Heft 
(1898) 20
Seite
328
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Melier Land und Meer.

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Er gab sich nicht die mindeste Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen, als sich, statt der Erwarteten, das Kind durch die Zweige schob.

Sie knitterte zornig den Brief in der Tasche, sagte aber nichts.

Warum kommt Mieze nicht?"

Sie muß noch uvoir und etw6 lernen!" Käthe lächelte höhnisch im Bewußtsein höheren Wissens,sie kriegt's nicht in den Kopf."

Du kannst's wohl schon?"

Er fragte eigentlich mehr, um etwas zu sagen, nicht aus Interesse an der Sache, aber sie griff's gierig auf.

Ja, ich brauch's zu Hause kaum anzugucken, ich lese es in der Schule einmal durch, dann kann ich's schon!"

Richtig

Sie holte den Brief aus der Tasche und trat an Ede heran.

Da, das ist für dich, Mieze hat's mir gegeben!"

Wie heiß sie waren! Auch ging ein betäubender Geruch von ihr aus, und die Stimme klang seltsam verhallen.

Es stieg ihm auf einmal schwül zu Kopf.

Adieu," sagte Käthe und schob mit dem Ellbogen die Zweige vom Eingang zurück.

Da faßte er sie am Arm und hielt sie fest.

Wie alt bist du eigentlich, Kleines?"

Ich bin kein Kleines!"

Sie stampfte zornig mit dem Fuß, während ihr zwei brennende Thränen langsam die Wangen hinunterrollten.

Laß mich gehen!" Sie schluchzte hörbar und riß sich los, daß ihm die Zweige ins Gesicht schlugen.

Ihn aber lockte es, ihr nachzusagen durch den schweigen­den Garten, und am Pfirsichspalier, wo der Weg steil auf­wärts ging, erreichte er sie und griff mit der Hand in das

Küß mich, Kleines!"

Sie rang mit ihm, aber er war stärker als sie. Drei-, viermal preßte er seine Lippen ans ihren Mund, dann gab

Sie war sehr blaß geworden, und die Arme hingen ihr schlaff am Körper nieder.

Käthe 'raufkommen!" hallte Trinchens Stimme von oben her durch den Garten, und die Helle Gestalt des Hallsmädchens ward einen Augenblick im Schein der Küchen­fenster sichtbar.

Käthe schreckte ans, warf dem großen Jungen in leidenschaftlicher Bewegung die Arme uni den Hals und küßte ihn.

Dann ging sie mit kleinen, schleppenden Schritten dem Hause zu.

Drinnen ward sie scheltend empfangen; was hatte sie sich auch in der Dunkelheit im Garten herumzutreiben! Und dann schrie Mieze auf:Du bist an meinem Parfüm gewesen," und der Vater rügte das offene Haar.

Du sollst dir hübsch ordentlich einen Zopf flechten lassen, wie sich das für ein Schulkind schickt."

Käthe war froh, als sie Gutenacht wünschen durfte.

Was hat er gesagt?" fragte Mieze, als sie beide in ihren Betten lagen.

Wenig!" Käthe zieht die Decke hoch.

Nein!"

Mieze war nicht befriedigt.

Du wirst's mal wieder oberschlau angefangen haben."

Aber sie bekam keine Antwort mehr.

Nach einer ganzen Weile, als Mieze längst schlief, kletterte Käthe mit verweintem Gesicht aus dem Bett, schlich sich zur Schwester hin und küßte sie leise und in­brünstig.

Die junge Frau in der Wagenecke fuhr mit Hellen Augen in die Höhe. Draußen huschten unzählige Lichter vorbei Berlin!

Während sie das Gepäck zusammenrückte und die Hand­schuhe wechselte, wunderten ihre Gedanken immer wieder in jene ferne, ferne Zeit zurück.

Sie hatte den schönen Ede kaum wieder gesprochen da­mals, so sehr er es auch daraus anlegte, mit ihr zusammen­zukommen. Zwischen Mieze und ihm war seit jenem Tage eine Entfremdung eingetreten, wohl durch seine Schuld; Mieze machte ein böses Gesicht, wenn sein Name genannt wurde. Uud dann ging er bald darauf von C. . . fort, um sich zum Fähnrich vorzubereiten, für die Mädchen kam die Pensionszeit, man verlor sich gegenseitig aus den Augen.

