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allgeiueincn zeigte sich der Boden des Schiffes" noch gut, nur der furchtbare Riß, den ihm der Sporn des „König Wilhelm" geschlagen, klaffte den Tauchern gähnend entgegen; er ist 7 Fuß lang und an der breitesten Stelle 25 Zoll breit.
Wie bekannt ist nur ein Theil der Leichen der mit dem „Großen Kurfürst" nntergegangenen Braven bisher aufgefnnden worden. Biele befinden sich noch im Schiffe, festgehalten durch das Tanwcrk, eingequetscht von Eisentheilen — nun eine Beute der Fische. „Es worein schanervoller unheimlicher Anblick," erzählt ein Taucher, „da unten von Hunderten von Fischen umspielt zu sein. Als ich beim Schiffe noch auf den Grund des Meeres ging, entdeckte ich drei Leichen, und obwohl ich nicht zaghafter Natur bin; wurde mir bei dem Anblicke derselben doch fast unwohl. Wußte ich mich doch, hier in dieser schauerlichen Tiefe, nur von Fischen umspielt, ganz allein, fern von der Welt der Menschen, nur unter Leichen. Es war mir, als weilte ich in einem Grabe, als sei ich selbst lebendig begraben. Aber nur einen kurzen Moment währte die Zaghaftigkeit. Ich dachte an meine Pflicht, faßte mir Math und ging auf eine der Leichen zu. Es war ein Matrose, ein noch junges Blut, dessen entstelltes Gesicht mir hier mit schon entschwundenen Augen entgegenstarrte. Der Unglückselige hielt eine Hängematte unter dem Arme, die er wohl noch im Todeskampfe gefaßt, um sich zu retten. Ich befestigte eine Leine um seinen Leib und stieg nun nach oben, wo ich die Leine Fischern übergab, welche daran den Leichnam hoben, dem nun ein ehrliches Begräbniß zu Theil wurde."
Der Monarch von Venezuela.
Monarch? In einer Republik? Nun ja, in den südamerikanischen Freistaaten kommt cs gar nicht so genau darauf an; der Präsident ist dort oft weit absoluter als der Kaiser von Rußland, und die konstitutionellen Machtbefugnisse der übrigen europäischen Herrscher sind ein Schatten gegen die Machtfülle eines venezuelanischen Diktators. Unsere Leser erinnern sich vielleicht noch der „Reisebriefe vom deutschen Geschwader", in welchen der Verfasser erzählt, wie er vom Präsidenten jener Republik in einem lumpigen und schmutzigen Saale" empfangen wurde, der zerrissene und abgetretene Teppiche, klebrige Divans, befleckte und von Gewehrkugeln zerrissene Wände hatte. Guzman Blanco, so hieß der Präsident, ist jetzt vor kurzem durch einen andern Herrscher ersetzt worden. Der alte aber hat eine so interessante Lebensgeschichte aufzuweisen, daß wir dieselbe hier nach den Mittheilungen des Dr. Sachs erzählen wollen.
Guzman Blanco war ein venezuelanischer Kulturkämpfer, und er ist deshalb auch in deutschen Zeitungen belobt worden. Der Streit, den er mit der Kirche hatte, verdankte jedoch seine Entstehung unreinem rein persönlichen Zerwürfniß zwischen Guzman und dem Erzbischof Silvestre von Caracas. Der letztere mußte das Land verlassen, und da der päpstliche Stuhl anfangs diese Refpektswidrigkeit sehr übel aufzunehmen schien, legte Guzman dem servilen Kongreß eine Reihe der strengsten Gesetze vor, welche dem Einfluß des Klerus in Venezuela für immer zu brechen bestimmt schienen. Die Gesetze fanden im Lande nicht den geringsten Widerspruch, da das Volk in religiösen Dingen ziemlich indifferent ist. Unter diesen Umständen gab Rom schließlich nach und ernannte einen andern Erzbischof. Da Guzman es ebenfalls vortheilhaft fand, Frieden zu schließen, wurden jene Gesetze, welche in der liberalen Presse Deutschlands so viel Beifall fanden, einfach wieder aufgehoben. ,
Dieser Kulturkämpfer war unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Falcon, welcher die Partei der „Gelben" repräsentirte, einer der hervorragenderen Armeekommandanten. Als im Jahre 1868 die Herrschaft der „Gelben" durch eine Coalition aller regierungsfeindlichen Elemente, welche als Abzeichen die blaue Cocarde annahm, gestürzt wurde, und der alte Monngas, dessen Name die Erinnerung an eine Periode schlimmster Tyrannei in der Geschichte Venezuelas wachruft, ans Ruder kam, sah sich Guzman zur Unthätigkeit vernrtheilt. Die zur Herrschaft gelangte Partei entwickelte jedoch eine solche Unfähigkeit, daß Guzman vorschlug, man möge nur ihn zum Präsidenten wühlen, dann solle alles besser werden.
