Heft 
(1898) 08
Seite
127
Einzelbild herunterladen

8

Ueöer Land und Meer.

127

bin, das, was uns hier zusammengeführt hat, schriftlich niederzulegen. Es ist ein schwacher Ver­such. Jeder thut, soviel er kann, und der Brom­beerstrauch hat eben nur seine Beeren. Aber auch sie können den durstigen Wanderer erfrischen. Und so bitte ich denn unfern politischen Freund, dem wir außerdem für die Erforschung dieser Gegenden so viel verdanken, ich bitte Herrn Lehrer Krippenstapel, uns das von mir Aufgesetzte vorlesen zu wollen. Ein pro momoria. Man kann es vielleicht so nennen."

Katzler, unter Verneigung, setzte sich wieder, während sich Krippenstapel erhob. Er blätterte wie ein Rechtsanwalt in einer Anzahl von Papieren und sagte dann:Ich folge der Aufforderung des Herrn Vorsitzenden und freue mich, berufen zu sein, ein Schriftstück zur Verlesung zu bringen, das unser aller Gefühle ich glaube von den Einschränkungen, die unser Herr Vorsitzender gemacht, absehen zu dürfen unser aller Gefühle zum Ausdruck bringt."

Und nun setzte Krippenstapel seine Hornbrille auf und las. Es war ein ganz kurzes Schriftstück und enthielt eigentlich dasselbe, was Katzler schon gesagt hatte. Die Betonungen Krippenstapels sorgten aber dafür, daß der Beifall reichlicher war, und daß die Schlußwendungund so vereinigen wir uns denn in dem Satze: was um den Stechlin herum wohnt, das ist für Stechlin," einen ungeheuren Beifall fand. Pyterke hob seinen Helm und stieß mit dem Pallasch auf, während Uncke sich umsah, ob doch vielleicht ein einzelner Uebelwollender zu notieren sei. Nicht um ihn direkt anzuzeigen, aber doch zur Kenntnisnahme. Brose, der (wohl eine Folge seines Berufs) unter dem ungewohnten langen Stillstehen gelitten hatte, nahm im Vorflur, wie zur Niederkämpfung seiner Beinnervosität, eine Art Probegeschwindschritt rasch wiederauf, währendKluck- huhn sich von seinem Stuhl erhob, um Katzler erst militärisch und dann unter gewöhnlicher Verbeugung zu begrüßen, wobei seine Düppelmedaille dem Katzler- schen Eisernen Kreuz entgegenpendelte. Nur Kose­leger und Lorenzen blieben ruhig. Um des Superin­tendenten Mund war ein leiser ironischer Zug.

Dann erklärte der Vorsitzende die Sitzung für geschlossen; alles brach auf, und nur Uncke sagte zu Brose:Wir bleiben noch, Brose; morgen wird es Lauferei genug geben."

Denk' ich auch. Aber lieber laufen als hier so stille stehen." (Fortsetzung folgt.)

I)i'. Wladan Georgewitsch,

der neue serbische Alinisterpräsiöenl.

(Siehe das Porträt Seite 121.)

AAeuerdings hat eine überraschende Ministerkrise die Auf- merksamkeit der politischen Welt auf Serbien gelenkt. Am 19. Oktober morgens kehrte König Alexander mit seinem Vater nach mehr als zweimonatlicher Abwesenheit in seine Hauptstadt zurück, und schon am Mittag hatte das ge­mäßigt-radikale Ministerium Simitsch die Entlassung ein­gereicht. Zur Neubildung des Ministeriums berief der König den damals in Karlsbad weilenden Gesandten Ser­biens in Konstantinopel, vr. Wladan Georgewitsch. Einige Tage vorher hatte der König im Hotel Imperial in Wien mit ihm konferiert.

