Heft 
(1898) 23
Seite
366
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Ueber Land und Weer.

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Ich verteidige, wie sich's gehört, die Kornblume: ^ Aber, gnädiges Fräulein, lassen Sie doch! Ich bin als Verschwender erkannt, ich werde mich bessern."

Asta zuckt die Achseln:Ich glaube, das beab­sichtigt Ethel gar nicht."

Tie Kleine lacht:Nun sag' ich's gerade! Asta ist empört über die zehn Mark und mich. Und ich frage immer nach den Gesellschaften den Diener, wieviel er von jedem Trinkgeld bekommen hat. Da erlebt man so komische Sachen. Die viel haben, geben wenig oder sehr viel, wie Sie, Herr Graf --- und die wenig haben, geben immer zu viel. Ein alter Justizrat in Dresden, der Junggeselle ist und viele Millionen besitzt, hat nach einen: großen Diner zwei Pfennig und nach einem Ball sogar einen Knopf gegeben."

Sie ist wirklich naiv; aber diese Jugend, diese Frische ist reizend an ihr. Asta fragt den Diener sicher nicht. Die Angelegenheit mit dein Kleinen beunruhigt mich. Ich versuche, sie irreznfnhren: Er ist gewiß nicht in Berlin, gnädiges Fräulein Sie haben sich versehen."

Versehen2 Ich?" Die Kleine ist ihrer Sache sehr sicher.Und wenn Sie ihn treffen, Herr Graf, grüßen Sie ihn. Er soll uns besuchen und sich um keine kalten Gesichter kümmern."

Grüßen Sie ihn auch von nur." Es ist fabel­hast, daß die Grünängige so menschliche Anwand­lungen hat.

Zuletzt spielt Ethel, die mir wohl etwas miß­traut, den letzten Trumpf ans.Wenn Sie's nicht thun, bringe ich ein Inserat im Lokalanzeiger:

,Derjeni g e s ch w arze Herr, der vom 15. bis 17. April in Nagaz (Hotel Krone) wohnte und mit einer blonden jungen Ausländerin am Nheindamm bekannt wurde, wird gebeten, seine Adresse unter Ethel" hanptpostlagernd anzngeben?

Und das inseriere ich so lange, bis er's ge­lesen hat."

Wir lachen alle, Asta auch. Und lieb müssen sich doch die Schwestern haben, denn die ältere küßt die jüngere und sagt:Du gute kleine Ethel." Der herbe Mund kann so anmutig küssen. Den­noch . . .

Ich werde Jaromir nichts Mitteilen. Das In­serat wird ja auch nie verbrochen werden. Das hieße zwei junge, im Grunde unschuldige Menschen auf einen Turm mit wundervoller Aussicht führen und sie dann 'rnnterstürzen den Lieutenant wenigstens. Vielleicht ist's auch etwas Eifersucht bei mir.

Ein Sonnenstrahl fliegt durchs Zimmer, gleitet über das silberige Bärenfell, die dunkeln Nnßbaum- möbel, die Frnchtstücke über dein Sofa, so daß die rotbäckigen Aepfel glänzen bis zu dem Elefanten­zahn an der Wand, dessen winzige Figürchen durch­einander zu wimmeln scheinen wie weiße Ameisen. Auch über Asta Le Forts schwarzes, raffiniert ein­faches Kostüm gleitet er, aber ohne Freudigkeit. Als wenn er sagen wollte:Da habe ich nichts zu suchen." Doch in das Goldhaar der Kleinen wühlt er sich ordentlich ein. Es ist ein wollüstiges Glänzen. Ich verstehe den Sonnenstrahl. Ich hätte Lust, ineine Taktik zu ändern, mich in diese wonnige Jugend zu verlieben. Ihr kann ich das Köpfchen verdrehen: das weiß ich. Ich kann mir ganz gut denken, daß wir in diesen: eleganten Zimmer stunden­lang geschwatzt, gelacht haben, und daß ich plötzlich lautlos anfstehe, die Kleine um die schlanke Taille fasse, sie küsse aus das wirre Goldhaar, auf die rosigen Ohren, ans den Schönheitsfleck und ganz zuletzt ans die unschuldigen Lippen. Sie wird ganz stille sitzen, nur lächeln wie verzaubert - und dann wieder küssen, ganz weich, ganz süß. Den Lieu­tenant fürchte ich nicht er wäre so schnell vergessen!

