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Neber Land und Meer.
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und Sahak selbst fand nachmals keine Spur desselben mehr. Das änderte aber an seiner Liebe zn dem jungen Weibe nichts, es hatte vielmehr den Anschein, als ob seine Leidenschaft nur im Wachsen begriffen sei. Sie machte ihn krank und bleich, in seinen Augen loderte ein unheimlich düsteres Feuer, das man vorher nie darin erblickt hatte, und nicht lange dauerte es, so neigte man in dem Gehöft Betzlarjans zu der Meinung, daß die junge Frau des Sahak diesem und den Seinen Unheil bringe. Das Vieh erkrankte, die Früchte des Feldes verdarben, und die Unternehmungen der Söhne des Hauses waren nicht mehr von glänzenden Erfolgen gekrönt. Man wollte die Wahrnehmung gemacht haben, daß Fatima dem Eisen aus- weiche, und daß das Wort Hadid (Eisen) sie erschrecke,*) und man begehrte von dem Patriarchen des Hauses, daß er einen weisen Mann um Rat befrage, wie weiterem Unheil zu wehren sein möge.
Lange Zeit blieb Wieray Betzlarjan taub gegen alle Einflüsterungen. Fatima gefiel seinen Augen wohl, und ihre Herzensgüte, die er oft erprobt, erfreute seine Seele. Sollte doch auch Balkis, die herrliche Königin von Saba, die durch ihre Weisheit die Bewunderung Salomos erregt, von einer Dschin geboren sein. Fatima zeigte sich außerdem als eine gläubige Christin.
Schließlich aber konnte ihm die Veränderung, welche mit seinem Lieblingssohne Sahak vorgegangen war, nicht verborgen bleiben, und bange Sorge erfüllte ihn. Auf die Frage nach seinem Kummer gab Sahak nur ausweichende Antworten.
Da begann auch Wieray ernsten Befürchtungen sich hinzugeben, und er beschloß, dem Drängen seiner Angehörigen nicht länger auszuweichen, sondern gen Eriwan zu pilgern, um dort dem Melik, der sich eines großen Ansehens im weitesten Umkreise erfreute, seine Kümmernis vorzutrageu und ihn um Rat zu befragen, wie derselben abzuhelfen sei.
Der Melik empfing den ihm wohlbekannten Wieray mit herzlicher Freude und bat ihn, vor allen andern, die bereits in früher Morgenstunde im Vorhause seiner harrten, um Sprüche der Weisheit aus seinem Munde zu hören oder seinem strengen Richterspruch sich zu beugen, sein Anliegen vorzutragen. Demütig begann der Patriarch des Hauses Betzlarjan:
„Mächtiger Gebieter! Zwar bin ich weniger als Staub vor dir, aber deine Güte und Menschenfreundlichkeit kennet keine Grenzen. So wagt dein demütiger Knecht, seine Augen zu dir zu erheben und dich zu bitten, ihm zu gestatten, daß er dir die Kümmernisse, in welchen er versunken ist, vortrage und um Hilfe und Rat in seinen Nöten anflehe."
„Sprich offen, mein Sohn — ich will dir Rede stehen. Einer aus dem Hause der Betzlarjan soll nicht ungetröstet von dannen gehen," lautete die milde Entgegnung.
Wieray begann dem Melik ausführlich den Grund seines
Aufgabe 11. Auflösung der Auf-
V. 2. VZS-s?-!- 2. Xs5-k4, 66
Weiß.
Kommens vorzutragen. Aufmerksam folgte dieser seinen Worten, und noch lange, nachdem der greise Hauspatriarch seine Mitteilungen beendet, saß er in ernstem Sinnen verloren.
Endlich Hub er an:
„Neige dein Ohr zu mir, damit ich dir künde, wie dir und deinem Hause zu helfen sein möchte. Das Weib deines Sohnes ist nicht stumm. Ein mächtiger Zauberer hat es ihr angethan, um sich zu rächen, weil sie mit Abscheu sich von ihm gewendet. Ihr Leib beherbergt eine Schlange vom Ararat, die beim ersten Worte, das sie sprechen wird, ihren Lippen entschlüpft und den geliebten Gatten tötet.
„Nimm ein Gefäß mit geweihtem Wasser und verbirg dich abends im Gemach des jungen Paares. Sobald dieses eingeschlafen ist, überschütte das Haupt der jungen Frau mit diesem Wasser. Erschreckt wird sie einen Schrei ausstoßen und die Schlange ihren Lippen entschlüpfen. Halte dein gutes Schwert bereit, dieser den Kopf abzuschlagen, ehe sie deinen Sohn mit tödlichem Biß verwundet. Laß es dir aber niemals einfallen, deine Schwiegertochter nach ihrem
Herkommen zu fragen. Sie ist von edler Abkunft, Segen ruhet auf ihrem Haupte und mehret, was ihre Hände berühren."
Sinnend ritt Wieray heimwärts, die Worte des Meliks sorgsam erwägend.
Nachdem der Abend hereingebrochen war und alles im Hause sich zur Ruhe begeben hatte, schlich er, in der einen Hand ein Gefäß mit geweihtem Wasser tragend, in der andern ein blitzendes Schwert, in das Schlafgemach des Sohnes und der Schwiegertochter. Beide waren vom Schlaf der Stunden vor Mitternacht befangen.
