Heft 
(1898) 08
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Ueöer <Land und

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sind die guten Geister, die sie schützen, und nm Ende thut sich ihr die Aussicht auf ein volles, ganzes Menschenglück auf: Ramer hat sein Leid überwunden, Neldas Wert in den Jahren der Trennung erkannt, und nachdem er den hemmenden bunten Rock ausgezogen hat, bietet er ihr die Hand, die das freie Weib, das keine Fesseln mehr trügt, auch ergreifen wird, wenn er gezeigt hat, daß er ihrer würdig ist. Neben den Hauptgestalten sind die Nebenpersonen mit vieler Liebe und großem Fein­sinn gezeichnet. Mit etwas zn viel Liebe vielleicht sogar! Denn soviel sie auch zur Charakteristik und zum Ver­ständnis der Situation beitragen, so lenkt eine gewisse Umständlichkeit das Auge doch manchmal allzu sehr ab, und es entstehen Längen, wo straffes Zusammenhalten an: Platze wäre.

Ferdin a n d von Sa a r ist dein gebildeten Leser ein guter Bekannter. Geistreich, vornehm, rein und warm­herzig, treffen seine feinen, klaren Zeichnungen wohl nicht den Geschmack eines sogenannten großen Publikums, das nach grober Spannung und pikanten Details verlangt, über­feineNovellen ausOesterrei ch " (Heidelberg, Georg Weiß) werden den alten Verehrern sicher neue hinzu­gewinnen. Wertvoll sind sie ohne Ausnahme, doch er­scheinen nur die erste und die letzte voi: besonderen: Reiz. UeberJnuocenz", der Geschichte des Priesters, der einst sein eignes jugendliches Herz überwand und nun ein freund­licher, kluger Berater der angefochtenen, überschwenglichen Jugend geworden ist, liegt ein schönes, mildes Herbstlicht und eine tiefe, wohlthnende Frömmigkeit, die in dem, der sie lehrt , wie in dem andern, der sie hört, gute, stille Früchte zeitigen muß.Tanibi" ist ein Hund, der Hund eines Mannes, den ans Erden nur zwei Wesen geliebt haben: seine Mutter und Tambi. Dieser einzige Freund wird ihm auf einem Spaziergange von einem Forst­gehilfen erschossen. Der Herr ist trost- und fassungs­los; der Verlust des kleinen Tieres, das in der Kauz- lei zu seinen Füßen lag, das in Feld und Wald vor ihn: her sprang, dünkt ihm un­überwindlich. Und er ist es auch. Als

Soimenschiminernnd früher Vogelstimmen finden Freunde, die nach dein Unglück­lichen suchen, seinen Hut in der Nähe

Sein Leichnam wird später bei der Schleuse eiues nahen

Hammerwerkes aufgefunden. Diese Lösung wird man­chem selbst in Sears seiner Motivierung

scheinen, es sei denn, daß er selbst zu jenen Tiernarren" ge­hörte, die sicher nie­mals kaltherzigeMen- schen sind, und die von der Freundes­treue eines Hundes mehr halten als von der mancher sprach­begabten Geschöpfe.

Zu den in Deutschland wenig bekannten Maupas- sants gehörtUnser Herz", dessen Uebersetzung jüngst bei der Deutschen Verlags-Anstalt zu Stuttgart erschienen ist. Ein Buch für litterarisch Anspruchsvolle, die den großen Franzosen in seiner ganzen Schürfe, Kraft, Feinheit und Poesie genießen wollen. Noch niemals ist das eigent­liche Wesen der Weltdame, der echten monäuine, subtiler, berückender, abschreckender geschildert worden. Aus Luxus, Eitelkeit, Geist uud Geschmack zusammengesetzt, entbehrt sie nichts vom Ideal des Weibes als nur ein wenig Herz, als die Fähigkeit, wirklich zu lieben, sich zu opfern, über einem andern sich selbst zu vergessen. Und der Mann, der in ihre Netze geraten ist, der auch von ihr geliebt wird auf ihre Weise er leidet, er kämpft, er zürnt, er flieht uud kehrt doch, von einem Blick ihrer Augen, einem Wink ihrer Hand bezwungen, zurück, unrettbar, auf immer dem Schicksal verfallen, das ihn vor diesem Bilde ohne Gnade auf die Kniee zwang.

Die polnische Litteratur steht auf einen: sehr hohen Standpunkte. Trotzdem sind von den Werken dieser Gruppe nur vereinzelte bei uns bekannt. Die Uebersetzung des RomanesDer Nachtfalter" von M. Gawalevicz (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt) gehört daher zu den besonders dankenswerten Unternehmungen. Ein eigentümliches Ding, dieserNachtfalter", gleich Man- passantsUnser Herz" eine mit der ganzen Subtilität des Forschers ausgeführte Analyse eines modernen Frauen­charakters! Nur dämonischer, verwirrender, beinahe be­ängstigend, möchte ich sagen. Jedenfalls istDer Nacht­falter" kein Buch zum Einschlafen. Im Gegenteil, die Geschichte der bezaubernden, originellen, von allen Fiebern der Leidenschaft durchtobten und infolgedessen vollkommen