Und wäre ich dann glücklich? Wenn ich früher, sehr viel früher vom Glück geträumt habe, da war's immer blond und jung und lachte ans lichten blauen Augen. Das Glück sieht genau so ans wie Ethel Le Fort. Dennoch ist es nicht mein Glück.

Auch die grünängige Asta ist mein Glück nicht; kann cs nicht sein! Immer würde sich der Sklave gegen diesen königlichen Nacken empören, das Rätsel der Augen fürchten. Das Weib, das ihr Schicksal an das meine kettet den: will ich Herr sein und nicht Knecht... Ja, so ist das Leben. Da sitzt

neben mir das blonde Glück, da sind die Millionen, ich brauche mich nicht zu verkaufen und sie sich auch nicht. Aber der Schatten von Tragik, der auf dem schönen Gesichte der grünäugigen Asta liegt, reicht bis zu mir. Ich mag das Glück nicht mehr, dieses Weib reizt mich; der Mann, der brutale Mann wird in nur lebendig. Ich liebe Asta Le Fort nicht, werde sie nie lieben, aber ich will sie unterkriegen

UNd daNN VN6 vietls! (Fortsetzung folge)

Moderne Evrik.

Junge kiedsr.

Lin Träumer und Nagabünde!

Auch du, lieb Mädel, laß sein!

Tie klettern in deine Kammer hinein,

Missen all deine Freuden und Schmerzei:,

Sprechen so zärtlich zu deinem Herzen! wie bald, und sie haben dich krank geinacht

Mädel, laß sein!

Alte Geschichten fallen euch ein,

Ihr schüttelt den Kops und lächelt doch,

Dann geht es:Ja damals" undweißt du noch",

Lin kleines Nest.

^ie haben dich ein enges Nest genannt,

Du kleine Stadt mit deinen schmalen Gassen; Ob ihnen wohl das reiche Glück bekannt,

Und manches traute Heim roll hoher Freuden.

Ich neid' euch nicht die bunte Pracht der Welt, Mich dünkt, nur ist ein besser Glück beschieden,

Das warn: und fest mein Herz gefangen hält

Lin kleines Nest und süßer Heimatsrieden.

Dedwig Gräfin Rittberg.

Der Iota.

(Siche die Porträt? Seite 361, sowie die Nl'bilduugeu Seite 364 uud 365

^K^ie Akten des Prozesses Zola sind geschlossen, wenn diese Zeilen vor das Auge des Lesers kommen, aber noch immer hat die Erregung sich nicht ge­legt, die sich an dieses einzig in seiner Art dastehende ! Gerichtsdrama geknüpft hat. Für Frankreich sind die ! beide,: Wochen, welche die Prozesiverhandlnngen in Au- i sprach genommen haben, nicht günstig verlausen, denn sie haben das Vorhandensein von Zuständen enthüllt, die keinen: I Lande der Welt zum Heile gereichen können.Man darf

die Worte Vaterland und Patriotismus nicht benutzen, um begangene Fehler zu decken," rief einer der an die Barre vorgernfenen Zeugen aus;man darf diese erhabenen Worte ihrer Würde nicht entkleiden". Und doch, welch ein Miß­brauch ist während des ganzen Prozeßverfahrens, nnd nicht allein während dieses, mit jenen Worten getrieben worden.

Während der Verhandlungen konzentrierte sich das Interesse selbstverständlich ans den Hauptangeklagten, Zola. Der große Dichter ist, wie er selbst von sich sagte, kein Meister des gesprochenen Wortes. Wenn seine südliche Leb­haftigkeit ihn zuweilen auch mit sich fortriß, verhielt er­sieh im gauzen schweigend, doch verriet sein Aenßeres, das den noch rüstigen und kräftigen Mann zuletzt wie vorzeitig gealtert erscheinen ließ, welch gewaltige Anstrengungen sein Inneres während der Schwurgerichtstage durchzumachen und was für einen geistigen Kampf er zu bestehen hatte. Zu einer Tagesberühmtheit erhob sich während des Zola­prozesses der Rechtsbeistand des Hauptangeklngten, der ver­hältnismäßig noch jugendliche Advokat Labori. Geistvoll, schlagfertig und ein Meister des rednerischen Vortrags, er­innert er an die großen Redner, die einst den Stolz der Pariser Gerichtsbarre ausmachten. Clemeueean, der­ben zweiten Angeklagten, den Herausgeber des Pariser- BlattesAurore", vertrat, erinuerte als Redner an die einstigen großen Tage seines Bruders, des radikalen Poli­tikers. Man hat während der Verhandlungen die beiden Redner vielfach miteinander verglichen. Labori, so sagte man, der hochgewachsene, schöne Mann mit vollem blonden: Bart und Haar, scheint in seinem Feuer und in seiner Kraft unerschöpflich. Tag für Tag wirft er sich mit der­selben ungebrochenen Leidenschaft in die Debatte. Un­aufhörlich klingt seine volle, warme Stimme durch den Saal. Das Ungestüm seines Kampfes ist nicht zn beschreiben. Er fällt den Gegner, Präsident, Staatsanwalt oder Zeuge, an wie ein brüllender Löwe, nnd wehe dem, der ihm in die Klauen gerät! Wenn Labori der Löwe ist, dann ist Cle- meneeau der Tiger. Während Clemeneeau eine:: Zeugen be­fragt, liegt er im Hinterhalt, und sobald sich der Zeuge eine Blöße giebt, springt er gleichsam mit einem Satz auf ihn los. Seine Spezialität ist, die Zeugei: iu Widerspruch miteinauder zu bringen nnd die Wahrheit aus scheinbare:: Nebendingen zur Entwicklung zu bringen.