So trat Wieray zu Häupten der Lagerstätte und that, wie ihm der Melik geboten.
Ein Schrei entschlüpfte Fatimas Lippen, und züngelnd schoß eine Schlange empor, dem Haupte Sahaks sich zu- weudend. Doch schon schwang Wieray sein Schwert, hoch- auf spritzte ein Strahl schwarzen Blutes, und der Kopf der Schlange flog gegen die Wand.
Damit war der böse Zauber gebrochen und Fatima erlöst.
Im Hause Betzlarjans aber herrschte fortan nur Friede und Freude. Alle Unternehmungen glückten, das Vieh gedieh
^ A 6^. (Bearbeitet von H. Schalkopp.) AUrvtie Uv. 11.
^ Gespielt zu Wi«^ am 23. Mai 1895. ^
H. Fä^ndrich, A. Halprin und G. Marc» vortrefflich und höchst
Englisches Springerspiel.
Weiß: Max Judd (auS New York).
Schwarz: Berthold Englisch (1- zu Wien am 19. Oktober 1897).
Weiß.
Schwarz.
1. «2—«4
2. 8KL-L3
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3. «2 v3
17-15
21. lal-dl
4. 62—64
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22. 12-13
5. 813X64
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23. X81-K1
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24. VU3—84
L68-67
25. 13-14
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67-65
27. V84-85
1.66X14!!
I.o8-67
28. N11X149
1)64X511-
888-16
29. LU1-U2
162-651 ,
1.18-66 y
30. »85-83
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1K8—68
31. 1)83-12
161-lill-
14. 1.62-13
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15. 1.85X16 9
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16. 1.13X651-
34. V12—83
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35. 114-a4
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vortrefflich, und die Früchte des Feldes trugen hundert- fältig. Sahak und Fatima aber sahen Kinder und Kindeskinder um sich her erblühen und erfreuten sich eines reich gesegneten Alters. _
(Lhristian Wühler
M?m Alter von 73 Jahren verstarb am 4. Februar in 6^ seiner Vaterstadt Bern Christian Bühler, der weit über die Grenzen seines Heimatlandes bekannte Heraldiker und Wappenmaler. Als Sohn schlichter Eltern am 29. Dezember 1825 geboren, widmete er sich der Malkunst, mit besonderer Vorliebe für heraldische Aufgaben, und machte sich schon 1846, nach kurzem Aufenthalt in München, in Bern selbständig. Sehr vorteilhaft war für ihn die Verbindung mit dem Heraldiker und Glasmaler L. Stantz, welcher der heraldischen Komposition und Zeichnung neue Bahnen eröffnete. Schon 1850 wurde Christian Bühler zum Inspektor der öffentlichen Kunstsammlungen im Kanton Bern ernannt, welches Amt er bis 1880 bekleidete. Zusammen mit Stantz, dem Verfasser des Berner „Münsterbuches", dem Schöpfer mehrerer Wappenbücher, verfaßte Bühler sein erstes größeres Werk. Stantz hatte 1853 den Aussaal des Schlosses Oberhofen mit Wandtafeln, die Geschichte des Schlosses in der Weise mittelalterlicher Buch-Illustrationen knlli-
beschreibend, zu schmücken, das heißt die Kartons zu entwerfen. Er löste die Ausgabe meisterhaft, und Bühler fiel es zu, sie iu Oelmalerei auszuführen. Später wurde Bühler mit der Aufgabe betraut, die Wappen neu aufgenommener Bürger in das Stammregister einzutragen, wobei gewöhnlich die Wappen gesondert bestellt wurden, und hierbei bildete sich Bühler vollends zum Heraldiker heraus. Seine Wappen wetteiferten in Frische und Ursprünglichkeit mit den alten Schweizer Wappen. Unter dem Bundespräsidenten Stämpfli lieferte er die Zeichnungen zu Banknoten für die eidgenössische Bank, und von da ab erhielt er auch ausländische Aufträge. Ein treuer Freund und Verkünder seiner Kunst war Viktor von Scheffel, dessen Wappen er 1876 ausführte. Scheffel vermittelte ihm dann Aufträge des großherzoglich badischen Hauses. Große Ehren erwuchsen Bühler aus seiner Beteiligung an der heraldischen Ausstellung in Wien, 1878. Das Jahrbuch des heraldischen Vereins Adler in Wien vom Jahre 1879 feierte den Erfolg Bühlers in begeisterten Worten. Bühler erhielt den ersten zur Ausgabe gelangenden Band des Pracht- jahrbuches an Stelle des Kaisers Franz Joseph, der dem Künstler diesen Band überwies. Auch die heimischen Behörden ehrten ihn durch Aufträge, zum Beispiel bei Anlaß der Bundesfeier von 1891 mit einem solchen für das Gedenkblatt zu Händen der Schweizerjugend, dann für die Adresse des Bundesrates an Gottfried Keller. Bei der Berner Gründungsfeier wurde Bühler zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt ernannt.
9 Besser 15? 1.85—U4 und^zum Beispiel 15.Z7—85 16. IM4—^3
85-84 17. 1.13-äl 816-64 18. 1.83X66 o?X66 19. 12—13 Vä8-d6-j- 20. Va4-64.^ .
SchcrchbviefwechseL.
Christian Bühler. Griginalzeichnung von L. Lauterburg.
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