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Ueöer Land und Weer.
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Ein neues Aleröi-Werk.
^n der heutigen Kunstwelt steht die Erscheinung des italienischen Tonmeisters Giuseppe Verdi als eine in
greise Maestro in voller geistiger und körperlicher Frische auf eine Schaffenszeit von nahezu sechzig Jahren zurück, und man vermag kaum zu sagen, ob sie bereits ihren Abschluß gefunden hat. Beispiele einer ungewöhnlich langen, andauernden geistigen Thätigkeit haben uns in diesem Jahrhundert auch andre künstlerische Naturen dargeboten,
waren die sich folgenden Jahre, so wie bei Verdi, ein ununterbrochener Entwicklung?- und Fortschrittsprozeß. Die Werke, die der italienische Tonmeister in seinem hohen Greisenalter geschaffen, haben die Welt mehr in Erstaunen gesetzt als alle vorhergehenden, und mit Recht; haben sie uns doch den Künstler von einer Seite kennen gelehrt, die nur wenige bei ihm zu vermuten vermochten, und die trotzdem in vollem Einklänge mit seinem ganzen Wesen stand.
Das Verdienst, dieses Verhältnis in voller Klarheit darzulegen, darf ein soeben erschienenes Werk des bekannten italienischen Musikschriftstellers Marchese Gino Monaldi für sich in Anspruch nehmen (Giuseppe Verdi und seine Werke, aus dem Italienischen übersetzt von Ludwig Holthof. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt). Das Buch muß schon darum ein besonderes Interesse erwecken, weil es, von einem Italiener in italienischer Sprache geschrieben, zunächst in deutscher Ausgabe erscheint. Der Urheber desselben wußte sehr wohl, was er damit bezweckte. Verdis letzte Werke haben in Deutschland mehr Anklang gefunden als in ihrem Heimatlande, und rückhaltloser als man es hätte erwarten können, hat in ihnen Verdi sich zu der neuen, von Deutschland ausgehenden Richtung bekannt. Er, der nationalste der italienischen Opernkomponisten, der einst so vielgeseierte „Maestro der italienischen Revolution", hat in seinem Alter kein Bedenken getragen, den Schritt von dem „melodiösen" zu dem „symphonischen" Musikdrama zurückzulegen. Und
einer Inkonsequenz zeihen oder ihm gar einen Abfall von seinem künstlerischen Vaterlandsgesühl zur Last legen wollte. In geistvoller, dabei aber ebenso klarer wie überzeugender Weise legt Monaldi dar, daß der Urheber des „Nabucco" bei allen Wandlungen, die er durchgemacht, stets sich selber treu und ein echter und unverfälschter Sohn seiner heimatlichen Erde geblieben ist. Eines hat freilich der Meister, der zwei Werke von so verschiedenem Charakter wie den „Troubadour" und den „Falstaff" geschaffen, nicht vermocht — sein Ohr und sein Auge dem unerbittlichen Walten der Zeit zu verschließen. Nachdem Rossini verstummt und Bellini und Donizetti vor der Zeit von dem Schicksal dahingerafft waren, war das Erbe dieses einst so glänzenden Dreigestirns und die unbestrittene Vorherrschaft aus dem Gebiete der italienischen Musik dem jugendlichen Meister anheimgesallen, der seine Bühnenlaufbahn mit der Oper „Oberto, Graf von San Bonifazio" am 19. November 1839 an der Mailänder Skala begonnen hatte. Verdi war sich der leitenden Stellung bewußt, die ihm damit Angewiesen worden war, zugleich aber auch der Pflicht, die sie ihm auserlegt hatte. Italien durfte auf musikalischem Gebiete von keinem andern Lande überflügelt werden; das italienische Musikdrama hatte die Welt beherrscht, und diese Ueber- legenheit mußte ihm gewahrt bleiben, als sich allmählich in dem ganzen musikalischen Schaffen ein Wandel vollzogen und das von Wagner geschaffene neue Musikdrama auch iu Italien seinen siegreichen Einzug gehalten hatte. Verdi, so sagt Monaldi, hat niemals patriotischer gehandelt als damals, als er sich entschloß, der neuen Richtung Zugeständnisse zu machen — er hätte alles ertragen, nur uicht den Gedanken, daß in einer auf geistigen Fortschritt gerichteten Bewegung Italien nicht an der Spitze marschiert wäre.
