7g. Band, vierzigster Jahrgang. Oktober )M—)M.
Preis vierteljährlich Z M. 60 . Mit postauffchlag Z M. 75
Rätsel.
S t e ch L i n.
Roman von
Weobor Aontane.
-A^ott, Hedwig," sagte Frau Imme, „du thust ja, wie wenu es eine, Mördergrube oder ein Verbrecherkeller gewesen wäre." "„Verbrecherkeller? Ach, Frau Imme, das is ja gar nichts. Ich habe Verbrecherkeller gesehen, natürlich bloß ganz zufällig. Da trinken sie Weißbier und spielen Sechsundsechzig. Und in einer Ecke wird was ausbaldowert, aber davon merkt man nichts."
„Und die Badestube. .. Warum is sie dir denn so furchtbar, daß du dich ordentlich schudderst? Der Mensch muß doch am Ende baden können."
„Ach was, baden! Baden, natürlich. Aber 'ne Badestube is nie 'ne Badestube. Wenigstens hier nicht.
Eine Badestube is 'ne Rumpelkammer, wo man alles unterbringt, alles, wofür man sonst keinen Platz hat. Und dazu gehört auch ein Dienstmädchen.
Meine eiserne Bettstelle, die abends aufgeklappt wurde, stand immer neben der Badewanne, drin alle alten Bier- und Weinflaschen lagen. Und nun drippten die Neigen ans. Und in der Ecke stand ein Bettsack, drin die Fräuleins ihre Wäsche hinein stopften, und in der andern Ecke war eine kleine Thür. Aber davon will ich zu Ihnen nich sprechen, weil ich einen Widerwillen gegen Unanständigkeiten habe, weshalb schon meine Mutter immer sagte: ,Hedwig, du wirst noch Jesnm Christum erkennen lernen?
Un ich muß sagen, das hat sich bei Hofrats denn auch erfüllt. Aber fromm waren sie weiter nich."
Während Hedwig noch so weiter klagte, hörte man, daß draußen die Klingel ging, und als Frau Imme öffnete, stand Rudolf aus dem kleinen Flur und sagte, daß er Vätern holen solle und Hedwigen auch; Mutter müsse weg.
„Na," sagte Frau Imme, „dann komm nur, Rudolf, und iß erst ein Stück Streußel und bestell es nachher bei deinem Vater."
Bald danach nahm sie den Jungen bei der Hand und führte ihn in das Nebenzimmer, wo die drei Männer vergnügt an ihrem Skattisch saßen.
1898 (Bd. 79).
Ein großes Spiel war eben gemacht; alles noch in Aufregung.
Robinson, als er Rudolfen sah, nickte ihm zu und sagte zu Imme: „Das is ja der hübsche Junge, den ich vorhin aus dem Hof gesehen habe mit seinem lloox; — nies do^."
„Ja," bestätigte Imme, „das is unserm Freund Hartwig seiner." Hartwig selber aber ries seinen Jungen heran und sagte: „Na, Rudolf, was giebt's? Du willst mich holen. Du sollst aber auch noch 'ne Freude haben. Kuck dir mal den Herrn da an, der dich so freundlich ansieht. Das is Robinson."
„Haha."
„Ja, Junge, warum lachst du? Glaubst du's nich, wenn ich dir sage, das is Robinson?"
vr. wladan Georgewitsch, dev neue serbische Ministerpräsident.
Bürgermeister Petersen in Hamburg, enthüllt am 22.^ Oktober. - Ans Zeit und Leben: Ludwig fsulda.
„I bewahre, Vater. Robinson, den kenn' ich. Robinson hat 'nen Sonnenschirm und ein Lama. Un der is auch schon lange dod."
XV.
Unsre Landpartieler waren im Angesicht von Spindlersfelde nach dem Eierhäuschen zurückgekehrt und hatten sich hier an zwei dicht am Ufer zusammengerückten Tischen niedergelassen, eine Laube von Baumkronen über sich. Sperlinge hüpften umher und warteten auf ihre Zeit. Gleich danach erschien auch ein Kellner, um die Bestellungen entgegenzunehmen. Es entstand dabei die herkömmliche Verlegenheitspause; niemand wußte was zu sagen, bis die Baronin aus den Stamm einer ihr gegenüberstehenden Ulme wies, drauf „Wiener Würstel" und daneben in noch dickeren Buchstaben das gefällige Wort „Löwenbrän" stand. In kürzester Frist erschien denn auch der Kellner wieder, und die Baronin hob ihr Seidel und ließ das Eierhäuschen und die Spree leben, zugleich versichernd, „daß man ein echtes Münchner überhaupt nur noch in Berlin tränke". Der alte Berchtesgaden wollte jedoch nichts davon wissen und drang in seine Frau, lieber mehr nach links zu rücken, um den Sonnenuntergang besser beobachten zu können; „der sei freilich in Berlin ebensogut wie wo anders". Die Baronin hielt aber aus und rührte sich nicht. „Was Sonnenuntergang! Den seh'ich jeden Abend. Ich sitze hier sehr gut und freue mich schon aus die Lichter."
Und nicht lange mehr, so waren diese Lichter auch wirklich da. Nicht nur das ganze Lokal erhellte sich, sondern auch aus dem drüben am andern User sich hinziehenden Eisenbahndamm zeigten sich allmählich die verschiedenfarbigen Signale, während mitten auf der Spree, wo Schleppdampfer die Kähne zogen, ein ver- blaktes Rot aus den Kajütenfenstern hervorglühte. Dabei wurde es kühl, und die Damen wickelten sich in ihre Plaids und Mäntel.
Auch die Herren fröstelten ein wenig, und so trat denn der ersichtlich etwas planende Woldemar nach kurzem Anfundabschreiten an das in der Nähe befindliche Büffett heran, um da zur Herstellung einer bessern Jnnen- temperatur das Nötige zu veranlassen. Und siehe da, nicht lange mehr, so stand auch schon ein großes Tablett mit Gläsern und Flaschen vor