Um einflußreiche Personen zu gewinnen, veranstaltete er 1869 einen großen Ball, wobei eine Unterredung über die politische Lage stattfinden sollte. Die am Ruder befindlichen Leute erhielten jedoch Kunde von der Sache und hetzten den Pöbel gegen das Ballhaus, das Fest wurde schmählich gestört, und nur mit Lebensgefahr entkam Guzman unter dem Schutze des deutschen Cvnsuls. Aber schon im nächsten Jahre landete er wieder und zog mit einem schnell anwachsenden Heere gegen die Hauptstadt, wobei er die Kampflust des ihn begleitende» Gesindels dadurch anstachelte, daß er demselben eine Plünderung von Caracas versprach. Sein Unternehmen glückte, er schwang sich zum Diktator auf und verstand es, als solcher dem durch Revolutionen zerrütteten- Lande wenigstens Ruhe, wenn auch die Ruhe der Erschöpfung zu sichern, so daß Handel und Wandel zu blühen begannen.
Der „berühmte Amerikaner", wie Guzman von nun au sich nannte, wurde jetzt ruhmestoll. In der amtlichen Zeitung ließ er sich förmlich vergöttern, und als „Rcjenerador" preisen. Die unter seiner persönlichen Leitung stehende „Opinion National" brachte Artikel, in denen er in eine Reihe mit Moses, Napoleon l und Washington gestellt wurde. Das schamloseste leistete jedoch ein Literat, der eine ganz ernsthafte Vergleichung zwischen Guzman und Jesns Christus anstellte und zu dem Resultate kam, Christus sei zwar der größte Wohlthäter der Menschheit gewesen, aber unmittelbar hinter ihn an Werth und Bedeutung sei Gnzmann Blanco zu stellen!
Um die Tollheit voll zu machen, ließ Guzman Blanco sich während seiner Herrschaft in Caracas gleich zwei Bronzestatuen, außerdem noch verschiedene andere in den Provinzialstädten errichten. In einem Lande, wo derjenige Theil der Staatseinnahmen, welcher wirklich im Interesse des Staats verwendet wird, auch nicht zu den uoth- wendigsteu Dingen ausreicht, zwei kostspielige Standbilder eines und desselben noch lebenden Mannes in einer Stadt! Die Veneznelaner ließen sich das ruhig gefallen, wählten aber doch, als vor kurzem die Präsidcntschaftsperiode Guzmans zu Ende ging, nicht ihn wieder, sondern den General Alcantara.
Inhalt: Im Schatten erblüht. (Schluß.) Von Germanis. — Bierundzwanzig Stunden Strohwittwer. Humoreske von K. St. — Auf St. Stephanikirchhos. Ein Stück ans der Kirchengeschichte und der Geschichte der Barmherzigkeit einer alten Hansestadt. Von L. Tiesmeyer. Mit zwei Abbildungen: Das Haus zu den sieben Rosen in Bremen und St. Stephanigemeinedehaus in Bremen. — Am Fn- milientische: Auf dem Meeresgrund beim „Großen Kurfürst". Zn dem Bilde: Taucher beim Wrack des „Großen Kurfürsten" von Rob. Aßmus. — Der Monarch von Venezuela.
Zur gefälligen Beachtung.
Mit der nächsten Nummer beginnt der XV. Jahrgang des Daheim. Wir ersuchen unsere geehrten Leser, das Abonnement, besonders das bei der Post, rechtzeitig erneuern zu wollen, damit keine Unterbrechung in der Zusendung ein- treten kann.
Den XV. Jahrgang eröffnet ein trefflicher Roman von M. Gerhard: „Geächtet". Der Verfasser ist unseren Lesern noch unbekannt, wir glauben aber mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, daß dieselben uns für die Vermittlung dieser Bekanntschaft dankbar sein werden. Wir werden sodann zwei große Romane von E. Härtner, d. Vers, von „Ein Kind des Reichthums", und von dem unseren Lesern wohlbekannten alten Mitarbeiter des Daheim, Georg Hi ltl: „Ein Duell unter Nobespierre" veröffentlichen. Außerdem werden wir kleinere Erzählungen von Viktor von Strauß, W. von Dünheim, Sophie Junghans, Wolsgang Menzel u. a. m. bringen.
Ueber die Artikel können wir jetzt natürlich noch keine Auskunft geben. Es genügt wohl die Versicherung, daß Rudolf Kögel, Wilhelm Herbst, Wilhelm Baur, Franz Delitzsch, Karl Gerok, H. Engelcke, M. Allihn, Karl Stieler, W. v. Dünheim, Julius Sünde und andere alte bewährte Mitarbeiter des Daheim uns Treffliches zugesagt haben. Gestützt auf solche Hilfe glauben wir unseren Lesern versichern zu können, daß der XV. Jahrgang des Daheim denselben viel Schönes und Erfreuliches wird bieten können, und rufen ihnen ein frohes: „Auf Wiedersehen" zu.
Dir Redaktion mW Expedit um des Daheim
in Leipzig.
Briefe und Sendungen sind zu richten an die Redaktion des Daheim in Leipzig, Poststraße Nr. 5.
Herausgeber: Nr. Uoöerl Kocnig und Theodor Kermann Aanicnius in Leipzig. Für die Redaktion verantwortlich Htto Kiasing in Leipzig. Verlag der Kaheim-Krpedition (Aeltzagen H Kissing) in Leipzig. Druck von R. H. Tenöner in Leipzig.