Heft 
(1889) 03
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Deutschland.

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dium" des Künstlerstandes überhaupt nur betrachtet werden kann, wie die Kette als Palladium des Sklaven, oder der Na­senring als Palladium des Tanzbären. Wenn sich schon aller ernsten Freunde der Kunst und aller aufrichtigen Teilnehmer an dieser Denkmalsidee angesichts der eröffneten Ausstellung eine nur gelegentlich von uuerwehrbaren schüttelnden Heiter­keitsnusbrüchen unterbrochene Niedergeschlagenheit bemächtigte, so hat der Ausspruch der Jury, soweit er ohne Veröffentlichung der Motive die zur Zeit noch nussteht und wer weiß ob je erfolgt verständlich ist, die vollständige Ergebnislosig­keit der Konkurrenz besiegelt, und es gilt, aus dem Schiff- brnche dieser unberechenbaren Masse von künstlerischer Arbeits­kraft zu retten, was zu retten ist, wenn das auch leider fast ausschließlich negative Erfahrungen sind.

Der Mißbrauch mit den Konkurrenzen hat es dahin ge­bracht, daß man sich jetzt möglichst jeder vorbereitenden Mühe überhebt lind irgend einen Gedanken in seiner nllerkeimhaftesten Urgestalt den Künstlern als Köder hiuwirft, um so vielleicht, wenn auch noch lange nicht zu einer passenden Verwirklichung, doch zu einer bestimmteren Fassung des Gedankens zu gelangen. Im vorliegenden Falle war dieser Zweck der Preisausschrei­bung mit aller wünschenswerten Offenheit ausgesprochen wor­den. Man wollte insbesondere über die Platzfrage ins klare kommen, lind dann auch darüber, in welchem Umfange etwa auch die Baukunst zur Lösung der großen Aufgabe mit heran­gezogen werden könne und müsse. Jedoch schon die Künstler scheinen die Vorläufigkeit dieser Fragestellung nicht scharf ge­nug beachtet zu haben. Die Platzfrage haben sie ja meist in dem Sinne beantwortet, daß sie bei sehr breit angelegten Plänen einfach nach dem weiträumigsten Platze gegriffen haben, oder daß sie bei bescheideneren Entwürfen den Salomonischen Be­scheid erteilt haben, man könne das Denkmal hinstellen, wo man wolle. Die Hindeutung aber auf die mögliche Mitwirkung der Baukunst hat selbst die bedeutendsten konkurrierenden Bild­hauer zu baukünstlerischen Überschwenglichkeiten verleitet, deren traurigster Erfolg der ist, daß die Ausstellung der Entwürfe in erster Linie dieser unvergleichbaren Aufgabe gegenüber einen vollständigen Bankbruch der Plastik in die Erscheinung treten läßt. Und nun hat die Jury das Ziel der Ausschreibung an­scheinend noch weniger fest im Auge zu halten vermocht. Die Platzfrage ihrer Lösung entgegenzuführen hat sie kaum erstreb:; denn sie hat sich Lagen des Denkmals gefallen lassen, die in der Preisausschreibung gar nicht zur Auswahl gestellt waren; und wenn z. B. kein Plan für die Schloßfreiheit vor ihren Augen Gnade gefunden hat, so kann sie dafür nicht einmal auf allgemeinen Beifall rechnen.

Das abgegebene Urteil, welches die beiden ersten Preise rein architektonischen Entwürfen, die vier zweiten solchen mit iiberwiegender Architektur und zum Teil fast dürftiger Gestal­tung des Denkmals selber zugesprochen hat, erklärt sich leicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß aus bureaukratischen Ge­pflogenheiten in die Jury eine sehr starke Beimischung des Laienelements gekommen ist. Das Urteil von Laien aber ist gegenüber von architektonischer: und plastischen Entwürfen meist zu Gunsten der ersteren bestochen. Ünsere heutigen Architekten empfangen einen so sabelhaften Drill in der zeichnerischen Dar­stellung, und sind an solch unerhörten Aufwand in Zahl und Durchführung der zu einem Plane gehörigen Zeichnungen ge­wöhnt, daß eine nur einigermaßen lebensfähige baukünstlerische Idee fast immer in einem bestechenden äußeren Gewände auf- tritt. Dagegen können unsere Bildhauer nicht zeichnen. Es kann dreist behauptet werden, daß wir heute keinen einzigen Bildhauer in Deutschland haben, dessen Handzeichnungen nach fünfzig Jahren noch, wie die des alten Schadow, mit Bewun­derung betrachtet und zur Freude eines nachgeborenen Ge­schlechtes zur Vervielfältigung gelangen werden. Damit können sie also ein Laienauge nicht gefangen nehmen. Ihre plastischen Skizzen aber sind der Natur der Sache und der Gewohnheit nach wenig ausgeführt. Der kleine Maßstab würde einen un­erschwinglichen Aufwand von Arbeit erfordern, und der Zweck, für den der Bildhauer seine kleinen Modelle macht, wird für

ihn trotz der flüchtig hingeworfenen Einzelheiten genügend er­reicht. Letztere bleiben der endgültigen Ausführung Vorbehalten. Was hierbei aber erst in die Arbeiten hineinkommt, sieht der Laie aus der rohen Skizze nicht heraus. Ja, er wird viel­leicht durch eine einzelne Unfertigkeit, wie z. B. eine fehlende Bildnisähnlichkeit, von vornherein abgeschreckt, ohne überwäl­tigender Schönheiten im Grundgedanken oder im Gesamtaufbau auch nur zu achten.