Von hohem Interesse sind in dem Monaldischen Buche die sich auf Deutschland und die neuere deutsche Musik beziehenden Ausführungen. Die durch Zeitungsauszüge noch vor dem Erscheinen des Werkes bekannt gewordene Parallele zwischen Verdi und Wagner ist mit Recht eine geistvolle und glänzende genannt worden. Wie bei Verdi, befindet sich bei seinem Freunde und Verehrer Monaldi das Herz mit dem Kopfe in einem gewissen Zwiespalt; während das Gefühl am Alten, Hergebrachten und an bedingungsloser Herrschaft des melodischen Prinzips in der Musik hängen bleiben möchte, vermag der Verstand sich der Thatsache nicht zu verschließen, daß ein Vorgehen von entgegengesetztem Standpunkte ein Musikdrama von bedingungsloser Wirksamkeit ins Leben gerufen habe. Sehr bezeichnend ist in dieser Hinsicht das von Monaldi mitgeteilte persönliche Urteil Verdis über Wagner, das in seinen wenigen Worten vielleicht die beste Charakteristik des großen deutschen Meisters umschließt.
Einen eigentümlichen Reiz erhält das Buch Monaldis durch die vielen mitgeteilten Vertuschen Briefe, die uns den großen Komponisten namentlich von seiner gemütlichen Seite zeigen und bei ihm eine humoristische Ader verraten, deren mau ihn kaum für fähig gehalten. Auch die eingehenden
Mitteilungen über die Bühnenkünstler, die dem Tonmeister besonders in der Zeit seines Ausstrebens zum Siege ver- holfen, dürften freudig begrüßt werden; sie geben uns ein
Wie ein Kchiff entsteht.
Mas Kahn,
Mit Abbildungen (S. 212 u. 213) von F. und O. Mühling.
I.
Mlli rollur et aes triplex..." sagt Horaz: „Eichen- G Holz und dreifach Erz hat der um seine Brust gelegt, der zuerst ein Schiff den Wogen vertraute." Wenn der Dichter zu unsrer Zeit gelebt hätte, würde er sich wohl zu einer besseren Meinung haben bekehren lassen, denn eine Seereise selbst über das Weltmeer ist keineswegs eine so große Unannehmlichkeit, wie sie ihm erschien. Man kann auf unfern modernen Passagierschuelldampfern, die wahrhaft schwimmende Paläste genannt werden dürfen, umgeben von aller Bequemlichkeit und dem Luxus und Komfort eines großen Hotels die Ozeanreise von der alten nach der neuen Welt in kaum sechs Tagen machen, selbst wenn Wind und Wetter ungünstig sind. Dabei ist die Sicherheit eines modernen und mit allen Erfahrungen der heutigen Schiffbantechnik ausgestatteten Schnelldampfers eine mindestens ebenso große, wie die eines Eisenbahnzuges.
Freilich hat auch der menschliche Geist Jahrtausende gebraucht, uni aus den gebrechlichen Fahrzeugen zur Zeit eines Horaz unsre modernen Schnelldampfer zu entwickeln, und erst unsrer allerneuesten Zeit, etwa den letzten fünfzehn Jahren, war es Vorbehalten, besonders den deutschen Schiffbau zu einer früher nie geahnten Höhe zu bringen, so daß wir jetzt wohl im stände sind, es mit allen schiffahrt- und schiffbautreibenden Nationen, die auf ihren alten Ruhm stolzen Engländer nicht ausgenommen, im Erbauen von schnellen und sicheren Kriegs- und Handelsschiffen aufzunehmen.
In Kaiser Wilhelm II. besitzen der deutsche Schiffbau und die deutsche Schiffahrt einen mächtigen Beschützer, der keine sich ihm bietende Gelegenheit vorübergehen läßt, um ihnen seine Gunst .zu zeigen. Eine mächtige Kriegsmarine beschützt unsre über alle Meere verbreitete Handelsflotte, die ihrerseits dazu beiträgt, deutsche Industrie und deutsche Arbeit im Ausland zur Geltung zu bringen. Deutsche Schiffe kreuzen in allen Meeren, und der „Norddeutsche Lloyd" in Bremen steht durch die Anzahl und Größe seiner Schiffe an der Spitze aller schiffahrttreibenden Gesellschaften der Erde.
