Heft 
(1889) 01
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Deutschland.

M 1.

chimöiM Aiekchen.

Eine neue Geschichte des Majors.

Von

Hans Hopfen.

eine erste Liebe? .... Himmeltausendschockschwere- not! .... Aber ein schneidiges Mädchen war's, das weis; Gott!" rief der Major nnd lachte, daß die blanken Zähne unter dem roten Schnauzbart sichtbar wur­den. Dann blieben die streichelnden Finger über dem Schnurr­bart wie in Erinnerung entgeistert starr stehen, während die blauen Angen in eine weite, weite Ferne hinauszusehen nnd liebliche Gestalten in paradiesischen Gefilden, frend- und leid­volle Herzen in einer Welt von Schäumen und Träumen, ver­lorenes Glück und wiedergewonnenen Frieden zu erblicken schienen.

Eine Zeitlang bewahrten wir jungen Dächse um ihn herum ehrerbietiges Schweigen. Ein jeder hatte das Gefühl, es ginge, durch ein zufällig ausgesprochenes argloses Wort beschworen, jetzt etwas wie ein heiliges Berühren über die Saiten seiner Seele, darein sich der rauhere Klang unserer Nachtischlanne nicht cinmischen und unsere weinfrohe Stimmung keine Disso­nanz Hervorrufen dürfte. Kein Wort fiel, kein Glas wurde gehoben, kein Stuhl gerückt, bis er selbst den Bann, der aus einer besseren Welt ihn anwehte, mit kurzem Auflachen nnd mit den wenigen Worten brach:Es war zu toll!"

Dann sah er uns, ich will nicht sagen, mit feuchten, aber doch mit seltsam glänzenden Augen an und fügte hinzu:Erz­toll, hirnwütig, unglaublich! Aber doch schön, sehr schön!"

So erzählen Sie doch, wie's gewesen und wie's dabei zugegangen ist, Herr Major!" riefen wir alle wie ans einem Munde, und jetzt knarrte der Estrich von nühergerückten Stüh­len, ächzte der Tisch unter den herangeschobenen Gläsern, und dichter kräuselten sich die Rauchwölkchen unserer Cigarren um das heitere Haupt empor, das lächelnd auf uns hin und her blickte, die wir es bittend und drängend umgaben.

Herr Major, Herr Major,

Wir sind schon wiederum ganz Ohr!"

sangen die jüngeren nach bekannter Melodie, während die er­probte Kommandostimme eines höheren Stabsoffiziers gebie­terisch aufmnnternd dazwischen schmetterte:Na, liebster Herr Oberstwachtmeister, heraus mit der Geschichte; wie war's denn mit Ihrer allerersten Liebe, mit dem kleinen Kopf jener Riesen­schlange, deren Ende noch heute gar nicht abzusehen ist? Da­von haben Sie uns ja noch nie ein Sterbenswörtchen erzählt."

Es ist auch nicht ganz leicht, diese Aventüre zu erzählen," sagte der Major.Ich habe selber, wie ich eben merke, be­trächtliche Zeit gar nicht mehr daran gedacht. Aber so un­scheinbar war das Köpfchen der Riesenschlange doch nicht, wie der Herr Oberst meine bescheidene Liebschaftenreihe zu nennen beehren. Im Gegenteil, ganz beträchtlich nnd mit Zähnen scharf bewaffnet und mit einem funkelnden Krönlein auf dem Scheitel, das Blitze warf wie das einer Königin aus dem Mürchenlande."

Wetten, daß es ein Freiherrn-Krönchen war," rief einer ans dem Hintergründe der Gesellschaft, der zu des Majors

Intimen gehörte nnd etwas von der alten Geschichte wissen mochte.

Ach, Du vorlauter Schwerenöter," antwortete der Major.

Der andere aber drängte sich vor und sagte scherzhaft leise nnd die Hand wie um den Schall der Stimme ab- zudümpfen vor dem Munde:Kinder, ich könnte Euch das schaurig-süße Geheimnis verraten; die Pointe dieser Geschichte vor ihrer Entwickelung nnd Katastrophe preisgeben. Aber ich will nicht so grausam sein nnd nur soviel ansplandcrn, daß seine damalige erste Liebe heutigentags als die frommere Hälfte eines kommandierenden Generals über ihren Eheherrn und einen Teil seiner Division einen furchtbaren Pantoffel schwingt."

Ein allgemeines Gebrüll beantwortete diese Enthüllung. Alles lachte und schrie durcheinander, und einige thaten der­gleichen, als wollten sie vor einer Erzählung, deren Heldin eine so streitbare Matrone wäre, ihr Heil in schleuniger Flucht suchen. Natürlich blieben sie gleich darauf erst recht sitzen, als der Major in den Haufen rief:Habt Euch doch nicht so! Der Teufel war auch einmal jung und da hieß er Lncifer nnd war ein Engel des Herrn, strahlend in Schönheit, Anmut und Selig­keit, und hatte Gewalt über die Menschei;, die nach ihn; schmach­teten .... und das wie!"

Da war aber einer," rief der Spötter dazwischen,der fing sich den Engel ein und degradierte ihn zunächst zu einem menschlichen Wesen, indem er ihn unter die sogenannte Haube brachte, worunter bekanntlich alle Cherubim nnd Seraphin; das Irdische kriegen und manchmal dazu; Paar Hörnchen znm Stoßen und Krallen zun; Kratzei;, Greifen nnd Würgen."

Der Major zuckte mitleidig die Achseln und sagte ge­lassen:Und wie haben wir den Main; um diese Frau beneidet! Ich weiß nicht, ob sie schön war. Mir kam sie jedenfalls wunderschön vor. Bildhübsch war sic gewiß, das sagte die ganze Stadt, und dabei von herzgewinnenden; Liebreiz und unwiderstehlicher Anmut.

Die Tenfelstatze, von der Du dort hinten, lieber Freund, soviel Aufhebens machst, war damals ein allerliebstes Sammet­pfötchen, von dem man sich gerne streicheln und unter Umständen auch schon was gefallen ließ. Etwas wie Teufelskrallen waren freilich schon damals daran zu spüren. Das will ich nicht nur nicht leugnen, sondern, wie mich diese süßen Krallchen so er­bärmlich znrichteten, das soll ja eben meine heutige Geschichte Euch zu Gemüt führen, wenn's gefällig ist.

Es war wirklich meine erste Liebe. Solang ich mich erinnern kann, war ich der kleinen Seraphine zngethan. Wir waren gewisserinaßen miteinander verwandt, wenn schon ent­fernt. Cousin und Cousine L 1a nrocks cks LretaZne. Wir wuchsen miteinander auf. Ich war ein wilder Junge, nnd sie gab mir, weiß Gott, nichts nach. Wir spielten miteinander, wir prügelten uns, wir versöhnten uns, eins heftiger als das andere, und als wir in die Jahre kamen, wo Gott Amor zu»; erstenmal unsere Flügel hebt, da waren wir ineinander verliebt und bildeten uns ein, daß es immer so gewesen wäre nnd in alle Ewigkeit also bleiben würde.

Kurze Zeit darauf, mitten in der süßsanren Entfaltung unserer Herzen, wurden wir znm erstenmal in; Leben getrennt. Seraphine ward, um ihre Bildung zu vollenden, in ein fran­zösisches Pensionat, in die Schweiz gebracht. Ich ward, nach einigen Scharmützeln mit der hochwohlweisen Prüfungskommis-