Göttinger Sternwarte. Nach einem gleichzeitigen Bilde.

Theil Flachs spinnen, bis eines Tages sein Lehrer den Vater rufen ließ und ihm zuredete: Der Junge sei zu etwas besserem geschaffen, müßte ein Stndirter werden. Erst machte der Alte Einwendungen, da aber stellte Bartels Zubußen in Aussicht, freies Gymnasium rc. Nun erst gab halb widerwillig der Alle seine Einwilligung, und 1788 bezog Gauß das Katharinen­gymnasium seiner Vaterstadt. Mit Hilfe älterer Freunde hatte er sich die Elemente der alten Sprachen bereits angeeignet;

in allein übrigen war er seinen Al­tersgenossen weit voraus, und so konnte der Elfjäh­rige sofort in Se­kunda zugelassen werden. Nach zwei Jahren rückte er nach Prima auf.

Am Collegium Carolinum, einer höheren, zwischen Gymnasium und Universität stehen­den Lehranstalt Braunschweigs, war damals August Wil­helm Zimmermann Professor der Ma­thematik. Er war eine vornehme Na­tur, feingebitdetnnd weltgewandt, zu­gleich durchdrungen von echtem Wohl­wollen. Bartels, der sein Schüler war, machte ihn aufmerk­sam auf den drei­zehnjährigen Pri­maner Gauß. Zim- mcrmann ließ die­sen kommen und überzeugte sich nun selbst, daß in die­sem Knaben ein Geist zum Lichte rang, dessen Be­freiung die Welt ihm einst danken würde. Durch Zim­mermann wurde dann 1701 Gauß dem Brannschwei- ger Herzoge, Karl Wilhelm Ferdinand, demselben, der bei Jena so unglück­lich gegen Napo­leon focht, vorge­stellt. Aus den ei­genen Mittheilun-

gen von Gauß dürfte geflossen sein, was Sartorius von Wal­tershausen von diesem Ereignisse und seinen Folgen berichtet: Während sich die Umgebung den Herzogs an den Rechen­künsten des bescheidenen, etwas schüchternen vierzehnjährigen Knaben ergötzte, verstand der edle Fürst mit feinem Takt, ohne Zweifel in dem Bewußtsein, einen ganz ungewöhnlichen Geist vor sich zu haben, seine Liebe zu gewinnen, und wuyte die Mittel zu gewähren, die für die weitere Ausbildung eines so merkwürdigen Talentes erforderlich waren. Gauß verließ mehrfach beschenkt die hohe Gesellschaft und bezog, vom Herzog unterstützt, im Februar 1792 das Collegium Ca-