Heft 
(1878) 42
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Man möchte beim ersten Anblick des kleinen Apparates, welches die Deutschen Lichtmühle nennen, glauben, dasPer­petuum mobile" sei nun endlich erfunden worden. Die Kon­struktion der zierlichen Maschine, von der wir eine Abbildung beifügen, ist frei von allen geheimnißvollen Zuthaten und leicht verständlich in ihren Haupttheilen, während die Physikalischen Erscheinungen, die sich an derselben wahrnehmen lassen, selbst den Gelehrten von Fach noch genug des Räthselhaften dar­bieten. Wir bemerken zunächst vier kleine Glimmerplatten, die an einem Achsenkreuz aus leichtem Alumininmmetall befestigt sind, das auf einer feinen Stahlspitze ruhend, sich ohne Beschwer in horizontaler Richtung zu drehen vermag. Die eine Seite der Glimmerplättchen ist mit Lampenruß geschwärzt, die andere dagegen besitzt die dem Glimmer eigene glasglänzende Ober­fläche. Damit das weiche Aluminiummetall nicht von der Stahl­spitze durchbohrt werde, ist noch ein kleines Glashütchen ein­gefügt, welches sich in der Mitte des eben erwähnten Achsen­kreuzes befindet und das also hergerichtete Windrädchen in einem Glasballon eingeschlossen, der mit Hilfe einer Luftpumpe fast luftleer gemacht wurde.

Wird dieser Apparat nun dem Lichte ausgesetzt, einerlei ob dem Tageslichte, den Strahlen der Sonne oder einer Lampe, so setzt der innere Mechanismus sich ununter­brochen in Bewegung und zwar derart, daß die nicht geschwärzten Seiten der Glim- merblättchcn vorangehen. Je kräftiger die Lichtquelle ist, deren Strahlen die Glim­merplättchen treffen, um so lebhafter und rascher erfolgen die Drehungen. Aus die­sem Grunde gab der Erfinder Crookcs dem Apparate den Namen Radiometer, mit welchem Worte er andeuten wollte, daß in der Zahl der Umdrehungen, welche in einer bestimmten Zeit erfolgen, ein Maß für die Stärke der Strahlen einer Licht­quelle erblickt werden könnte. So lange der Apparat neu ist, zeigt er auch in der That eine erstaunliche Empfindlichkeit gegen die Abnahme oder die Zunahme des Lich­tes, selbst das Vorbeiziehcn einer kleinen Wolke vor der Sonnenscheibe wird durch Verlangsamung der Drehungen sofort von dem Radiometer markirt; wenn jedoch die Stahlspitze, auf welcher das Flügelrädchen ruht, etwas stumpf geworden ist, vermin­dert sich die Empfindlichkeit des Radiometers,'so daß die Hoff­nungen, den Apparat als ein genaues Meßinstrument für die Lichtstärke benutzen zu können, vorläufig noch ihrer Erfüllung entgegensehen.

Bon größerer Wichtigkeit sind dagegen die Untersuchungen, welche angestellt wurden, den Grund dieser Bewegungserschei- nuiigen zu erklären, wenn auch bekannt werden muß, daß die Physiker in dieser Angelegenheit noch nicht einig sind und ver­schiedene Theorien zur Erklärung des Phänomens aufgestellt wurden.

. Die Ansicht des Erfinders Crookes, nach welcher das Licht die bewegende Ursache sei, hat man bereits aufgegeben, um der Wärme die Wirkungen zuzuschreiben, welche scheinbar das Licht beanspruchen darf. Wenn nämlich der Glasballon so luftleer gemacht wird, als unsere Hilfsmittel gestatten, dreht das Räd­chen sich nicht, und ebenfalls steht dasselbe still, sobald die Ver­dünnung keine genügende ist. Damit die Flügel der Lichtmühle sich bewegen können, ist die Anwesenheit eines Gases in dem Ballon erforderlich, indessen muß dieses Gas, sei es nun atmo­sphärische Luft, Wasserstoff, Stickstoff oder ein anderes Gas, bis zu einem gewissen Grade verdünnt werden. Wären die Lichtstrahlen in Wirklichkeit das bewegende Prinzip, so müßten die Flügel sich um so leichter im Lichte drehen, je größer die Luftleere, je geringer mithin der Widerstand ist, den die Glimmer-

XIV. Jahrgang. -12. all.*

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Ges. v. II./VI. 7».