Einen wahrhaft tragischen Eindruck macht das Schicksal des Obersten Piequart; er war wohl der an: sym­pathischsten berührende von allen Zeugen, nnd doch ver­mochte er, wie im Esterhazy-Prozesse so auch in den: gegen Zola angestrengten, dem Mißgeschicke nicht zu entgehen, daß er aus den: Zeugen zum Angeklagten gemacht wurde. Oberst Piequart wird auch äußerlich, mit seinem klugen, ernsten Gesicht, in der schönen hellblauen Uniform der afrikanischen Tirailleurs, als eine gewinnende Persönlichkeit geschildert. Ungemein dramatisch gestaltete sich die Gegen­überstellung Picquarts mit dem militärischen Untersuchungs­richter General Pellieux nnd dein Major R avar y. Der Zeuge verharrte von dem ersten bis zun: letzten Worte seiner Ver­nehmung in derselben unerschütterlichen Ruhe nnd erzwang sich durch sein Verhalten bei seinen: Abgänge eine lebhafte Kundgebung von seiten des in: allgemeinen den Angeklagten nicht günstig gesinnten Publikums.

Euren tiefen Eindruck machte von den Zeugen der sozialistische Abgeordnete Jaur6s. Seine fast zweistündige Rede wurde zwar schweigend, aber mit gespannter Auf­merksamkeit angehört, weil sie von dem stürmischen Ver­langen nach Licht und Wahrheit durchdrungen war. Weit über den Sitzungssaal und den Ort des Gerichtes sind jedenfalls seine Worte in das Land uud die Welt hinaus- gedruugen:Ich glaube, daß das Volk die Wahrheit will. Wenn aber nicht, so ist es besser, im Kamps für die Wahrheit zu unterliegen, als zu siegen, indem inan sich zum Mitschuldigen aller Zweideutigkeiten macht!" Einen ernsten, würdigen Eindruck machte durch sein Auftreten auch der frühere Großsiegelbewahrer und Justizminister T Höven et. Senator Scheurer-Kestuer gewann sich durch seine mannhafte Haltung in: Gerichtssaale das An­sehen wieder, das er durch sein zuwartendes und un­entschiedenes Verhalten vor der gesetzgebenden Behörde ein­gebüßt hatte. ^ Er war thatsächlich ^ein Opfer der ihm von

Sehr verschieden wirkten die vor die Zeugenbarre ge­ladenen militärischen Persönlichkeiten. Von den General­stabsoffizieren machte General Gonse, der llnterchef des Generalstabs, entschieden den besten Eindruck, er hatte wirk­lich etwas von den: brav' Zönöral in: guten Sinne an sich, etwas von dem granbärtigen Haudegen, der nach gutcr Soldatenart vorgeht, nnd den: auch der entschiedene Gegner nicht gram sein kann. Der Generalstabschef Boisdeffrc, der nur au einem Tage sich bei den Verhandlungen zeigte, legte die zuvorkommenden und weltmännisch abgeschlifsenen Manieren des höheren französischen Offiziers an den Tag;

nicht unangenehmen Stimme und erwies sich als Zeuge im Kampfe mit den Advokaten als vorsichtig und geschmeidig. Weniger günstig wirkte durch sein Auftreten der ehemalige Kriegsmiuister, General Mereicr, dessen Werk der Dreyfus-Prozeß ist. Das starre, ausdruckslose Gesicht mit der überlangen Nase leunzeichnet den Mann, der geradezu