Aus kleinen Anfängen hat sich die internationale Schnelldampferfahrt entwickelt. Im Jahre 1840 fuhren die ersten englischen transatlantischen Dampfschiffe die Strecke von Bristol und Liverpool nach New Port in fünfzehn Tagen, sie liefen mithin circa acht Seemeilen in der Stunde. Es waren hölzerne Raddampfer von kaum 70 Meter Länge, sonderbare Schiffe, mit den jetzigen Schnelldampfern an Geschwindigkeit, Sicherheit und Komfort überhaupt nicht vergleichbar. Dennoch bedeuteten diese ersten transatlantischen Dampfschiffe im Weltverkehr einen entschiedenen Fortschritt, da sie den völlig vom Winde abhängigen Segelschiffen durchaus an Leistungsfähigkeit überlegen waren.
Das erste transatlantische Riesenschiff hat ebenfalls der englische Schiffbau erzeugt. Es war dies der von dem genialen Scott Ruffel erbaute, viel genannte und viel geschmähte „Great Eastern", ein Schiff von ungeheuren Dimensionen. Es hatte eine Länge von 207 Meter und besaß eine Wasserverdrängung von 27 400 Tonnen, dagegen indizierte seine Maschine nur 7650 Pferdekräfte und gab dem Schiff eine für damalige Verhältnisse immerhin recht respektable Geschwindigkeit von 14Hg Seemeilen die Stunde. Der Bau eines Dampfers von solchen Dimensionen eilte jedoch seiner Zeit bedeutend voraus, und bei dem damaligen, noch in den Kinderschuhen befindlichen transatlantischen Verkehr gelang es nicht, die Anzahl von 4000 Passagieren und 6000 Tonnen Ladung zusammenzubringen, wofür das Schiff berechnet war. Deshalb mußte es einen wirtschaftlichen Mißerfolg erleiden; die technische Bedeutung dieses Baues steht jedoch unbestreitbar fest, besonders wenn man bedenkt, mit welchen primitiven Mitteln man damals arbeitete.
Die deutsche Schnelldampferfahrt beginnt erst mit dem Jahr 1881, Zn welchem der Norddeutsche Lloyd in Bremen mit dem Bau der „Elbe" den Anfang machte. Die „Elbe", ebenfalls in England gebaut, war der erste Schnelldampfer, der von seinem Heck die deutsche Flagge wehen ließ. Schon fünf Jahre später besaß die deutsche Handelsflotte mit den, dem Norddeutschen Lloyd gehörigen Schnelldampfern „Elbe", „Aller", „Saale", „Trave" und „Lahn" fünf Schiffe, die 16 Meilen und darüber in der Stunde zurücklegten, während die Engländer nur vier besaßen. Seit dieser Zeit hat der Bau von Schnelldampfern fortwährend zugenommen. Die 1855 gegründete Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft baute 1889 bis 1891 die „Auguste Viktoria", „Columbia",
„Normauuia" und „Fürst Bismarck", vier ganz vorzügliche Ozeanrenner, die den Fahrzeugen des Norddeutschen Lloyd durchaus nicht nachstehen. Augenblicklich zählt die deutsche Handelsflotte fünfzehn Schnelldampfer, von denen dem Norddeutschen Lloyd elf und der Paketsährt vier gehören. Der größte und schnellste deutsche Dampfer ist augenblicklich der auf der Werft des „Vulkan" bei Stettin für Rechnung des Norddeutschen Lloyd erbaute „Kaiser Wilhelm der Große", in diesem Blatte in Nr. 35 des vorigen und Nr. 1 des gegenwärtigen Jahrgangs vorgeführt. Dieses kolossale Schiff, das mit allen Errungenschaften der modernen Technik ausgerüstet wurde, steht dem „Great Eastern" an Größe wenig nach, übertrifft aber an Geschwindigkeit und prachtvoller Ausstattung alles Frühere. Das Schiff hat eine Länge von ILlKZ Meter, eine Breite von 20,10 Meter, eine Tiefe vom Sonnendeck bis znm Kiel von rund 20 Meter und einen Tiefgang im Wasser von über 8Zz Meter. Es hat eine Tragfähigkeit von 5250 Tonnen; Maschinen von zusammen 27 000 Pferdestärken dienen dazu, das Schiff mit einer Geschwindigkeit von circa 22 Knoten, das heißt 5Zg deutsche Meilen in der Stunde, durch den Ozean zu jagen. Eine Kohlenlast von fast 100 000 Zentnern kann in seinen Kohlenbunkern verstaut werden und wird gebraucht, um die zwölf fünf Meter hohen cylindrischen Kessel zu Heizen.