Das Ministerium Georgewitsch lehnt sich an keine der beiden großen Parteien des Landes an; es ist ausschließlich ein Ministerium nach königlichem Willen und hat sich die Ausgleichung der schroffen Parteigegensätze, sowie die wirt­schaftliche Konsolidierung Serbiens zur Aufgabe gemacht. Die meisten Mitglieder des neuen Ministeriums waren An­hänger der vor einigen Jahren aus eignem Antriebe auf­gelösten Fortschrittspartei, deren anerkanntes Haupt der jetzige serbische Gesandte in Paris, Garaschanin, ist. Dr. Wladan Georgewitsch, im Beginne der Fünfziger stehend, ist eine imposante Erscheinung mit scharf geschnittenen, energischen Zügen. Man rühmt ihm bedeutende staats- männische Begabung nach, obgleich er von leicht aufbrausen­dem Naturell ist. Georgewitsch hat in Wien Medizin studiert, übte dann in Belgrad die ärztliche Praxis aus, war einige Jahre hindurch Leibarzt des Königs Milan und trat im serbisch-bulgarischen Kriege an die Spitze des serbischen Sanitätswesens. Später wurde er Bürgermeister von Belgrad, in welcher Eigenschaft er die Stadt mit dankenswerten hygienischen Einrichtungen bedachte. Seit etwa sieben Jahren hatte er sich ganz vom öffentlichen und politischen Leben zurückgezogen und füllte seine Zeit lediglich mit der ärztlichen Praxis aus. Er gehörte zu den tüchtigsten und gesuchtesten Aerzten Serbiens. Erst das fortschrittliche Ministerium Novakowitsch zog ihn wieder auf die politische Bühne. Novakowitsch glaubte des fähigen Mannes nicht entraten zu sollen, und er schickte ihn auf

einen der schwierigsten Posten, indem er ihn zum Gesandten in Konstantinopel ernannte. In dieser Eigenschaft ver­mochte Georgewitsch in letzter Zeit für die Serben in Macedonien Erfolge zu erringen. Als Ministerpräsident wird er gegenüber den Parteien einen schwierigen Stand haben, doch hat ihm der König in seinem an ihn gerichteten Handschreiben die feierliche Zusage gemacht, daß dem Mini­sterium Zeit gelassen werden soll, seine Aufgaben zu er­füllen. Es wäre ein Glück für Serbien, wenn dadurch dem ewig wechselnden Parteiregimente für lange hinaus ein Ende gesetzt würde. R. R.

Ludwig Autöa.

°Wei einem Preisausschreiben, das im Jahre 1882 der Prager SchriftstellervereinConcordia" für einaktige Lustspieldichtungen erlassen hatte, ereignete sich etwas, was sonst bei derartigen Veranstaltungen selten vorkommt: es wurden mit dem ersten und zweiten Preise zwei Merkchen gekrönt, die sich als wirklich wertvoll erwiesen und den Beweis für ihre scenische Lebensfähigkeit dadurch erbrachten, daß sie nicht nur über fast alle bedeutenderen deutschen Bühnen gingen, sondern auch heimisch auf denselben wurden: Die Burgruine" von Heinrich Stobitzer undDie Auf­richtigen" von Ludwig Fulda. Die Namen der Verfasser klangen vollständig neu, und das konnte auch kaum anders sein, denn die preisgekrönten Dichter standen beide noch in jugendlichem Alter, Stobitzer als angehender Tele­graphenbeamter in München und Fulda als Student in Heidelberg. Von dem Urheber derBurgruine" trat später noch ein ähnliches niedliches Lustspiel:Funken unter der Asche" zu Tage, dann aber hörte man wenig mehr von ihm, während der Name Fuldas dem Publikum immer vertrauter wurde, und der Träger desselben sich sehr bald eine feste und geachtete Stellung in der deutschen Schriftstellerwelt erwarb.

Daß es sich bei Fulda um eine ungewöhnliche Er­scheinung handelte, hätte man sich allerdings schon zur Zeit seines ersten Hervortretens sagen können, denn derselbe Bruder Studio der Uuperw-Carola, der in Prag mit dem Lor­beer des Dichters gekrönt wurde, hatte bereits eine ernste, wissenschaftliche Arbeit hinter sich, die zweibändige gründliche Studie:Die Gegner der zweiten schlesischen Schule" (haupt­sächlich die Dichter Johann Christian Günther und Christian Weise behandelnd und als 38. und 39. Band von Kürschners Deutscher National-Litteratur erschienen), ein Werk, das dem noch nicht promovierten jungen Gelehrten schon die sichere An­wartschaft auf eine Professur hätte geben können. Für die Laufbahn eines akademischen Lehrers vermochte sich indes Fulda nicht zu entscheiden, so ernstlich er sie in Aussicht genommen haben mochte, als er sich dem Studium widmete und deshalb einen nicht ganz leichten Kampf mit seinen Angehörigen zu bestehen hatte.

