und übergenug sei, so wollten doch die Bänke sich nicht lichten, und eine aufmerksame Menge folgte ununterbrochen den Worten der Redner und Prediger.
Den Mittel- und Höhepunkt der Festwoche des Wupper- thales bildet das Jahresfest der Rheinischen Missions- gesellschaft. In diesem Jahre in besonders erhebender Weise, da die Gesellschaft das goldene Jubiläum ihres Bestandes*) feierte. Die Anfänge auch dieser Gesellschaft wurzeln in dem fruchtbaren Boden, den vor fast 100 Jahren der glaubensstarke, liebeglühende Urlsperger in seiner „deutschen Christenthumsgesellschaft" zu bearbeiten begann. Wer achtete damals von den Tonangebern der Zeit auf das unscheinbare Thun dieser „Stillen im Lande"? Wenn es doch einmal geschah, mit welch mitleidigem Blicke sah man auf die bescheidenen kleinen harmlosen Leute herab, die alle vor dem Weltlärm znrückwichen und so stillvergnügt ihre engen Straßen zogen! Und doch wie weit und hoch und tief war das Sinnen und Arbeiten dieser Frommen! Wie überragten sie mit ihren Plänen und Zielen all die jämmerliche klägliche Kirchthurms- politik der großen lauten Leute jener und so vieler folgender Tage! In den bescheidenen Hinterstuben dieser Stillen im Lande, die so herzinnig ihres Herrn sich erfreuten und in Folge davon eine so weltweite Liebe zu ihren Nächsten faßten, wurde geboren, was eine spätere dankbare Zeit die äußere und innere Mission nannte, jenes Zwillingspaar christlichen Lebens, das zu den großartigsten Erscheinungen der Gegenwart gehört; hier ist die verborgene Brunnstube, ans der so reiche Lebensströme über die ganze Welt ausgegangen sind. Fesselnde Ausgabe wäre es für eine geistvolle feinfühlige Hand, die Geschichte dieser Gesellschaft zu schreiben und die zarten Fäden zu sammeln, die die meisten und größten christlichen Liebeswerke unserer Tage mit den Bestrebungen jener Gesellschaft verbinden. Auch die rheinische Missionsgesellschaft ist sich des Einschlagfadens, des Zusammenhanges bewußt. Die man so gern der Weltflucht zeiht, denen man so gern engherzigen beschränkten Sinn vorwirst, die frommen Männer haben doch schon vor einem halben Jahrhundert, als die deutsche Politik noch kaum über die engen Schlagbäume der winzigen Duodezstaaten hinaus sich wagte, muthvollen Sinnes ihr Auge in die weiteste Ferne gerichtet und im Namen ihres Herrn, dem die Welt gehöret, ihre Sendboten nach Afrika und Indien und China gesandt. Keine Enttäuschung durfte ihren beflügelten Lauf hemmen, kein Spott, kein Leid den idealen Flug ihrer Wünsche herabziehen. Im Namen des Herrn hatten sie die Hand an den Pflug gelegt, in seinem Namen treu, standhaft, nüchtern all die Zeit hindurch gearbeitet, und wahrlich nicht ungesegnet. Welch ein werthvolles Blatt die Missionsgeschichte des letzten halben Jahrhunderts! Daß doch die Gebildeten sich aus dem Banne der knechtenden Phrase über das Missionswesen befreien und selbständigen offnen Blickes die großartigen Erfolge dieser Unternehmungen Prüfen wollten.
Es gibt kaum ein anderes Volk, das sich in gleichem Maße wie das deutsche von dem hergebrachten Vorurtheile über die Mission gängeln ließe und nicht wagt, Missionsland und Leute ohne die armselige Brille derer zu betrachten, denen christliches Leben verhaßt ist. Würde dem nicht so sein, wie wäre es möglich, fort und fort von der Erfolglosigkeit der Bestrebungen zu reden, wo da und dort eine Gemeinde um die andere dem Christenthume gewonnen wird, wo ganze Völker in dem letzten halben Jahrhundert sich zu dem Herrn bekannt, und nun sich der Segnungen des Christenthums erfreuen, wo auch die rheinische Missionsgesellschast ihre Täuflinge nach Zehntausenden zählt. Die Segnungen würden größere sein, wenn sich nicht die srischgesammelten Häuflein an so vielen Orten der unheilvollen Einflüsse derer zu erwehren hätten, die wohl die Missionsbestrebungen hassen, aber um Gewinnes willen
*) Aus Anlaß des Jubiläums sind zwei Schriften im Verlag des Missionshauses zu Barmen erschienen, die wir unseren Lesern zu weiterer Orientirnng empfehlen: 1) Gedenkbuch der Rheinischen Missionsgesellschaft. Erinnerungen an eine 50jährige Wirksamkeit. 2) Rheinischer Missions-Atlas- Acht Karten nebst Text. D. R.
