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Aus Zeit und Leben.
uf Ä r u n d.
M)er ,Kaiser Wilhelm der Große- sitzt in der Kaiserfahrt auf Grund!" Wie der Blitz verbreitete sich am Mittag des 30. August diese Nachricht unter der Bevölkerung und den Badgästeu der Inseln Usedom-Wollin. Am 29. August, vormittags einhalb zehn Uhr, hatte „Kaiser Wilhelm der Große" Stettin verlassen, nachdem mit ungemeiner Sorgfalt die Hebung des Schiffes derartig vollzogen mar, daß es bei mittlerem Wasserstande glücklich das Fahrwasser passieren konnte. Alan hatte es zu diesem Zwecke mit acht starken Prahmen gehoben (getrimmt); der sonst 26 Fuß betragende Tiefgang des Schiffes war dadurch derartig vermindert worden, daß es achtern 21 und vorn 19,5 Fuß hatte. Der Wasserstand betrug am Tage der Ueberführung im Reviere zwar nur 18,5 Fuß, man hoffte aber dennoch den Dampfer glücklich nach Swinemünde zu bringen, da die mit starken Maschinenkräften versehenen Schlepper erwarten ließen, daß es gelingen würde, das Schiff durch den an einigen Stellen des Haffgrundes liegenden Moder hindnrchzn- ziehen. Um neuneinhalb Uhr hatte sich der imposante Sehleppzng in Bewegung gesetzt. Das vordere Schlepptau hatte der Eisbrecher „Berlin", während an der Stenerbord- seite der Eisbrecher „Stettin"
Eisbrecher „Swinemünde" schleppte. Die Steuerung des gewaltigen Dampfers halfen die am Achterende fahrenden Schleppdampfer „Otto" und „Lothar Bücher" regeln.
Um den entgegenkommenden Schiffen die nötigen Verhaltungsmaßregeln beim Passieren des Kolosses zu geben,
fuhr ein Oberlotse an Bord des Regierungsdampfers „Blücher" voraus. Mit äußerster Vorsicht war man nach drei Stunden durch die Oder glücklich bis ins Papenwasser gelangt, und da hier die flacheren Stellen des Fahrwassers zu passieren waren, nahm noch der Regiernngsschleppdampfer „Dresel", der
den Schleppzng ebenfalls begleitet hatte, ein Schlepptau. Ohne erhebliche Schwierigkeiten brachte man den Dampfer auch über die gefährlichen Stellen hinweg. Um acht Uhr abends war inan ungefähr bis in die Mitte des Haffes gelangt, und da die eintretende Dunkelheit die Weiterfahrt nicht geraten erscheineil ließ, wurden hier Aliker geworfen. Revierdampfer, das sei nebenbei bemerkt, fahren die Tour Stettin—Swinemünde sonst ln etwas über drei Stunden; man sieht daraus, mit welcher Vorsicht der Schleppzug operieren mußte.
Am andern Morgen fetzte
man die Fahrt fort, und als der Dampfer um zehn Uhr vor der Kaiserfahrt, dem das Haff als abgekürzter Wasserweg mit der Swine verbindenden Kanal, eintraf, durfte man hoffen, nachmittags gegen drei Uhr in Swinemünde
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zu fein. Allein kaum hatte der Dampfer 60 Meter Entfernung vom Moolenkopfe passiert, als er mit einem Male auf Grund geriet und trotz der kolossalen Maschinenkräfte der vereint ziehenden Schlepper nicht mehr von der Stelle zu bringen war. „Kaiser Wilhelm der Große" war hier in eine der Thonschichten gerateil, die stellenweise den Untergrund des Kanals
während das Vorderende ein wenig nach westwärts abgefallen war. Es wurde nun schleunigst eilt Bagger beordert, der den
aus Grund
Kaiser Wilhelm der Große
Grund um das Schiff herum aufwühlen und tiefer baggern sollte, allein auch damit ließ sich nichts erreichen. Bei dem festen Grunde vermochte auch ein zur Stelle geschaffter Saugbagger nichts anszurichten, und da auch der Abschleppversuch
„Retttr" ergebnislos verlief, traten nunmehr vier große Eimerbagger in Thätigkeit. Ihnen lag sowohl die Aufgabe ob, den
Grund um den Dampfer herum tiefer zu baggern, als auch das sonstige Bett der Kaiserfahrt so zu vertiefen, daß für den Weitertransport des Schiffes jede Gefahr ausgeschlossen war. Bei den herrschenden -Lüd Westwinden und dem dann lebhaft
ausgehenden Strome pflegt der Wasserstand ziemlich weit unter Mittelwasser zurückzugehen. Die wirksamste Hilfe war daher vom Eintritt nördlicher Winde und der damit verbundenen Wasferstauung zu erwarteil.
Das Schiff selbst ist bei dem Auffahren völlig unbeschädigt geblieben, und bei seiner Lage war absolut kein Grund zu Befürchtungen vorhanden. Für die Schiffahrt hatte das Festgeraten „Kaiser Wilhelms des Großen" bis zu dessen Flott- machung gewisse Beschränkungen im Gefolge, die sich namentlich darin bemerkbar machten, daß Schiffe mit größerem Tiefgang als 15 bis 16 Fuß in Swinemünde ihre Ladung erleichtern mußten, ehe sie nach Stettill gehen konnten.
Unsre Abbildung zeigt das Riesenschiff in seiner Lage innerhalb der Moolen. Zu der beigegebenen Skizze fei folgendes bemerkt.
Das Fahrwasser der Kaiserfahrt ist durchschnittlich 6,1 Nieter tief. Die die Einfahrt vom Haff aus markierenden beiden Moolen sind je 2 Kilometer lang, während die eigentliche Fahrt 5 Kilometer lang ist. Zwischen den Moolen beträgt die Uferbreite 200 Meter, in der eigentlichen Fahrt etwa 130 Bieter. Tie Fahrbreite in der ganzen Kaiferfahrt beschränkt sich im Durchschnitt auf 60 bis. 70 Meter.
10 Metern.
Der nicht in solchem Umfang erwartete Aufenthalt des Dampfers „Kaiser Wilhelm der Große" in der Kaiserfahrt hinderte es selbstverständlich , seine erste Reise nach Amerika schon am 14. September von Bremen aus anzntreten, da nach Abbringung , vollendeter Ausrüstung und Kohlenüber- nahme in Swinemünde noch Probefahrten in See stattfinden müssen.
Das Riesenschiff lief, wie in Nr. 35 unfers vorigen Jahrganges durch Bild und Wort geschildert worden, am 4. Mai iil Gegenwart des Kaisers auf der Werft des Vulkan vom Stapel. Es ist 648 Fuß über Deck lang, besitzt eine Breite voll 66 Fuß und vom Hanptdeck bis zum Kiel eine Tiefe voll 43 Fuß. Sein Inhalt beläuft sich auf nahezu 14000 Registertonnen, die Wasserverdrängung stellt sich ans 20000 Tonnen. Das Schiff enthält 200 Kabinen erster Klaffe, die 400 Personen aufnehmen können, und 100 Kabinen zweiter Klasse mit 350 Betten; die dritte Klaffe ist für 800 Passagiere eingerichtet. Die Bemannung wird aus 450 Köpfen bestehen. In Uebereinstimmung
deutschen Kriegsmarine erbaut, kann „Kaiser Wilhelm der Große" im Kriegsfälle mit einer großen Allzahl von Geschützen ausgerüstet und als Kreuzer verwendet werden. L.
Kierzu die Weit'age: „Weber Lanö und Meer"-WoMarken.