Der am 15. Juli 1862 in Frankfurt a. M. geborene Dichter entstammt nämlich einer dort ansässigen angesehenen Kaufmannsfamilie, und so wenig man in derselben auch kleinlichen oder engherzigen Anschauungen huldigte, so schwer wurde es doch, namentlich von seiten des Vaters, verschmerzt, daß der Erstgeborene, der als Schüler schon so offenbare Spuren seiner Begabung verraten, der alten Familien­überlieferung nicht folgen sollte. Wie so oft gab auch in diesem Falle den Ausschlag die Mutter, eine feinsinnige und hochgebildete Frau, und so bezog Fulda zunächst die Uni­versität Heidelberg, um sich, seiner Lieblingsneigung folgend, dem Studium der germanistischen Philologie zu widmen. Nach einem Aufenthalt in Berlin und Leipzig kehrte er dorthin zurück, wo er von Anfang an zu den Lieblings­schülern des bekannten Germanisten Karl Bartsch gezählt hatte, und legte 1883 seine Doktorprüfung ab, damit seine akademische Laufbahn beschließend.

Um sich freier litterarischer Thätigkeit zu widmen, siedelte Fulda 1884 von seiner Vaterstadt nach München über, wo er bis zum Jahre 1888 seinen Wohnsitz nahm. Hier veröffentlichte er unter dem TitelSatura, Grillen und Schwänke" (Leipzig 1884) zunächst eine Sammlung zum Teil noch aus früherer Zeit stammender Gedichte, zu­meist parodistisch-satirischen Inhalts, und dann die Lustspiele Das Recht der Frau" (Leipzig 1884),Ein Meteor" (da­selbst 1884),Unter vier Augen" (daselbst 1886),Früh­ling im Winter" (Berlin 1887), sowie die Novelle in Versen Neue Jugend" (Frankfurt 1887). Alle diese Werke geben, so ungleichartig und ungleichwertig sie sind, schon die Eigen­art des Dichters zu erkennen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie die des folgenden Lebensabschnittes. Sie zeigen uns einen überlegenen Geist, der ein offenes Auge für die Ge­brechen und Schwächen seiner Zeit und seiner Umgebung hat und sich zu Spott und Hohn gegen dieselben heraus­gefordert fühlt, von einem weicheren Zuge des Gemütes aber zu einer versöhnlicheren Stimmung zurückgeführt wird. Hand in Hand mit dieser Milde der Empfindung geht bei ihm ein angeborenes Gefühl für harmonische Gestaltung, das sich namentlich in der freien und leichten Beherrschung der sprachlichen und künstlerischen Form äußert. Von ernstem Gedankeninhalt erfüllt, wie seine Schöpfungen sind, treten sie stets in einwandsfreiem dichterischen Gewände vor uns hin, darin ihre größte Stärke entfaltend, während

der Hauch der Reflexion, der nicht selten über ihnen liegt, mehr auf den sinnigen und gemütvollen Denker als den impulsiven, von seinem Stoffe mit sich fort gerissenen und den Hörer oder Leser mit sich fortreißenden Dichter hin­weist. Am meisten sprechen aus dieser Zeit die kleinen Lustspiele in Versen an, in denen sich etwas von der feinen Art Paul Heyfes verrät, zu welchem Fulda während feines Münchener Aufenthaltes in enge freundschaftliche Beziehungen getreten war.

