7g. Band, vierzigster Jahrgang. Oktober M7—
Preis vierteljährlich 3 M. Zo. Mit Postausschlag 3 M. 75.
Inhalt: „Von^zarter Hand", Roman von Johannes Richard Novelle vmi Hermine Villinger. — D?e Asche, von Rollers Pohl.
hüpf'l, von I. G. Frimberger. — DasZodiakallicht, von Josef R. Ehrlich. — Der große Sturm, von Ernst Muellenbach. — Henrik Ibsens Jugendheim. — Schach. — Aus Zeit und, Leben:
Won zarter
Roman
Johannes Richard zur Megede.
VI.
Warum kommen Sie eigentlich gar nicht mehr, Graf Garen?" — Ma- dame Le Fort fragt das. Wir sitzen zusammen im Salon meiner Tante. Der „Gelbe" hüpft schwerfällig in seinem Messingbauer. Die Schildkröte hat uns auf fünf Minuten allein gelassen. Sie weiß Lola in guter Hut gegen meine Mordgelüste. Im Augenblick denke ich gar nicht mal an die Bestie.
Ich habe meinem Wucherer zehntausend Mark 'rausgepreßt gegen einen „Dreimonatlichen". Auf dem Accept stehen freilich zwanzig Mille — also hundert Prozent Aufschlag, die Wechselzinsen abgerechnet. Das ist aber noch ein ganz gelindes Anziehen der Schraube in meiner fast verzweifelten Lage. Ich hätte lieber „dreißigtausend" quer geschrieben, um ein sorgenloses Jahr vor mir zu haben. Aber auf längere Frist waren die zehntausend auch nicht mal für den vierfachen Betrag zu haben. Der Schuft weiß genau, daß bei den unzähligen weiteren Prolongationen viel mehr 'rauszupumpen ist. — Na, denn man tau! Endlich wird das alte Ungeheuer doch sterben. Und jetzt liebäugle ich auch wieder feindlich mit der gelben Bestie im Käfig.
Madame versteht in meiner Seele zu lesen und droht mit dem Finger: „Seien Sie vorsichtig, Herr Graf."
Ich lache etwas unnatürlich. „Ich denke aber an gar keinen Mord, gnädige Frau!"
Madame glaubt mir. Wenigstens thut sie so. Weit wichtiger scheint ihr, daß ich seit vierzehn Tagen die Villa in der Händelstraße meide. Meine gewundenen Entschuldigungen dieserhalb hört sie nur halb.
„Sie sprechen von moralischem Katzenjammer, beginnender Melancholie, Herr Gras? Das sagt gar nichts! Einsamkeit ist für Sie Gift. Wenn Sie solche Neigungen haben, hätten Sie Ihr väterliches Gut übernehmen sollen."
„Man ändert sich eben, gnädige Frau."
„Nein, man ändert sich nicht, Herr Gras! Ich sehe nicht ein, warum man bis zu seinem achtundzwanzigsten Jahre die große Welt für seinen Turnierplatz hielt — und mit dem neunundzwanzigsten plötzlich darauf verzichtet." Gnädige Frau spricht leise, jetzt haucht sie nur noch: „Sie nehmen mir die ' Freiheit nicht übel! . . . Sie sprechen von derangierten Verhältnissen -- das ist kein Grund! Wie lange
Aus der Lauer. Nach dem Gemälde von G. Wertheimer.
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1898 (Bd. 79).
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