Heft 
(1889) 03
Seite
46
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Deutschland.

3.

ihm bis ans Lebensende tren gebliebene Jugendliebe, darüber gewähren meineGeibel-Denkwürdigkeiten" Aufschluß.

Das dritte Gedicht ist datiert Oktober 1839 und betitelt Das Sonett:

Ihr Dichter, hütet Euch vor dein Sonette Und schließt dem feinen engen Gast die Thüren:

Gelang es einmal ihm, sich einzuführen,

So weiß man kaum, wie man sich vor ihm rette.

Das Bürschchen kam zu mir mit güldner Kette,

Im seidnen Wams, verbrämt mit reichen Schnüren,

Auch lies; sich gleich sein artig Wesen spüren Am Spitzenkragen und am Sammtbarette.

Doch nun als Italiener eifersüchtig,

Verlangt er, ich soll ihn und ihn nur lieben,

Und alles andre schilt er fad' und flüchtig.

Drei Wochen ist er jetzt bei mir geblieben,

Und war' er wirklich nicht zu manchem tüchtig,

Ich hätt' ihn längst schon mit Gewalt vertrieben.

Damals machte Geibel seine Jnselreise im Ägäischen Meere, gemeinsam mit Cnrtins, und bediente sich eifrig der Form des Sonettes. Auch Distichen stammen ans derselben griechischen Zeit, 1839. Das Wesen des Sonettes ist hier hübsch und launig charakterisiert; wie ganz es unter Umständen den Dichter zeitweilig beherrschen kann, hat auch Goethe an sich erfahreil.

Ehe wir Emannel Geibel Escheberg wieder verlassen sehen, möchte ich noch an einem Beispiel darthnn, in welchem Maße er dort den Mittelpunkt bildete. Znm Geburtslage des Frei­herrn, am 23. September 1841, verfertigte Klara von der Mnlsbnrg in Kassel eine Federzeichnung, die sinnig die Haupt­abschnitte des Lebens ans Escheberg behandelt. Ölzweige und Weinranken teilen, ans Arabesken emporwachsend, das Bild in verschiedene Felder. Unten sitzt die hochbetagte Ahnin Hen­riette von Heintze im Lehnstuhl, ihren geistvollen Kopf mir den Hellen Angen ans die rechte Hand gestützt, als ob sie just den ans Lilien und Rosen hervorlngenden Müdchenköpfen er­zählt, vielleicht von Goethe und Schiller, die sie einst in Wei­mar und Jena kennen gelernt. In den Lüften tanzen Elfen. Oben kniet Polyhymnia, von lorbeergeschmückter Lyra, Album und einem lichtstrahlenden Kreuze umgeben, im Begriffe, auf eine BücherrollePoesie. Auflage ..." zu schreiben, zur Seite bläst ein Engel in die Posaune. Dies bezieht sich auf den Gast und die von ihm vorbereitete zweite Auflage seiner Lieder. Er selbst ist zweimal nbkonterfeit, links hochaufgerichtet zur Guitarre singend, während unter ihm Engel ans Weinfässern reiten und Rebensaft trinken; rechts mit Fes und Schlafrock am Kaffeetisch­chen sitzend, im Munde die lange Pfeife, ein Buch ans dem Schoße; darunter eine Skizze des Schlosses mit Wald und Hü­geln, am Wege der kleine Baron Otto als Steinklopser, eine An­spielung auf die freiherrlichen Chausseebauten und ein dies Thema betreffendes Geibelsches Gelegenheitspoem.

Am 8. Juni 1842, noch in Escheberg, trug Geibel der Nichte Adelheid von Baumbach folgenden Spruch nach Byron ins Stammbuch:

Wenn Du den Blick ans dieses Blatt einst senkest,

Bewacht' es still, als wäo's mein Leichenstein;

Und mild, wie Du der Toten sonst gedenkest,

Gedenke mein!

Er sah Schloß Escheberg nur noch einmal wieder, als er im Jahre 1844 zu kurzer Rast dort weilte. Wohl aber blieb er in Verbindung mit dessen Bewohnern. Als die Freundin Adelheid im Herbst 1844 Lübeck besuchte, traf sie dort nur des Dichters Vater, den poetischen Pastoren, der ihr nach­stehende Verse znm Geleit gab:

Wahrheit kommt vom Himmel nieder Auf des Lebens öden Strand,

Bringt auf sonnigem Gefieder,

Kunde her von bessern; Land,

Facht der Sehnsucht heilig Feuer Uns in; tiefsten Busen an.

Da erwacht ein Geist, ein neuer,

Der sich selbst nicht fassen kann.