Ein einziges Mal hatte sie ihn wiedergesehen in seiner schmucken Uniform, doch sie war glückliche Braut damals und hatte nur einen flüchtigen Gruß für ihn. Kaum, daß ihr eine Erinnerung an die Kindertage kam?

Und nun heute wie wunderbar, dies Begegnen auf dem Bahnhof des Landstädtchens!

Wie viel wunderbarer noch dies Drängen und Stürmen des Herzens, das so lange still und regungslos in der Brust gelegen!

Auf Wiedersehen!"

War's mehr als die übliche Abschiedsphrase? Vielleicht das fehlende Glied der Kette, Vergangenheit uud Zukunft aneinander zu schließen?

Hatte sie noch eine Zukunft?

Frau Käthe strich leise über den Doppelring an ihrer Hand. Der sollte eigentlich alles umschließen, Vergangen­heit, Gegenwart, Zukunft!

Aber sie war noch so jung! Uud mit einem Glücks­gefühl ohnegleichen blickte sie hinein in das blendende Licht der Friedrichsstraße.

Späte Nacht. In Frau Käthes Schlafzimmer waren die Fenster dicht verhangen, sie selbst aber stand vor dem Spiegel im offenen Haar, kämmte drei widerspenstige Löck­chen in die Stirn und lächelte. Dann sprengte sie ein paar Tropfen Heliotrop über die weißen Arme.

Plötzlich löschte sie das Licht und suchte im Dunkeln ihr Bett.

als müsse sie wie einst zur Schwester schleichen, sie zu küssen.

Aber sie brauchte niemand mehr abzubitten, daß sie au den schönen Ede gedacht. Niemand mehr!

vr. A'aul Schlenther.

^Ar. Paul Schlenther, der neu ernannte Direktor des ^ Wiener Burgtheaters, ist am 20. August 1854 zu Insterburg in Ostpreußen als Sohn eines Apothekenbesitzers geboren. An den Universitäten Leipzig, Heidelberg, Berlin

manches zur Darstellung gelangte, was befremdete, ja hie und da Unwillen hervorrief, so kamen doch auch junge Talente zu Worte, die sonst, wer weiß wie lange, unbeachtet geblieben wären. Allen voran steht Gechart Hauptmann, der von derFreien Bühne" mit dem DramaVor Sonnenaufgang" seinen Ausgang nahm. Seiner Vorliebe für diesen Dichter ist Schlenther getreu geblieben. Schon 1896 verfaßte er eine Schrift über ihn, und kurz vor seiner Berufung nach Wien veröffentlichte er das umfassende Werk:Gerhart Hnuptmann, sein Lebensgang und seine Dichtung" (Berlin, S. Fischer). Znr Vervollständigung sei noch erwähnt, daß Schlenther auch eineGenesis der Freien Bühne" (4 889) veröffentlicht und eine Schrift über den Frauenberuf im Theater" (1894) herausgegeben hat. Die Beziehungen des neuen Direktors zur österreichischen Kaiser­stadt sind übrigens schon älteren Datums. Seine Gattin Paula Conrad, die ehemalige Naive und jetzige ausgezeichnete Charakterdarstellerin des Berliner Schauspielhauses, erblickte in Wien das Licht der Welt, und seit Jahren ist Paul Schlenther daselbst ein häufiger Gast. Schneidigen Theater­rezensenten pflegt man vorzuhalten, daß es leichter sei, ein­zureißen als auszubaueu, und das ist gewiß richtig, aber schon mancher ehemalige Kritiker hat bewiesen, daß er sich auch auf das Aufbauen versteht. Möge das Gleiche dem neuen Direktor des Burgtheaters befchieden sein. Sch.

Du unfern wildern.

Dem lustigen Fasching sind in der vorliegenden Nummer unsrer Zeitschrift eine Reihe Abbildungen gewidmet. Aller­dings besitzt er in deutschen Landen nicht mehr die Be­deutung wie znr Zeit unsrer Vorvordern, aber in manchen Gegenden hat sich doch vieles von den alten Bräuchen er­halten, und namentlich am Rhein und in Snddeutschlaud kann man noch einen guten Teil des alten, übermütigen

Münchener Cafe hergehen mag, zeigt uns ergötzlich I. von Wodzinskis reich belebte Zeichnung. Weitab von dem burlesken Treiben, in vornehmere Regionen ver­setzt uns Em il Bra ck mit seinem AquarellDem askiert". Fürwahr, der Ritter, der dieser Schönen gehuldigt hat, wird nicht enttäuscht seiu, nachdem die verhüllende Maske

Ethel Wrights BildeAbgeblitzt" zum Ansdruck.

deu Blumenstrauß geopfert, mit dein er die fesche Colom- bine zu beglücke,: gedachte, und nun, da er ihn darreicht, schlügt sie ihn, lachend mit dein Fächer das kostbare Bouquet aus der Hand.