Gefühle, die sie so intensiv zu erwecken wußte, zu nach­giebig, zu reizbar, zu verblendet, zu brutal, zu egoistisch? Oder ist es die Zeit, welche die Schuld trifft, die Epoche, in der wir leben, und in der die Begriffe und die Naturen so merkwürdig zerfahren sind, daß sich so schwer zwei In­dividualitäten, zwei Persönlichkeiten, zwei Intelligenzen, zwei Herzen einander anpassen können, selbst wein: Liebe sie ver­bindet?!Nichts ist heutzutage schwerer," läßt Gawalevicz den Erzähler von Lillis Schicksalen und ihren treuesten Ver­ehrer weiter sagen,als eine Harmonie und ein Gleich­gewicht in der Sphäre der Gedanken und ii: der Sphäre der Gefühle herzustellen, umsomehr als wir die Einfachheit darin verloren haben, und das ist das größte Unglück unsers Geschlechtes. Wir sind allzu komplizierte Organismen; darum nehmen wir so leicht Schaden wie alle künstlichen Mechanismen in Uhren, bei denen schon das geringste Stäubchen zur Ursache wird, daß die Uhr falsch geht."

Er kann recht haben! Aber der andre hat mit seiner

anferstehen!" M. zur Megcüe.

Zu unfern Mtdern.

Das Denkmal für den Bürgermeister petersen in Hamburg, enthüllt am

direktionslosen Dame der vornehmen Warschauer Gesellschaft wirkt in hohen: Grade aufregend. Nur daß der Leser wohl nicht immer die Regungen des Mitleids für sie fühlen wird, die jene drei Herren erfüllen, die an einem wunder­vollen Sommerabend Lillis Roman mit den: schrecklichen Ende von Mörderhand an sich vorbeiziehen lassen. Aber daß es ein spannender Roman ist, auch in: psychologischen Sinne, wird niemand leugnen können. Und die abweichen­den Erklärungen, die am Ende von den Freunden gefunden werden, müssen dem Leser nachgehen, ihn zum Nachdenken über diesen Charakter und dieses Menschenschicksal zwingen, wenn auch vielleicht ohne bestimmtes Resultat.

Kan: es daher,daß ihre Eltern sie liebten und nicht zu erziehen verstanden, daß ihr Gatte sie liebte und nicht leiten konnte, daß ihr erster schwacher Liebhaber sie schnöde hinterging, und daß auch von den andern, die sie wirklich liebten, keiner einen Einfluß auf sie zu üben noch sie vorn Verderben zu retten verstand? Waren in der That die

Eine heitere Scene aus dem Kinder- und Tierleben rückt uns A.J. Elsley mit seinem BildeEntführung" vor Augen. Neckisch raubt das junge Fräulein der sorg­lichen Hnndemutter eines der Kleinen und thut, als ob sie mit ihrer Beute von dannen ziehen wolle, während Mutter

Schoß der Familie" zurückgeführt sein.

Die zarte Frage, die aus Fritz Mar-

junge Herr an die holde, schämig auf ihre Stickerei nieder­blickende Schöne rich­tet, ist die alte, ur- ewige, die immer wieder gestellt werden wird, solange auf Erden liebliche Mäd­chen erblühen und von feurigen Jüng­lingen umworben werden. Welche Antwort der Werber aus seine Frage er­halten wird, ist un­schwer von den: Antlitz der Maid ab-

Moiuent, wie uns der Spiegel verrät, die Mutter eintritt! Nun, wenn sie klug ist, zögert sie ein Weilchen auf der Thürschwelle und läßt dem Verhängnis nein, der Ver­lobung ihren Gang.

Dei: Schlußakt der aufregenden Hetz­jagd rückt uns

G. K o ch auf seiuem

BildeHalali" vor Augen. Die

Meute hat den

grimmen Keiler ge- . stellt, so daß keii: Ent­weichen mehr möglich ist, und auf den hallenden Siegesrus der Hörner sprengen von allen Seiten die Weidgenossen herbei. Noch eine Weile, und den: überwundenen Recken des Waldes wird der Fang gegeben.

Das Denkmal, das die Stadt Hainburg ihren: hoch­verdienten, in: Jahre 1892 aus den: Leben geschiedenen Bürgermeister Pe-tersen errichtet hat, ist das letzte Werk des unlängst verstorbenen Wiener Bildhauers Viktor- Tilgner. Es ist ein Standbild, das die vornehme Gestalt des verewigten Bürgermeisters in altspanischer Tracht (noch heute die Amtstracht der Mitglieder des Hainburger Senates) wiedergiebt, in einer Haltung, als ob der Dargestellte sich soeben von den: neben ihn: stehenden Sessel erhoben hätte und zun: Beginn einer Rede sich anschickte. Die überlebens­große, in Bronzeguß ausgeführte Figur erhebt sich auf einem einfachen, polierten Sockel aus tiesdunkeln: Granit, ii: den: nur die InschriftBürgermeister Petersen. 1809 bis 1892" eingegraben ist.

rr. Oktober.