Er durchbricht das enge Leben,

Das ihn noch gefangen hält:

Wunderbare Arme heben Ihn in eine Wunderwelt;

Töne, die er nie vernommen,

Dringen in sein Leben ein,

Herrliche Gestalten kommen Glänzend wie der Sonnenschein.

Und der Borwelt Geister gehen Liebend zum Entzückten hin,

Lehren einfach ihn verstehen Der Natur geheimen Sinn.

Und ihn; sinkt der Zukunft Schleier,

Und prophetisch wird sein Wort;

Näher strebt der Geist und freier Zn dem Quell des Lebens fort.

Willst Du dieses Wunder schauen?

Gieb in Demut nur Dich hin;

Kämpf' und dulde mit Vertrauen,

Und verkläret wird Dein Sinn.

' Wahrheit wird sich mit Dir einen,

^ Gotteskraft in Glück, in Not;

? Blumen blühen dann aus Steinen,

! Und verschwunden ist der Tvd.

! Mit diesem Liede, des ich schon vor mehr denn

vierzig Jehren gesungen habe, empfehle ich mich ! Ihrem freundlichen Andenken nnd Ihrer Liebe.

Lübeck, 5. Oktober M44.

Johannes Geibel.

! Wie zündend übrigens die Erinnerung an die Escheberger Tage bei Emannel Geibel, trotz seiner fortschreitenden Leiden nnd zunehmenden Jahre, wirkte, das sollte die Freundin noch persönlich erfahren. Im Sommer 1872 feierten beide nach dreißig Jahren ein Wiedersehen im Ostseebade Travemünde, lind mehr wie beglückend war der Anstatisch der Gedanken

und Gefühle. Lebendig traten all die Gestalten ans ihrer sonnigen Jugend vor das geistige Auge, die längst zur ewigen Ruhe eingegangen waren, es aber verstanden hatten, Heil lind Segen nm sich zu verbreiten.Manch heiterer Scherz, froher ! Einfall und harmloser Witz, der in Escheberg geboren, floß ! wieder von unseren Lippen, als läge keine Zeit zwischen da- l ninls nnd jetzt."

Der alternde Poet wünschte ein Jngendbildnis der Hen­riette von der Malsbnrg, die mittlerweile längst an einen

Grafel; von Holnstein Vermählte, wiederzuschauen, das, von Fräulein van der Embde in Kassel gemalt, das lieblichste rosen- wangige Gesichtchen mit blonden Ringellocken nnd schöner Büste zeigte. Die Besitzerin Adelheid ließ eine große Photographie

dieses Ölbildes Hersteilen, nnd Geibel dankte ihr dafür am

6. Juni 1878 mit folgenden Zeilen:Haben Sie tausend Dank, teure Freundin, für Ihren lieben Gruß und für die freund­liche Sendung, durch die Sie mir einen alten Herzenswunsch erfüllt nnd eine große Freude bereitet haben. Ich finde das Bild auch in dieser Gestalt vortrefflich nnd vermisse die Far­ben kaum. Zuerst konnte ich mich gar nicht daran satt sehen: ich fühlte mich wie durch Zanberschlag in die köstliche Esche­berger Zeit zurückversetzt, nnd es kam wie ein warmer Strahl von Jngendglück über mich. Ach, das Alter hofft ja ans keine irdische Zukunft mehr, seine Gegenwart wird von Tage zu Tage einsamer, nnd fast alle seine besten Schütze liegen in der Erinnerung. . . . Darf ich Sie bitten, sich das beifolgende Buch als bescheidene Gegengabe freundlich gefallen zu lassen? Es ist die jüngste Sammlung meiner Gedichte nnd wird auch wohl d;e letzte bleiben, da mein Zustand sich leider fortwährend verschlimmert und das schadhafte Instrument keinen reinen Ton mehr giebt. . . . Den Eschebergern meinen herzlichsten Glück­wunsch zum eröffnten Ausblicke iu die Zukunft! Ans Daniella bin ich sehr begierig. Sie wissen ja, wie hoch ich die dichte­rische Kraft und die ernste Gesinnung der Verfasserin schätze. Seien Sie von ganzem Herzen gegrüßt und bewahren Sie auch ferner Ihr freundschaftliches Andenken Ihrem alten Ema- nuel Geibel. . . . Wie furchtbar mich der neue unerhörte Fre­vel in Berlin* erschüttert hat, können Sie denken. In welchen ! Zeiten leben wir? Möge es Gott gefallen, in seiner Gnade das Äußerste abzuwenden nnd uns das Leben des geliebten Kaisers zu erhalten 9'

* Das Nvbilittgsche Attentat auf Kaiser Wilhelm I.