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Deutschland.
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wenden. Als Iwan Samailowiez 1687 entsetzt wurde, wachte ihn die Negierung zum Hetman Kleinrnßlands, aber auch eine freie Wahl des Volkes wäre nicht anders ausgefallen. Es war eine überaus schwierige, ja von vornherein fast unmögliche Stellung; nach des Zaren Tendenz sollte der Hetman nur sein Statthalter, das wichtigste Werkzeug des Einzelstantes, nach des Volkes Anschauung die Verkörperung und der Hüter der Autonomie sein; verdarb er es mit dem Zaren, so wurde er abgesetzt, verwirkte er das Vertrauen des Volkes, so waren nur ein, durch die Staatsgewalt ans seinem Posten erhaltener „Knecht," dessen Stellung in dieser unruhigen Provinz eine überaus Peinliche war, und der zudem gewärtigen mußte, bei der ersten Gelegenheit, wo man dem Volkswillen eine scheinbare Konzession machen wollte, fortgeschickt zu werden. Es war, wie sich ein kirchlicher Chronist drastisch ansdrückt, „ein Amt, schlimmer als das Fegefeuer, denn die Qualen sind gleich groß; aber durch jenes wird die Seele gelautert, während sie hier verdirbt." Freiwillig, fügt er hinzu, werde dies niemand erdulden. Mazeppa ist mehr als zwanzig Jahre lang der Hetman Kleinrnßlands gewesen; schon die bloße Thatsache beweist ein seltenes diplomatisches Talent; aber noch mehr: er ist fast die ganze Zeit über vom Zaren und vom Volke gleich geschützt, ja als unentbehrlich betrachtet worden. Daß dies ohne „Verderbnis der Seele," Lug und Trug nach oben und unten, nicht abging, ist selbstverständlich; betont muß jedoch werden, daß Mazeppa in seinen Mitteln und Zwecken nicht unmoralischer war, als jeder andere Staatsmann seiner, Wohl auch — viel späterer Zeiten. Die gefährlichste Klippe wußte er dadurch zu umschiffen, daß er immer zur Zeit, da ein nener llkas erschien, entweder außer Landes war oder den Zaren durch die Vorstellung, daß dies die Autorität des Staates stärke, bewog, seine Weisungen direkt, durch moskowitische Truppen, gleichsam über des Hetmans Kopf hinweg durchführen zu lassen; so entging er dem Dilemma, ungehorsam oder dem Volke verhaßt zu werden. Das letztere wußte er sich durch möglichst geordnete Rechtspflege und Verwaltung, durch persönliche Übung nationalen Brauchs, die Regierung durch Gehorsam in kleinen Dingen, durch Anfrechthaltnng der Ruhe geneigt zu machen: beiden imponierte er durch seine machtvolle Persönlichkeit, durch seine Verdienste als Diplomat und Feldherr in den Kriegen gegen Türken, Tataren und Polen. Es ist kein Zweifel, daß er, der seine Provinz so erfolgreich gegen den äußeren Feind verteidigte, auch manche Unbill ihres Herrschers von ihr hatte abwenden können; wenn er dies unterließ, so geschah es nicht bloß aus Vorsicht, sondern weil es ihm in die eigenen Pläne Paßte, daß das Volk an „Disciplin" gewöhnt und insbesondere der Trotz der Kosaken gebrochen werde. Denn wie parteiisch auch die Darstellung sein mag, welche russische Historiker, so namentlich Solowjew, von Ma- zeppas Politik entwerfen, — den Beweis, daß er sich schon früh mit „hochverräterischen Plänen" getragen, haben sie erbracht. Was dem hochherzigen, selbstlosen Chmelnicki mißlungen, wollte er durchführen: die Begründung eines unabhängigen kleinrussischen Staates, in welchem er nicht, gleich Chmelnicki, der «prirmm iator pare^» sondern der absolute Herrscher sein wollte. Daß dies nur durch auswärtige Hilfe geschehen könne, war ihm klar; er suchte Fühlung mit den Nachbarn. Der diplomatische Hexenmeister, welcher gleichzeitig dem Zaren als Bändiger der Kleinrnssen, diesen als ihr Hort zu erscheinen verstand, brachte es auch fertig, von Peter dem Großen als Schwert Rußlands gerühmt und von Polen und Tataren als ihr heimlicher Bundesgenosse betrachtet zu werden. Lange währte dies Doppelspiel, weil Mazeppa ganz sicher gehen wollte; als im Herbste 1707 der Aufstand unter Bu- lawins Führung seinen Höhepunkt erreicht hatte und Karl XII. von Sachsen her als Bundesgenosse des von ihm eingesetzten Polenkönigs Stanislaus Leszczinski gegen Moskau heranzog, hielt es der Hetman Wohl an der Zeit, auch ein formelles Schutz- und Trntzbündnis mit Polen und Schweden zu schließen; aber zur Thal war er noch nicht zu bewegen, und ließ darum auch die flehentlichen Bitten der Aufständischen, sich an