Nun kommt bei dieser Preisbewerbung noch etwas hinzu. Die Preisrichter sind besonnene, gebildete Männer, welche dieser Denkmnlsnngelegenheit mit ganz anderen Anschauungen gegeu- überstehen, als sie sich leider! bei unserer Künstlerschaft gezeigt haben. In dieser hat mau so lauge über die altfrän­kische Thorheit, daß ein Kunstwerk auch eineIdee" haben solle, gelacht, daß, wenn's nun einmal auf ein Werk ankommt, in dem schlechterdings eine Idee ausgeprägt werden soll und muß, die Ratlosigkeit erschreckliche Verhältnisse und das Haschen nach Auskunftsmitteln einen komischen Anstrich annimmt. Wir haben es ja schon bei dem jüngsten Nationaldenkmal in Berlin erlebt, daß man dieMonumentalität" dadurch erzwingen zu können glaubte, daß man einfach unter einen burlesken Entwurf zu einem Cigarrenstünder von drei Fuß Höhe statt 1 : 1 den Maßstab 1 : 70 schrieb. Was Wunder, daß auch jetzt der großen Aufgabe gegenüber zuerst das Auskunftsmittel der räum­lichen Größe ausgespielt wurde. Daß mit demselben Scharf­sinn, der dazu gehört, Arkaden und Hallen vom Brandenburger Thor bis an die Siegesallee zu führen, dasselbe Kunststück auch bis nach Charlottenbnrg oder Spandau hin geleistet werden kann, kommt den Herren nicht in den Sinn, und sie glauben schon ein übriges anIdee" geleistet zu haben, wenn sie an den fünf, zehn, zwanzig oder dreißig Pfeilern, Bogen, Fenstern, Pavillons oder was es sonst ist, eine entsprechende Anzahl Wappen, Bildnisstatueu, Wasserlüufe oder andere Geistreichig- keitenprojektiert" haben. Daß eine solche Anlage als Ganzes einen gewissen sofort erkennbaren Sinn haben muß und nicht aus aneinander gereihten Gerneinplätzen bestehen darf, die ganz ebenso gut zur Einhegung eines Schützenplatzes paßten, ist hier augenscheinlich ein ganz fremdartiger Gedanke gewesen. - Da­gegen hat die Jury Protest eingelegt. Sie hat sich von allen hohlen Breitspurigkeiten nbgewendet, wie anmaßend oder be­stechend sie auch auftraten; und dafür gebührt ihr unbedingte Anerkennung, mag man sonst auch über manches rrrit ihr zu rechten haben.

Versuchen wir nun in Kürze, aus den Preiszuteiluugeu selber zu lernen.

Der erste PreisKaiser und Reich," Architekten Wilh. Rettig und Paul Pfann in Berlin, stellt einen mächtigen Doppelküppelbau mit Flügelnnbnuten an die Stelle des Kroll- schen Etablissements.

Nur zwei der preisgekrönten Entwürfe - - dies möchte ich hier einschaltend feststellerr und festhalteir - greifen der: heu­tigen baulichen Besitzstand Berlins au; und zwar beseitigt der eine (wozu nicht einmal zwingende Notwendigkeit vorliegt, und nachher noch einige Worte zu sagen sinds ein paar künstlerisch modellierte Privatgebüude neben dem Brandenburger Thor, der vorliegende ein freilich ungern entbehrtes volkstümliches Bari­werk, von dem es sich aber doch erwarten läßt, daß es heute oder später wird vom Erdboden verschwinden müssen, damit au seiner Stelle irgend einem öffentlichen Zwecke Genüge geschehen kann. Es ist in der That unerheblich, bei welchem Anlaß das geschieht. Soweit also die Jury sich die Entwürfe sozu­sagen augeeignet hat, ist eine durchaus verständige Maßhaltig­keit in der Vernichtung des Bestehenden bewiesen und einer der verehrungswürdigsten Tugenden des verewigten Herrschers, seiner Pietät, gebührende Rechnung getragen. Ich möchte mich be­rechtigt halten dürfen, hierin ein festes Ergebnis dieses erster: Wettbewerbes und seiner Entscheidung zu sehen, so daß Berlin vor den ihm von den meisten Bewerbern zugedachten geradezu horribeln Hausmannisierungen sich sicher glauben könnte. Das ist wirklich der Mühe wert. Denn welches cäsaren- haften Hochmutes und welcher barbarischen Verständnislosigkeit