Plättchen zu überwinden haben. Wir wissen ferner, daß die Lichtstrahlen im allgemeinen von Wärmestrahlen begleitet sind. Sobald Wärmestrahlen auf die spiegelnde Fläche der Glimmer­plättchen fallen, werden sie wie von jeder glänzenden Oberfläche zurückgeworfen, während die geschwärzte Seite die Eigenschaft besitzt, die Wärmestrahlen aufzusaugen und sich zu erwärmen. Die geschwärzte Seite erwärmt sich daher rascher und in er- höhterem Grade als die spiegelnde und ist nun im Stande, ihre nächste Umgebung zu erwärmen. Die bereits verdünnte Lust des Apparates, welche die geschwärzte Seite berührt,.wird durch die Wärme zur Ausdehnung gezwungen, allein diese Ausdehnung wirkt wie eine Feder, welche das leicht beweg­liche Plättchen vorwärts treibt.

Diese Anschauung, welche gleichzeitig die Ursache erklärt, weshalb die spiegelnde Fläche des Glimmers vorangeht, wird noch durch folgenden Versuch bestätigt. Man setzt eine ge­wöhnliche Lichtmühle den Strahlen einer Lampe aus, bis die Flügel in lebhafte Umdrehung gerathen und löscht die Lampe plötzlich aus unter gleichzeitiger Hemmung der Bewegung durch Neigen des Apparates auf die Seite. Sobald jedoch das Glashüt­chen wieder richtig auf der Stahlspitze ruht, beginnt das Rädchen sich nach der entgegengesetzten Seite zu drehen, so daß jetzt nicht die spiegelnden, sondern die ge­schwärzten Flächen voraneilen.

In der Dunkelheit kühlen sich die kleinen Luftschichten an der geschwärzten Seite verhältnismäßig rascher ab, als an der spiegelnden, und ziehen sich zusammen, so daß der Druck jetzt ans der entgegen­gesetzten Seite liegt und die Drehung im umgekehrten Sinne erfolgen muß. Um ferner zu zeigen, daß die Wärme die Ur­sache der Drehung des Radiometers ist, hat Crookes selbst eine Reihe von Untersuchun­gen angestellt, welche von großer Beweis­kraft sind.

Es ist bekannt, daß das zusammen­gesetzte weiße Licht durch das Prisma in verschiedene einfach farbige Strahlen zer­legt wird, die in dem Spektrum sich in der Folge von roth, orange, gelb, blau, indigoblau und violett an einander reihen. Die einzelnen Strahlen unterscheiden sich nicht nur durch ihre Leuchtkraft, sondern auch durch ein Mehr oder Minder von Wärmestrahlen. Die größte Helligkeit besitzt das Gelb des Spektrums, während das Maximum der Wärme an der äußersten Grenze des Roth liegt und gegen das Violett hin allmählich abnimmt. Crookes setzte nun das Radiometer nach und nach den ein­zelnen Regionen des Spektrums aus, und es ergab sich, daß nicht das hellste Licht, sondern das Maximum der Wärme­strahlen die meiste Einwirkung auf die Geschwindigkeit aus­übte, mit der sich die Flügel bewegten. In einer bestimm­ten Zeit drehte sich das Radiometer im rothen Lichte

85 Mal, im gelben 57 Mal, im blauen 22 Mal, im

violetten 6 Mal. Wäre das Licht die bewegende Ursache, so hätten die Umdrehungen am zahlreichsten im Gelb erfolgen

müssen, was jedoch nicht der Fall war. Nicht immer sind Licht und Wärmestrahlen mit einander vergesellschaftete, es galt daher auch die Einwirkung der sogenannten dunklen Wärme auf das Radiometer zu prüfen, wobei sich, wie zn er­warten war, herausstellte, daß die Wärme allein, ohne jeg­liche Anwesenheit von Licht, die Lichtmühle in Bewegung setzt.

Es liegt nun die Frage nahe: wie konnte man die Be­wegung der Flügel des Radiometers sehen, wenn kein Licht zugegen war, da doch das Auge ohne Mitwirkung des Lichtes keine Wahrnehmungen zn machen im Stande ist? Man bediente sich zur schwachen Beleuchtung des Apparates sogenannter fluo-

Dic Lichtmühle (Radiometer).