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Ueöer ^and und Weer.
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Es ist die alte Litanei schön klingender Allgemeinbetrachtungen, schicklicher Verschleierungen und wohlanständiger Vorsicht! Unsre Gegenwart aber verlangt etwas Positives. Sie verlangt ein deutsches Wort der Mutter, sowohl dem Heranwachsenden Sohne wie der Tochter gegenüber. Wer warnen soll und will, muß es ohne Scheu und an der Hand von Beispielen thun, nicht aber schamhaft bloß von weitem auf die Gardine deuten, hinter der sich die wichtigsten und folgenschwersten Vorgänge des Lebens verbergen. Der wirkliche, sittliche Ernst wird die Form schon finden, in der er die Wahrheit reden kann, ohne das Feingefühl des Zuhörers zu verletzen.
Ganz eigentümlich hat mich „Hundstagszauber", Roman von Königsberg-Scheu t (F. Pierson, Dresden), berührt. Es rinnt wirklich eine schwüle, entnervende, hirnverbrennende Luft hindurch, und da ich sie in Wirklichkeit nie habe vertragen können, so vertrage ich sie natürlich auch in Büchern nicht. Ich bin also nicht strafbar, wenn ich unter diesem Witterungseinfluß den „Hundstagszauber" irrtümlich für eines jener Bücher erkläre, bei dessen Abfassung dem Autor die Sonne direkt auf den Kopf geschienen haben muß. Dieser Dichter Premberg, dieser polnische Graf, diese Fürstin Laja, sowie das ganze Dresdener Pensionat machen auf mich einen — einen, ich möchte sagen „entsprungenen" Eindruck, hie und da scheint mir sogar noch ein Fetzen der zerrissenen Zwangsjacke zu hängen.
Aber, wie schon bemerkt, ich bin nicht ganz urteilsfähig, es ist zu viel Hundstagszauber in diesem „Hundstagszauber", und ich zerbreche mir vergebens den Kopf, wie ich ihn herausbringen soll, um wieder Herr meines klaren Urteils zu werden.
Am Beginn des neuen Jahres ist auch der Cottasche Musenalmanach, herausgegeben von Otto Braun, für das Jahr 1898 in neuem, zartem Seidengewande erschienen.
Der Inhalt entspricht seinem Aeußeren: hübsche Bilder, Novellen, dramatische Semen, Sinnsprüche, Gedichte, wie sie einem ästhetischen, nicht gerade extravaganten Geschmacke behagen. Max Haushofer steht unter der ersten Erzählung „Scharke", einer Liebesgeschichte, die im modernen Prag spielt und ein tragisches Ende nimmt. „Eignes Leben" von Ernst Muellenbach läßt uns die Bekanntschaft eines jungen Herrn machen, der, der Enkel eines berühmten Mannes, sich durch den großväterlichen Ruhm im eignen Wollen und Handeln beschränkt fühlt. Erst durch den verständigen Zuspruch eines Fremden, den der Zufall auch noch zu seinem späteren Schwiegervater auserkoren hat, wird er zu einem thatkräftigen und erfolgreichen Selbstleben geweckt. Am besten aber hat mir d.as Märchen „Ben Saccarios Wuuderhorn" gefallen. Dieses Wunderhorn ruft für jede Krankheit den rechten Arzt herbei, sein Besitzer darf aber nur ein einzigesmal Hineinstoßen. Der Hilfe sicher, scheut er sich nicht vor Fieber und Pest und bleibt gesund, bis den fast Hundertjährigen am Ende doch schwere Krankheit erfaßt. Er stößt in sein Horn, und der Arzt ist da — der Tod! M. zur Megede.
Louise Dumont.