Die Konstruktion und den Bau eines solchen modernen Ozeanriesen wollen wir jetzt genauer betrachten. Unsre alten hölzernen Kriegs- und Handelsfahrzenge wurden ohne viel Kopfzerbrechen durch Rechnen und Konstruktionen erbaut. Wenn sich einmal herausstellte, daß etwas nicht recht paßte, so konnte man im Notfälle mit der Axt nachhelsen. Dies geht natürlich bei unfern modernen Stahlschiffen nicht. Für jedes zu erbauende Fahrzeug werden äußerst genaue Zeichnungen angefertigt, die nach wissenschaftlichen Prinzipien berechnet werden müssen. Der Schiffbau ist eben aus einen: Handwerk eine Wissenschaft geworden, welche an nnsern technischen Hochschulen gelehrt wird.
Von der guten Konstruktion eines großen überseeischen Schnelldampfers verlangt man folgende Haupteigenschaften: Schnelligkeit, Festigkeit und Sicherheit, Unsinkbarkeit, Stetigkeit und Wohnlichkeit.
Um eine bestimmte geforderte Geschwindigkeit bei gegebenen Dimensionen zu erzielen, braucht man vor allen Dingen eine Maschine mit einer genügenden Anzahl von Pferdestärken, die je nach der Form des Schiffes größer oder kleiner sein kann. Ein plumpes Schiff wird natürlich eine stärkere Maschine nötig haben, um dieselbe Geschwindigkeit zu erreichen wie ein scharfes schlankes, weil der Widerstand des Wassers bei diesem leichter überwunden wird, wie bei jenem. Es mag hier genügen, daß man in Bezug aus die „Völligkeit" eines Schiffes von ganz bestimmten Normen ausgeht, die für eineu Laien kein Interesse haben. Hinzufügen will ich noch, daß man jetzt bei allen schnellfahrenden Schiffen möglichst scharfe Linien im Vor- und besonders im Hinterschiffe wählt, da sich durch Versuche herausgestellt hat, daß selbst die stärkste Maschine nicht im stände ist, die Schnclligkeit eines vollen Schiffes beweisen unsre modernen Schnelldampfer, schnellen Kreuzer und Torpedoboote gegen frühere Konstruktionen eine kolossale Schärfe der Linien auf. Man erreicht durch diese zwar eine bedeutende Geschwindigkeit, bei Torpedobooten bis zu 32 Knoten, das heißt acht deutsche Meilen in der Stunde, verliert aber auch viel von dem besonders für ein Handelsschiff kostbaren Kaum.
Bei der Schnelligkeit, mit der unsre modernen Schnelldampfer den Ozean durcheilen, ist es natürlich von äußerster Wichtigkeit, ihnen durch eine solide Konstruktion des Verbandes eine genügende Festigkeit zu geben. Bei der theoretischen Berechnung des Verbandes einer Anzahl älterer eiserner Schiffe fand man, daß die Festigkeit des Querverbandes bei allen genügte, der Längsverband dagegen fast überall zu wünschen übrig ließ. Man hat deshalb anstatt des früher angewendeten Eisens jetzt Stahl als Schiffbaumaterial eingesührt, und dieser hat sich so vorzüglich bewährt, daß er das Eisen vollständig verdrängt hat. Außerdem werden sämtliche großen Schiffe jetzt mit dem sogenannten Längsspantensystem versehen. Dieses System giebt zusammen mit dem Kiel dem Schiff eine bedeutende Festigkeit, welche durch Doppelungen der Außenhaut, durch die stählernen Decks und sogenannte Stringerplatten noch verstärkt wird.
Ich erwähne die einzelnen Verbandsteile vorläufig an dieser Stelle nur und werde in einem späteren Abschnitt noch einmal näher darauf zurückkommen. Im übrigen kann ich den Lesern, die vielleicht eine Ozeanreise unternehmen wollen, zur Beruhigung mitteilen, daß unsre deutsche Klassifikationsgesellschaft, der „Germanische Lloyd", die die Festigkeit und Solidität unsrer Schiffe jetzt begutachtet, und unter deren spezieller Aufsicht fast alle unsre neuen größeren Schiffe gebaut werden, so starke Verbände vorschreiben, daß dieselben sich selbst beim schwersten Wetter und Seegang nicht lösen werden.
Trotz dieser äußersten Festigkeit der einzelnen Verbände