Eiu Stückchen vergeblicher Liebesmüh' veranschaulicht auchDie neueste Kon:Position" von Felix Ehr- l i ch. Der arme, alte Narr, der von allen verhöhnt wird, hat allein bei dem hübschen Zöschen ein mitfühlendes Herz entdeckt, und ihr weiht er dankbar sein neuestes Tonstück. Aber auch sie lacht ihn aus, uud sobald er's gewahr wird, dürfte ein schriller Quietschton der Klarinette deu musikali­schen Vortrag beenden.

Paul schlenther.

und Straßbnrg studierte er deutsche Sprache und Literatur­geschichte, und nacheinander waren auf diesen Hochschulen die ersten Fachantoritäten seine Lehrer: Wilhelm Scherer, Karl Werder, Kuno Fischer, Erich Schmidt. Nachdem er Ende 1880 in Tübingen promoviert hatte, siedelte er nach Berlin über, sich ganz der literarischen Thätigkeit widmend. Als Theaterrezensent debütierte er imDeutschen Montagsblatt". Weiteren Kreisen wurde er bekannt durch seine 1883 ver­öffentlichte Schrift:Botho von Hülsen und seine Leute", worin er scharfe Angriffe gegen die damalige Leitung der Königlichen Theater in Berlin richtete. An dramaturgischen Schriften folgten 1886Frau Gottsched und die bürger­liche Komödie", eine Erweiterung seiner Promotionsarbeit, und 1888 dieDänische Schaubühne", Uebersetzungen der Lustspiele Holbergs. Inzwischen hatte er, Zunächst als Kollege Theodor Fontanes, dann als dessen Nachfolger, für dieLossische Zeitung" die Kritik über die bedeutendsten Berliner Theater übernommen, und gleich von vornherein fand seine schneidige, ungewöhnlich treffsichere Ausdrucks- weise, die stets für den rechten Begriff auch das rechte Wort hatte, allgemeine Beachtung. Neben seiner kritischen Thätigkeit redigierte er zugleich die Sonntagsbeilage der Vossischen", ein in wissenschaftlichen und litterarischen Kreisen hochangesehenes Blatt. Daß Henrik Ibsen in Berlin schneller als anderswo zu der gebühreuden Au- erkennung gelaugte, daran hatte Schlenther einen hervor­ragenden Anteil, und ein großes Verdienst erwarb er sich, indem er Gerhart Hauptmann die Pfade ebnete. In Ge­meinschaft mit seinem Freunde Otto Brahm (heute Direktor des Deutschen Theaters in Berlin) begründete er dieFreie Bühne", einen Verein, dessen Leitung vor den Mitgliedern Stücke zur Aufführung brachte, die vor der Zensur nicht hätten bestehen können oder doch eine gereifte, von dem gewöhnlichen Premierenpublikum weit verschiedene Hörer­schaft erforderten. Wenn auf derFreien Bühne" auch

(Bearbeitet von L. Zchallopp.t

Aufgabe 10.

Auflösung der Auf­gabe 7:

W. 2. D67-64-j- S. 2. 1(44-83, A5 W. 2. 8s3-41, V64

S. I. 46-45 W. 2. va7-87-k S. 2. 1(65 - 44, 66 W. 3. 8o3-65, v8? s7 matt.

S. 2. Xo5-64 W. 3. 863-45 matt.

Pfcrvtre N^. 8 .

Spanische Partie.

Weiß: I. IVersen. - Schwarz: N.

Weiß. Schwarz. 6. Im4-b3 ä765

2. 8^1-13 ^»,8«6 8.' 8o3X65 806-64?

3. I,kL1»5 888-67 S. 843X^5 I.84X6W)

4. O-O-) a?a6 W. 86546-s- 8?XK

5. K7-K5 11. IW3XN matt.

ziehenden^GeNqenhe^U ^^0.^865X8?^ S?Xk6

12.865XM matt die Folge sein.