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Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen.
Erscheint wöchentlich und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 2 Mark zu beziehen.
Kann im Wege des Buchhandels auch in Heften bezogen werden.
XIV. Jahrgang. AusgrgrbkN M 21. Sytmlltt 1878. Dtt Jahrgang läuft vam Malier 1877 bis dahin 1878. 1878. 51.
Im Schatten eröküht.
Von Germanis.
Nachdruck verboten. Ges. v. 11./VI. 70.
(Fortsetzung.!
Den 18 . November, wie im Fluge, und seit vielen
Die Zeit vergeht jetzt Tagen habe ich nicht in dieses Buch geschrieben, während ich doch gerade jetzt viel zu berichten hätte. Jeder Tag bringt etwas Neues und doch auch wieder dasselbe, nämlich das Zusammensein mit Evchen und Mariassy. Letzterer bleibt den Vormittag über in seinem Atelier oder geht nach der Stadt, zu dem späten Mittagessen ist er aber immer zu Haus und bleibt dann den Abend mit uns zusammen, mit den seltenen Ausnahmen, wo er ins Theater geht. Dieses Programm erleidet indessen manche Veränderung. So haben wir z. B. vorgestern, wo das Wetter wunderbar klar und mild war, im offenen Wagen eine gemeinsame Spazierfahrt gemacht, wobei Frau Brigitte als Gardedame sigurirte und sehr würdig anssah in dem Sammethut und dem einfachen Pelzmantel.
Einen anderen Tag waren wir in der Gemäldegalerie, wo Nikolai uns alles erklärte, und an Evchen eine sehr lebhafte, an mir eine stille aber nicht minder aufmerksame Zuhörerin hatte. Wie schön und strahlend, wie zaubermächtig ist doch diese Farbenwelt, die er beherrscht, wie schön muß es sein, ein Künstler zu sein von Gottes Gnaden! Seine Gesellschaft bringt immer Genuß und Anregung, und die Abende, die wir zusammen verleben, wie verschieden sind sie von jenen früheren! Werde ich sie jemals vergessen? Ich glaube nicht. Geistvolle Gespräche wechseln mit scherzhaften Wortgefechten voll Witz und Humor, Vorträge aus den Klassikern und den Heroen der Poesie mit gesellschaftlichen Spielen, aber Leben, fröhliches Leben ist immer dabei. Selbst an Lustigkeit fehlt es nicht, denn Tommy und Bobly führen manchmal eine wahre Komödie der Feindseligkeiten auf, und ihre Gebieter geberden sich dabei so ausgelassen wie die Kinder. Tommy, Nikolais großer Hund, hat nämlich trotz aller Liebenswürdigkeit von Evchens Seite, keine große Zuneigung zu der jungen Dame und bevorzugt mich auf eine sehr bemerkbare Weise, sogar etwas auf Kosten
XIV. Jahrgang. S1. ack.
seines Herrn. Denn stundenlang liegt er zu meinen Füßen, und wenn er von einem Ausgange heimkehrt, ist seine Bewillkommnung von der lautesten und freudigsten Art. Evchen also ignorirt er, und aus Rache für diese Nichtachtung hat sie einen großen grauen Kater, der sonst nur in der Küche domicilirte, zu ihrem Liebling erhoben, und das scheue Thier schon so weit gezähmt, daß es eine große Anhänglichkeit für sie hat und ihr auf Schritt und Tritt folgt. Besonders aber benutzt sie unser abendliches Zusammensein dazu, um die beiden einander näher zu bringen, und zwischen Tommy und Bobly ist dann oft ein Knurren und Zischen, ein Bellen und Miauen, daß man sein eignes Wort nicht hört und ich mein Hausfraueurecht geltend machen muß, um den Friedenstörer auszuweisen.
Mein jetziges Leben ist mannichfaltig und schön, ich begreife jetzt kaum, wie ich die Einsamkeit so lange ertragen konnte, und doch überkommt mich oft inmitten des fröhlichen Kreises eine Traurigkeit, über die ich mir keine Rechenschaft geben, eine Sehnsucht, deren Ziel ich nicht nennen kann. Ich möchte mich selbst schelten, daß ich nicht fröhlich bin und sorglos wie die anderen; ich erscheine mir undankbar gegen das Geschick, das mir so viel Gutes gab nach einer Zeit des Darbens, und doch kann ich es nicht ändern. Ich hüte mich aber auch es zu zeigen. Evchen möchte es beunruhigen und Nikolai mich dann noch langweiliger finden als ich ohnehin bin.
Wenn wir nach dem Essen zusammeusitzen am Kamin, dem allgemeinen Lieblingsplatz, dann sind es die beiden nur, die sprechen, während ich schweigend am Spinnrad sitze und zuhöre. Es ist ein Glück für Nikolai, daß er die Kleine hier gesunden hat, sonst würde es ihm wohl gar zu schwer werden hier auszuharren, aber nun scheint er sich in sein Schicksal mit gutem Humor zu ergeben. Er richtet immer das Wort an sie, und während er für mich eine Menge Rücksichten und Aufmerksamkeiten hat, behandelt er Evchen mehr wie einen guten Kameraden.