Im Jahre 1888 siedelte Fulda nach Berlin über, nach­stammender Dichtungen unter dem TitelSinngedichte" (Dresden 1888) hatte erscheinen lassen. Veranlassung zu dem Wohnortswechsel war jedenfalls das rege Bühnenleben, das sich um jene Zeit in Berlin entfaltete, und der Dichter konnte tatsächlich im ersten Jahre seines Berliner Aufenthaltes mit dem heiter-parodistischen LustspielDie wilde Jagd" in dem von Barnay ins Leben gerufenen Berliner Theater einen vollen Erfolg erzielen. In ziemlich rascher Folge entstanden nunmehr die SchauspieleDas verlorene Paradies" (Stuttgart 1890) undDie Sklavin" (daselbst 1892), sowie die beiden unter dem TitelLebens­fragmente" veröffentlichten Novellen (daselbst 1893). In diesen Werken sucht der Dichter mehr, als er es bisher gethan, Anlehnung an die sogenannte moderne oder realistische Richtung, in resoluter Weise Problemen des modernen gesell­schaftlichen Lebens zu Leibe gehend, doch alles allzu Ge­wagte in seinen Stoffen und alles allzu Peinliche in der Schilderung vermeidend. Der Dichter steht mit seinem Hellen Kopfe zu sehr inmitten des Lebens seiner Zeit, als daß er sich irgend einer Regung desselben verschließen könnte, beherrscht aber andrerseits mit seinem reichen Wissensschatze zu sehr das, was der menschliche Geist in vergangenen Tagen an Strebungen und Wandlungen durchgemacht hat, und ist überhaupt eine zu bewußte Natur, als daß er einseitig einer Tagesströmung oder Zeitmode folgen könnte. Ein überaus glücklicher Griff war es, als er im Jahre 1893 die MärchendichtungDer Talisman" schuf. Hier fand er ein Gebiet, auf welchem seine Begabung sich von ihrer glänzendsten Seite entfalten konnte. Ein Stoff, der mitten aus dem Gedankenleben der Zeit geschöpft, in seiner Veranschaulichung aber jeder bestimmten Zeit und jeder bestimmten Oertlichkeit entrückt war, so daß er sich auf der Grundlage der reinen, doch zu voller Klarheit ent­wickelten Idee bewegen konnte, bot Anlaß, dem Leben Ab­gelauschtes mit freier Erfindung zu paaren, während der Märchencharakter der Dichtung die Einkleidung des Ge­dankeninhaltes in ein Gewand verstattete, bei welchem der Meister der sprachlichen und künstlerischen Form zu voller Geltung gelangen mußte. Der Dichter fand zum ersten­mal Gelegenheit, Originelles und Bahnweisendes zu bieten, und der Erfolg seines Werkes war denn auch ein ungewöhn­licher, auf der Bühne sowohl wie in Buchform, in welcher es bereits in 17. Auslage vorliegt.*) Weniger glücklich war Fulda mit zwei satirischen Komödien,Die Kameraden" undRobinsons Eiland", die er, agressiv gegen Schwächen und Thorheiten des Zeitlebens vorgehend, demTalisman"

! in den letzten Jahren folgen ließ, während er mit dem vielgegebenenSohn des Khalifen" wieder zu der Höhe seiner ersten dramatischen Märchendichtung zurückgekehrt ist. Fuldas jüngste Bühnenschöpfung, das LustspielJugend­freunde", wurde am 30. Oktober mit lebhaftem Beifall am Deutschen Theater in Berlin ausgenommen und wird augen­blicklich zur Aufführung am Hofburgtheater in Wien vorbe­reitet. Eine Sammlung seinerGedichte", in welche auch die FolgeSatura" ausgenommen ist, ließ Fulda 1890 (Berlin) erscheinen. In sehr glücklicher Weise ist er auch als Ueber- setzer aufgetreten, zunächst mit der Uebertragung einer Reihe Molierescher Stücke (Molieres Meisterwerke", 2. Auflage, Stuttgart 1897), die mit zu dem Besten zählt, was unsre Uebersetzungslitteratur aufzuweisen hat, und sodann mit einer nicht minder vortrefflichen deutschen Bearbeitung des Vers- lustspielesDie Romantischen" von Edmond Rostand. Nur ein Werk hat bis jetzt der Dichter geschaffen, das an seine ehemaligen germanistischen Berufsstudien erinnert; es gehört gleichfalls der Uebersetzungslitteratur an und behandelt die in ihrer Art klassische Geschichte vomMeier Helmbrecht" des mittelalterlichen Dichters Wernher der Gärtner (Halle a. S. 1889). Die Art und Weise, wie Fulda uns dieses Urbild aller späteren deutschen Dorfgeschichten nahe gerückt hat, kann uns lediglich auf das lebhafteste bedauern lassen, daß er bisher das Gebiet seiner einstigen Lieblmgsstudien nicht ergiebiger ausgebeutet hat. Ludwig Holthof.

*) Stuttgart, I. G. Cottasche Buchhandlung, Nachfolger, in welchem Verlage alle Werke Fuldas seit 1892 erschienen sind.

Im berliner A'ost-Zeitungsamt.

A. Hskar Kkaußmann.

Mit Abbildungen (S. 128 u. 129) von L. Dettmann und Ewald Thiel, er gegen fünf Uhr nachmittags in Berlin die König- grätzer Straße in der Nähe der Dessauer Straße passiert, bemerkt einen ausfallenden Verkehr von Wagen. Große, geschlossene Wagen, die mit den Firmen der größten Ber­liner politischen Zeitungen versehen sind, kommen in