6Dem Deutschen Theater in Berlin steht ein großer Ver- lust bevor: Agnes Sorma tritt in kurzem aus dem Verbände dieser Bühne, um an der Spitze einer von ihr zusammengestellten Truppe ein künstlerisches Wanderleben zu beginnen. Daß Direktor Brahm weiß, wie viel der Verlust dieser Künstlerin für ihn bedeutet, hat er gezeigt, in dem er die stärkste Individualität unter den Bühnenkünstlerinnen der Gegenwart, Louise Dumout, auf Jahre hiuaus für das Deutsche Theater verpflichtete. In Sudermanns „Johannes" wirken die beiden Künstlerinnen, die scheidende und die kommende Trägerin des Repertoires des Deutschen Theaters, noch nebeneinander, Agnes Sorma als „Salome", Louise Dumont als „Herodias" In seiner Besprechung der ersten Aufführung des Stückes nannte Fritz Mauthner die letztere kurz, bündig und treffend, wenn auch ein wenig burschikos: „ein Staatsweib!" Man kann Frau Sorma entzückend, hinreißend, bezaubernd, anmutig und sehr vielseitig finden, aber der Versuchung, sie „ein Staatsweib" zu nennen, wird niemand erliegen. Das charakterisiert den Unterschied zwischen den beiden ganz verschiedenartigen künstlerischen Individualitäten, es giebt auch zugleich einen Fingerzeig, nach welcher Richtung hin sich das Repertoire des Deutschen Theaters durch den Verlust von Agnes Sorma und durch den Gewinn von Louise Dumont verschieben wird. Louise Dumont ist die geborene Heroine; die jede Seelenregung widerspiegelnden Züge, die hoheitsvolle Erscheinung und ein wundervolles Organ prä-
Aber sie ist keine Schülerin der großen Tragödinnen einer in ihrem Stil abgeschlossen hinter uns liegenden Darstellungsepoche, der Ziegler, Wolter, Ulrich und andrer großer Namen. Ein scharfer Verstand und ein ganz ausgeprägtes modernes Empfinden beleben in erster Linie die von ihr dargestellten Rollen, und niemals drang eine Künstlerin so tief in das Seelenleben einer Hebbelschen Judith und Jbsenscher Frauengestalten ein wie sie. Die schöne Sprache, die plastische Pose sind ihr nur Mittel zum Zweck der Darstellung, niemals Endzweck. Dieser Endzweck heißt ihr volle, ergreifende, ungekünstelte Lebenswahrheit ! Der Stuttgarter Bildhauer KarlDonndors jr., ein Sohn des Professors A. v. Donndorf, der die von uns im Bilde wiedergegebene Büste der berühmten Künstlerin modellierte, hat die schwierige Aufgabe, diesen Kopf mit seinem schnell wechselnden Gesichtsausdruck festzuhalten, meisterhaft gelöst. Der Künstler hat die Büste polychrom behandelt; den Hintergrund mit den Symbolen des Künstlerloses, dem Lorbeer und dem Distelzweig, in graugrüner
Tönung, von der sich die drei Parzen am Sockel in Bronze abheben, während der gelblich getönte Kopf mit dem dunkleren Haar sich scharf auf Goldgrund markiert. Nach Fertigstellung einer Büste der verstorbenen Großherzogin von Sachsen wird der junge Künstler, von dessen genialer Begabung bereits die von dem Museum der bildenden Künste in Stuttgart angekaufte Statue eines sitzenden Jünglings, die Büsten des verstorbenen Erbgroßherzogs von Sachsen, der Professoren Stoy in Jena und Faißt in Stuttgart und andre Arbeiten ein glänzendes Zeugnis ablegten, für einige Zeit von Stuttgart nach Paris übersiedeln. Otto Preuß.
Zu unfern wildern.
