Heft 
(1878) 52
Seite
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werden diesem die starken Ausfälle hinterbracht, er beschwert sich beim Rath. Leo Wasmann wird auf sechs Wochen vom Amt suspendirt und soll dann in seiner ersten Predigt wider­rufen; die Kirche ist überfüllt, aber vom Widerruf drang nichts über des tapferen Kämpfers Lippen.Was wird geschehen?" fragte man sich. Der Erzbischof war längst wieder abgereist, eine Deputation begab sich zu ihm nach Verden mit der Bitte, Seiner Gnaden möchten die fürstliche Lindigkeit über die menschliche Schwachheit präponderiren lassen." Und das Herz Heinrichs wurde durch solche Vorstellung erweicht, Leo Was­mann durste im Amte bleiben. Aus Dankbarkeit für seine be­wiesene Tapferkeit baute ihim die Gemeinde ein neues Pfarr­haus und brachte oben am Giebel das Reliefbild an.

Gehen wir in östlicher Richtung an dem etwas verfallenen St. Stephaniwittwenhause vorüber, dann stehen wir bald vor einem in hübschen Formen ausgeführten Bau; es ist das Mannhaus. Diese Stiftung entstand im Jahre 1678 durch Schenkung eines Hauses in der Nähe des städti­schen Armenhauses.

> Später, ums Jahr 1830, wurde ein Passen­des Grundstück auf St.

Stephanikirchhof erworben und ein Haus erbaut, in welchem sich Wohnungen für zwölf Männer befin­den. Die Insassen müssen Bremer Bürger sein und haben ein Einkaufsgeld zu entrichten. Wer mit 50 Jahren cintreten will, zahlt 1500 Thlr.; je höher das Lebensalter, je geringer ist die Einkaufs­summe, bei einem Alter von 75 Jahren beträgt sie 650 Thlr.; mit den Zinsen eines Kapitals von etwa 30,000 Thlr., von Verschiedenen im Laufe der Jahre geschenkt, wer­den die Mehrbedürfnisse des Hauses bestritten.

Jeder Bewohner hat ein Wohnzimmer nebst Schlas- kammer; die Hauptmahl­zeiten werden gemein­schaftlich eingenommen, die reichlich und nach gutem bürgerlichen Zuschnitt be­schaffen sein müssen. Hinter dem Hanse befindet sich ein großer Garten mit verschiedenen Ruheplätzen. Früher be­standen für die Mannhäusler eigenthümliche Verordnungen; es heißt z. B. darin: Sie sollen zu allen Zeiten dem öffent­lichen Gottesdienst in der St. Stephanikirche beiwohnen, wie nicht weniger denen ontoollisatioillbus und den Betstunden, es wäre denn, daß sie es Schwachheit halber nicht vermöch­ten. Alle Morgen und Abend soll einer unter ihnen nach einer vorgeschriebenen Formel öffentlich beten und ein Kapitel aus der Bibel lesen, desgleichen soll vor und nach der Mahl­zeit öffentlich und laut gebetet und Gott gedanket werden.

HW

St. Stcphailigemciiibehmis in Bremen.

Diese Verordnungen sind durch andere in neuerer Zeit er­setzt. Die alten Herren fühlen sich sehr wohl in ihren Räu­men und erreichen meist ein hohes Alter.

Vom Mannhause wenden wir uns südlich und stehen bald vor der alten Stephanikirche. Im zwölften Jahrhundert er­baut, hat sie aber im Laufe der Zeiten eine große Umwand­lung erfahren. Der Chor im romanischen Stil bildet wahr­scheinlich den ältesten Theil des Gotteshauses und war be­stimmt, der Abschluß eines Basilikenbaues mit hohem Mittel­und Krenzschiff und zwei niedrigen Seitenschiffen zu werden, deren Westfayade von zwei Thürmen flankirt werden sollte; nur der südliche Thurm gelangte zum Ausbau, die jetzige Thnrmspitze stammt ans dem Jahre 1856 und will nicht recht in ihrer schlanken gothischen Form zu dem massiven Unterbau passen. Das Innere der Kirche ist mit Ausnahme des Chors, das recht hübsche bunte Fenster und einen in Alabaster aus­geführten Altar von Steinhäuser in Rom enthält, völlig schmuck­los. Eine 1823 ausge­führte Restauration ist sehr geschmacklos ausge­fallen. Bald nach Ein­führung der Reformation wurde ein bedeutender Schmuck der St. Stepha­nikirche, silberne und gol­dene Monstranzen, Sakra­mentshäuschen u. s. w. den Herren von der Münze" zum Einschmel­zen übergeben, ebenso wurden viele Bildwerke deutschen Kunstfleißes in jener Zeit vernichtet. An der Anßenmauer der Kirche sind zwei charak­teristische Epitaphien aus dem Jahre 1560; das eine hat folgende Unter­schrift:

Hir solnit joctorrnnn Z'ot: unclo roollt,

Hir lig'tüorroZ'rornes, rundet, uints llneotit,

Ostorcto uncts llinctsr ItAAöii ook llirtz^,

Dunollot «t^ (tat nnctorsobst clor xorsonon 8 ^-,

8 o llum nucto sotrovo so ntto vot un

llncto 80AZ6, volllor is cto vosto ctnrvnn.

Das andere gießt in der Weise damaliger Zeit den Spott der Todten über die Lebenden aus:

IVut iotc vus, «tut dis (tu,

IVut toll viu, (tut vnrs (tu,

Loctio midi, orus tidi.

Nicht wahr, der St. Stephanikirchhof ist ein beachtens- werthes Stück der freien Hansestadt Bremen, und es war nicht zu viel gesagt, wenn wir zu Anfang dieses Artikels behaupteten, daß sich anderswo selten die Stätten der Barm­herzigkeit so nahe an einander gerückt fänden?

Am JamitienLische.

Auf dem Meeresgrund beimGroßen Kurfürst".

(Zu dem Bilde auf S. 825.)

Da unten aber ist's fürchterlich" dies Wort aus Schillers Taucher" bestätigen auch die von der deutschen Admiralität nach Folke- stone gesandten Taucher, welche das unglückliche auf dem Meeresboden ruhende Schiff untersucht haben. Bei unruhigem Wetter war es den Leuten nicht möglich, unter der Meeresfläche zu arbeiten, sie mußten

daher ruhige See abwarten, und diese trat erst Ende Juli und Anfang August ein, also etwa zwei Monate nach dem Untergange des Fahr­zeuges. Die Taucher konstatirten, daß das Schiff vollständig mit dein Kiel nach oben lag; der Klüverbaum war gebrochen und alles lag wüst durcheinander, so daß es unmöglich war, viel im Schiffe hernmzusnchen, da das zerstreute wirre Takelwerk zu leicht den Schlauch erfaßt und eingeklemmt haben würde, welcher den Tauchern Luft zuführt. Im