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Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen.
Erscheint wöchentlich und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 2 Mark zu beziehen.
Kann im Wege des Buchhandels auch in Heften bezogen werden.
XIV. IlÜ)1M1tg. AusMckil am 28. September 1878. Der
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Utaber 1877 bk dahin 1878. 1878. ^7 52.
Im Schalten erblüht.
Von Grrnunirs.
Nachdruck verboten. Ges. v. 11./IV. 70.
(Schluß.)
Und sonderbar ist es, wie verlegen er jetzt ist, sobald Evchen uns verlassen hat. Es ist immer, als wolle er mir etwas sagen und könne nicht die Worte finden. Ich denke, er will mich zur Vertrauten seines Geheimnisses machen und mich bitten, ihn bei Evchen zu unterstützen, aber ich schrecke vor dieser Erklärung zurück wie ein Feigling und suche dieselbe zu verhindern. Es ist mehr, als ich ertragen kann, von ihm selbst zu hören, daß er eine andere liebt, er, der der einzige Traum meines Lebens ist, der alles verkörpert, was ich an Glück und Seligkeit begehre. Und so weit ist meine Leidenschaft schon gediehen, daß ich in steter Furcht lebe, er könne in meinen! Gesicht lesen, wie es um mich steht. Mit eiserner Willenskraft bezwinge ich mein ganzes Wesen, aber ich gehe dabei zu Grunde, und wenn Evchen uns auch verlassen hat, sie, die wie eine Mittlerin zwischen uns stand, dann weiß ich nicht, wie ich noch Tage und Wochen die Qual dieses gebotenen Zusammenlebens ertragen soll, seine Gegenwart, die für mich ist wie ein süßes berauschendes Gift.
Jugend und Weiblichkeit, die bisher keine Bedeutung hatten für mich, sie rächen sich sür lange Unterdrückung, und die ernste Jüngerin der Wissenschaft ist nichts als ein armes verzagtes Weib, das alles dahingeben möchte für seine Liebe.
Den 1. Dezember.
„Sie sehen krank und elend aus," sagte Nikolai heute zu mir, als wir vom Mittagstisch aufgestanden waren und ans Evchen warteten, während Frau Brigitte auf ihrem Stuhle eingenickt war. „Sie sehen krank und elend aus, und bei Tisch haben Sie keinen Bissen gegessen. Fühlen Sie sich krank, soll ich nach dem Arzt schicken?" und er faßte meine Hand in herzlicher aufrichtiger Theilnahme.
Aber diese Berührung genügte, um mich heiß erröthen zu lassen, und indem ich meine Hand hastig wieder fortzog, sagte ich, es sei nur ein schlimmeres Kopfweh, das mich Plage, und ein wenig Ruhe werde mich wieder Herstellen.
XIV. Jahrgang. 52. I.
Einen Augenblick schien er gekränkt durch meine Art und Weise, aber es war nur vorübergehend, dann sagte er in einem Tone, der mich erbeben ließ in Seligkeit:
„Dorina, wollen Sie mir nicht sagen, was Ihnen fehlt-? Habe ich denn alles Anrecht verscherzt auf Ihr Vertrauen? Glauben Sie denn, ich sei blind, und sähe nicht, wie Sie leiden, nicht nur heute, sondern lange schon?"
Ich zwang mich zu einem Lächeln, aber in meinem Herzen dachte ich, wie schön es wäre, wenn ich, der so unnütz ist auf dieser Welt, jetzt krank werden und sterben möchte. Habe ich doch nur den Schatten gekannt mein Leben lang, warum sollte mich nicht auch der Schatten des Todes umfangen und ich ein- gehen zur ewigen Ruhe? Ist es nicht besser begraben zu sein, als allein fortleben zu müssen mit einem wunden Herzen? Wie viel besser in Nacht getaucht zu sein, als im Dunkel zu leben, nachdem man die Sonne gesehen!
Alle diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber ich sprach sie nicht aus; ich sagte nur ruhig:
„Vielleicht werde ich krank. Nach der Ueberanstrengung der letzten Jahre und der Nervenanspannung während des langen Alleinseins in dem Hanse des Todten, wo nichts mich abzog von den eigenen trüben Gedanken, wäre dies kein Wunder. Freilich, ich hätte jetzt, wo ich Ruhe habe und doch Abwechselung und Zerstreuung, mich längst erholt haben können, indessen soll es häufig Vorkommen, daß erst in einem solchen Moment die Reaktion eintritt."
Ein Ausdruck unsäglicher Angst kam in sein Gesicht, ein Ausdruck, der wenig gemein hatte mit der freundlichen Be- sorgniß um eine entfernte Verwandte, der meinem Herzen wohl- that, wie kein tröstendes Wort es vermocht hätte, und es war mir nicht möglich, wie sonst die Augen abzuwenden von seinen Zügen.
„Dorina," sagte er mit zitternden Lippen, „Dorina, Sie dürfen jetzt nicht —"