Dem König Wilhelm II. von Württemberg, der am 25. Februar dieses Jahres auf fünfzig Lebensjahre zurückblickt, ist der männliche Erbe bisher versagt geblieben, aber der Sonnenschein, der mit Kindersegen das Haus des Fürsten wie des schlichten Bürgers erfüllt, ward ihm doch zu teil mit seiner Tochter erster Ehe, der Prinzessin Pauline von Württemberg. Die Prinzessin, am 19. Dezember 1877 geboren, verlor in zartem Alter ihre Mutter, die Prinzessin Marie zu Waldeck und Pyrmont, aber in der Prinzessin Charlotte zu Schaumburg-Lippe, die König Wilhelm — damals noch Prinz Wilhelm — im April 1886 als Gemahlin heimführte, fand sie eine zweite Mutter, und wie das Verhältnis zwischen Vater und Tochter das denkbar innigste ist, so verbinden auch die Prinzessin Pauline und die Königin Charlotte herzliche Bande der Liebe und
Freundschaft. Regen Geistes und von umfassender Bildung, bringt die Prinzessin den schönen Künsten lebhafte Teilnahme entgegen, und in einer derselben, der Malerei, bekundet sie selber eine schöne Begabung. Und wie heutiges- tags viele Maler zum Festhalten wirkungsvoller Motive die bescheidene Schwester ihrer frei schaffenden Kunst zu Hilfe rufen, fo ist Prinzessin Pauline eine gewandte Amateurphotographin, deren Aufnahmen mit den besten Erzeugnissen dieser Art wetteifern können. Von den hervorragenden Leistungen der erlauchten jungen Künstlerin nach beiden Richtungen geben wir heute einige Proben.
San Martina dellaBattaglia, das M. Zeno Diemer auf seiner Zeichnung vorführt, bildet den Mittelpunkt des weiten Hügellandes, das sich südlich vom Gardasee zwischen Peschiera und Desenzano einerseits und Custozza und Solferino andrerseits hinzieht. In den fünfziger und sechziger Jahren war dies Gelände wiederholt der Schauplatz heißer Kämpfe zwischen den Oesterreichern und den Italienern, und namentlich die beiden letzteren Namen sind mit blutigen Lettern in das Buch der Geschichte eingeschrieben.
Der italienische Staat ließ vor wenigen Jahren auf dem Gräberhügel von San Martins als Monument für die Gefallenen einen 74 Meter hohen Turm errichten, der innen durch viele Stockwerke hinauf mit Schlachtenbildern ausgeschmückt ist. Oben bietet sich eine herrliche Aussicht auf den Gardasee dar. Der Turm liegt inmitten eines großen Cypressen- hains, der zugleich Soldatenfriedhos ist.
Die wilde Erregung, welche die erneute Erörterung des Falles Dreyfus in Frankreich hervorgerufen, hat ihre Wogen auch nach Algerien hinübergeschlagen, und in verschiedenen Städten dieses Gouvernements, namentlich in der Hauptstadt, ist es zu argen Ausschreitungen gekommen. So bieten die Bilder aus Algier, die wir heute vorführen, eine Art aktuellen Interesses dar. Die Hauptverkehrsadern der Stadt laufen vom Gouvernementsplatz aus, auf dem sich vor der Moschee Dschama el Dschedid die Reiterstatue des Herzogs Ferdinand von Orleans erhebt, des ehemaligen französischen Kronprinzen, der 1842 in Paris durch einen Sturz aus dem Wagen ums Leben kam. An der Südseite der Stadt erstreckt sich, an das arabische Dorf Mustapha sich anschließend, die gleichnamige Villenkolonie, in der der Generalgouverneur seine Sommerresidenz hat. Eine Straße aus dem modernen Viertel, zwei solche aus dem alten maurischen Teile und eine Ansicht aus den letzten Ausläufern der Vorstadt geben die andern Abbildungen wieder.
Schach.
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Weitz: ^Ekispringerspret im Wachzuge.
Weiß.
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17-15
15-14
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87-85
42. 35-36
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V67-13Y
45. 131-11-i-
22. 862X«4
65X64
46. L82X83
013-67
Weiß giebt die
b b) Dies^chwLcht ^e weiße Königsstellung; aber Schwarz hat ohnehin
E'^Falls^twaÄ^ 3l! N^soÄyach 84-83!
(32. 117X67 63—82-j- mit schnellem Gewinn, bezw. 32. 117—11 1)67—16