ihre Spitze zu stellen, unberücksichtigt, zuletzt noch im Juni 1708, als Karl XII. bereits bei Mohilew stand. Man darf getrost anssprechen, daß die Stunde, in welcher Mazeppa dem Flehen der Kosaken dieses „Nein" entgegensetzte, von welthistorischer Bedeutung war; denn wer den Volkscharakter kennt, wird nicht daran zweifeln, daß es dieser Moment war, in welchem sich das politische Geschick Kleinrnßlands für immer entschieden hat. Mazeppa zögerte, weil er nbwarten wollte, ob Peter den Anmarsch Karls XII. anfhalten könne, zögerte, weil ihm die Gebote der Vernunft alles, jene der nationalen Empfindung nichts bedeuteten, weil es für seinen Kalkül wenig galt, „ob einige tausend Kosaken mehr oder weniger ans der Welt seien." Hätte er sich damals zur That entschlossen, sein ganzes Volk wäre ihm begeistert gefolgt, und dann wäre auch die Entscheidungsschlacht zwischen Peter und Karl XII. anders ausgefallen, — die Folgen sind kaum zu ermessen. So aber gewann Rußland Zeit, den Aufstand zu erdrücken, und als Karl XII. kaum vier Monate darauf den Boden Kleinrnßlands betrat und gleichzeitig Mentschikow im Aufträge Peters herbeieilte, um Mazeppa, dessen Verrat notorisch geworden, gefangen zu nehmen, als der Hetman nun endlich handelte, mit etwa 7000 Alaun zu Karl XII. stieß und gleichzeitig (22. Oktober 1708) sein Manifest an das Volk erließ, daß die Stunde der Besreinng geschlagen, da war es zu spät: nicht weil es nun „einige tausend Kosaken weniger" gab, sondern weil die Nation nun für seine Stimme taub war, wie er einige Monate vorher für die ihrige. Mit Granen wurde er gewahr, wie nur wenige, seinem Rufe folgend, zu den schwedischen Fahnen stießen, ein Teil apathisch blieb, ein anderer sogar fiir den Zaren Partei nahm. „Selbstmörder!" schrie er ans — und es steckt viel Wahrheit in diesem Verzweiflnngsschrei. Was dieser Einzelne im Übermaß besaß, nüchternen politischen Verstand, daran war sein Volk von je sehr arm: dafür ist dieser Augenblick der deutlichste Beleg. Als an jenem Jnnitage von 1709 bei Poltawa hüben und drüben Kleinrnssen unter Waffen standen und Peter mit Hilfe der Donschen Kosaken die Reiterscharen Mazeppas schlug, da wiederholte sich nur eine traurige Erscheinung in der Geschichte dieses Volkes; der Bruderzwist hatte einst auch den Mongolen den Sieg gesichert und später das Volk so sehr geschwächt, daß es sich unter Chmelnicki die Freiheit nicht mehr ans eigener Kraft dauernd zu erringen vermochte. Mit Mazeppa, der am 22. September 1709 ans fremder Erde starb, sank auch der Traum von einem kleinrnssischen Staate für immer ins Grab. (Schluß folgt.)
Die erste Entscheidung über das Uationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I.
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Wrarno Meyer.
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„Die Konkurrenzen sind das Palladium unseres Standes!" so schrieb vor Jahren die „Deutsche Bauzeitnng," als das, Organ der deutschen Architekten- und Jngenienrvereine; und das neueste Ereignis auf dem Gebiete scheint ihr in gewissem beschränkten Sinne recht zu geben. Denn in der Konkurrenz um das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm hat, dank dem Ausfall einer öffentlichen Wettbewerbnng, die' Architektur — wenigstens vorläufig — gesiegt. Ob es aber irgend einen allgemeineren Standpunkt giebt, von dem dieser Sieg mit Freude betrachtet werden könnte, das dürfte kaum zweifelhaft sein, sondern dreist und rund verneint werden müssen. Namentlich von jedem nicht handwerklich geschäftlichen, sondern wirklich künstlerischen Standpunkte ans stellt sich der Verlauf dieser Ver- suchskonknrrenz leider nur wieder als ein neuer schlagender Beweis dafür dar, daß das Konkurrenzenwesen als ein „Palla-