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eifrig bemüht sind, die vergifteten Auswüchse ihrer Kultur den armen Völkern zu übermitteln und Opium und Branntwein und so manche Krankheit ihnen zuzuführen. Es mag manches und auch vieles aus Uebereifer. und Unverständniß von den Missionaren versäumt und verfehlt worden sein, gewiß — und jede Gesellschaft räumt es willig ein. Wir wissen, daß nur „des Herrn Gewand ohne Naht" ist. Aber eben so ernst und entschieden fordert die Wahrheit das Zugeständniß, daß von diesen einfachen schlichten Leuten durch die Kraft des Evangeliums ein Werk in dem letzten halben Jahrhundert ausgerichtet wurde, das dem Kundigen als eines der großartigsten, tiefgreifendsten unserer Zeit erscheint.
Lange, ehe eine deutsche Flotte in den fremden Gewässern auftauchte und das schwarz-weiß-rothe Banner den fernsten Inseln die Kunde von dem deutschen Volke brachte, haben diese wackern Sendboten des Evangeliums dem deutschen Namen Achtung erworben. Unvergeßlich bleibt dem Schreiber dieser Zeilen das Wort, das ihm in fernem Osten ein Beduine sagte: daß sein Stamm durch die Liebesthätigkeit der Kaiserswerther Diakonissen, die seine Kranken pflegten, besiegt worden sei.
Einen bedeutsamen Bruchtheil an der Missionsarbeit der gesammten evangelischen Kirche hat unsere Jubilarin in der abgelaufenen Zeit geleistet. Davon legte die meisterhafte Festpredigt des Professor Christlieb von Bonn beredtes Zeugniß üb, die in kraftvollen, warmen, scharsgezeichneten Zügen ein rasches zutreffendes Bild ihrer Geschichte entwarf, und in geschickter und auch herzandringender Weise die Vergangenheit anfrief, dem gegenwärtigen Geschlechts zur Anfeuerung zu dienen. Um das schöne Wort des Professors gruppirten sich die Reden der beiden Inspektoren des Missionshauses, von Rohden und Dr. Fabri, jene in feiner sorgfältig ausgearbeiteter Form die innere Entwicklung des Institutes zeichnend und in anspruchsloser herzlicher Weise die demuthvolle, ganz in dem Leben für die Anstalt aufgehende und in solcher Arbeit hochbeglückte Gesinnung des Redners abspiegelnd, diese in gewandter, anschaulicher, farbenreicher Sprache das Leben draußen auf den Missionsstationen schildernd und in gemächlicher, ans Behagliche anstreifender Form doch ernste Missionsgedanken einflechtend, voll Anregung auch da, wo nicht alle vielleicht znstimmen. Vier Schüler erhielten die Weihe und Ordination, die ihnen der Generalsuperintendent der Provinz, Dr. Nie den, erstellte. Seine Rede war von inniger Wärme und Liebe zu der Mission und ihren Sendboten beseelt; aus ihr so wohl, wie aus den Worten des einen und anderen höhern Würdenträgers der evangelischen Kirche trat in klarer unumwundener Sprache das werthvolle Zeugniß hervor, einmal des starken lebendigen Zusammenhanges, in welchem die kirchliche Leitung der gesegneten Rheinprvvinzen zu diesem großartigen Werk steht, dann aber auch — und aus solcher Leute Mund war das Wort doppelt erfreuend — wie sehr diese Behörde sich hütet, dies reich gesegnete Werk bevormunden oder in irgend einer Weise seine große Selbständigkeit beschränken oder einengen zu wollen. Die Gesellschaft arbeitet innerhalb ihrer Kirche und in ihren Organismus fest eingegliedert, aber völlig frei und selbständig, so beiden Theilen zum Segen.
Gar lang war die Liste derer, die die Jubilarin im Namen heimischer Gesellschaften an den beiden Festtagen begrüßten; recht viele darunter, die wie der Inspektor der Bremer Missionsgesellschaft die Weisung beherzigt, allzeit Salz der Rede bei sich zu haben, einige Wohl auch, bei denen der gute Wille reger gewesen, als die Ausführung. Bis von jenseits der deutschen Grenze wurden die Glückwünsche gebracht, besonders warm und herzlich von den holländischen Brüdern, die auch mit ihren reichen Gaben niemals säumen, und auch heute wieder einen namhaften Beitrag für die Jubiläumsspende mitbrachten, als ein dankbares Anerkenntniß dessen, was die rheinischen Missionare so lange nun schon in den holländischen Besitzungen in Indien segensreich leisten. Es ist doch ein Großes um diese Missionsgaben. Wir Deutsche bleiben ja weit zurück hinter den Opfern, die in begeisterter Liebe England und Amerika alljährlich für dies Werk des Herrn spenden, aber doch ist es immerhin beherzigenswert), daß für die deutschen Missions-