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Deutschland.
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dabei deutsche und wohl gar Berliner Baukünstler fähig sind, geht ins Unglaubliche. Zwei Stellen, die besonders charakteristisch sind, verdienen es, ans dem Versteck der Begleitschriften hervorgeholt und an dieser Stelle „niedriger gehängt" zu werden. Eine beseitigt schlankweg das Universitüt'sgebünde, „dessen teilweise Schönheiten der Verfasser nickck verkennt, wenn er auch nicht blind ist gegen eine gewisse, dem Gebäude ausgeprägte Langeweile." Ein anderer schreibt: „Selbst Schinkels begeistertste Anhänger können den Kasten (!) der Bauakademie trotz aller unübertrefflich feinen Einzelheiten (hier fehlt im Originale: nicht) dafür bestimmt glauben, in alle Ewigkeit einer freien Entwickelung der Altköllnschen Dinge ungeschlacht (!!) im Wege zu stehen." Er erbaut ans ihren Trümmern bei dieser günstigen Gelegenheit nebenher eine Hofkirche! Was sagt Friedrich Adler zu dieser indirekten Kritik seines liebevollen und feinsinnigen Schinkelfest-Vortrages?! —
Nach dieser kurzen — gewiß sachgemäßen — Abschweifung nun zu „Kaiser und Reich" zurück! Dieser rein architektonische Entwurf, welcher in der Darstellung mit der Gediegenheit und Sorgfalt behandelt ist, die man von einem so erprobten und sieggewohnten Baumeister wie Rettig und von hervorragenden Mitarbeitern am Reichstagsbau erwarten kann, dürfte gleichwohl seine Auszeichnung an erster Stelle weniger seinem baukünstlerischen Verdienst, als einer mit demselben verbundenen poetischen Idee verdanken. Im Hnuptgeschosse des von der Toppelknppel überragten Raumes ist nämlich das Reiterbild des Kaisers ausgestellt, und vor demselben öffnet sich in weitem Rund, an den Invaliden-Dom in Paris erinnernd, ein Untergeschoß, in welchem gerade unter dem Kaiser Wilhelm der alte Barbarossa mit dem durch den Tisch gewachsenen Barte und bei ihm der Knabe, der ihm — lebhaft nach oben deutend — die Lösung des alten Bannes kund thnt, dnrgestellt ist. An den Pfeilern umher sollen unten Fürsten des alten, oben des neuen Reiches plastische Verkörperung finden. Nimmt man hinzu, daß in der Hanptzeichnung ein verklärender Strahl ans der Höhe durch die Knppelöfsnnng gerade ans das Kaiserstandbild fällt, so ist es leicht erklärlich, daß und warum gerade dieser Plan, der sich in geschmackvoller Ausstattung Präsentiert und sich voll allen thörichten Überschwenglichkeiten frei hält, besondere Gnade vor den Augen der Jury gefunden hat. Für den plastischen Teil der Aufgabe haben die Ürheber sich ans Andeutungen beschränkt, die eine ernste Berücksichtigung seitens der Kritik nicht heransfordern, da sie völlig unmaßgeblich sind, wie schon daraus hervorgeht, daß das Reiterstandbild des Kaisers in zwei ganz verschiedenen Formen, aber beide Male nur in kleinem Maßstabe flüchtig skizziert gegeben wird. Wollte man im Ernste darauf verzichten, den Kaiser, wie das wohl das Gefühl aller Vorurteilslosen bei einem nationalen Denkmale fordert, offen vor aller Angen im Freien hinzn- stellen, so könnte man sich an diesem Plane, der auch sehr wohl an anderer Stelle ausführbar wäre, ruhig genügen lassen. Doch für diesen Verzicht dürfte die öffentliche Stimme schwerlich zu gewinnen sein, selbst wenn es sich um ein viel bedeutenderes selbständiges baukünstlerisches Werk handelte, als das vorliegende in Wirklichkeit ist.
Es kann gar nicht nachdrücklich genug auf die Nichtberechtigung dessen Hingelviesen werden, daß in all diesen Entwürfen mit überwiegender Beteiligung der Baukunst das, was mir und wahrscheinlich den meisten mit und nach uns Lebenden als der Kern und die Hauptaufgabe des Ganzen erscheint, die Person des Herrschers in ihrer so oder so gestalteten monumentalen Erscheinung, zur Unbedeutendheit herabgedrückt wird, oft sogar erst gesucht werden muß, ja in himmelhoher, erdentrückter Ferne gar nicht erreicht werden kann. Es ist geradezu unverständlich, daß man einerseits geglaubt hat, auf einen Platz innerhalb der Stadt verzichten zu müssen, um das Denkmal der erdrückenden Konkurrenz der nächststehenden Gebäude zu entziehen — als ob der große Kurfürst und der alte Fritz von solcher „Erdrückung" bisher etwas gespürt hätten! — und dabei andererseits das Denkmal selbst sich in den ans- schreitendsten architektonischen Formen- und Mnst'enanhünfungen
ergehen läßt, neben denen der Koloß von Rhodos als Kinderspielzeug erscheinen würde. Vor diesem Mißgriff sollte man sich durch die augenfällige Belehrung dieses Wettbewerbes von vornherein bewahren lassen.
In diesen Beziehungen entspricht der zweite der ersten Preise „für Kaiser und Reich," Architekt Bruno Schmitz in Berlin, den natürlichen Anforderungen schon besser. Hier steht das Kaiserstandbild, verhältnismäßig einfach gestaltet, inmitten der architektonischen Umrahmung des Krenzungspnnktes der Charlottenburger Chaussee mit der Siegesallee, vor dein mächtig aufragenden Hanptftücke der Bauten.
Der Abschluß mittels der Kaiserkrone ist geschickt gemacht und von guter Wirkung. Der heilige Michael aber, in den — irre ich nicht — zuerst Kaulbach den deutschen Michel nach 1870 sich hat verwandeln lassen, dürfte minder annehmbar sein.
Auch hier hat augenscheinlich der „Vortrag" des Künstlers Glück gemacht. Der Entwurf ist wesentlich in zwei großen malerischen Ansichten vorgelegt, die sich durch eine geistvolle Frische und Flottheit in der Behandlung des Materials höchst vorteilhaft auszeichnen. Diese Darstellungsart erweckt den Eindruck ergreifender Umnittelbarkeit. Es ist, wie wenn die eilende Hand eine künstlerische Vision, die spontane Antwort ans die gestellte Frage, im Fluge festgehalten Hütte. Man deutle nicht das mindeste von dem hierin liegenden außergewöhnlichen Lobe weg. In der That macht kaum noch ein zweiter unter allen vorhandenen Entwürfen in seinem Ganzen so den Eindruck einer selbstthütigen künstlerischen Hervorbringnng; und wenn hier eine vorübergehende Festdekoration in Frage stünde, würde man unbedenklich sagen können: nur mit beiden Händen zngreifen! Aber da es sich um ein dauerndes Denkmal handelt, erscheint der Plan, trotz der Größe der Blätter, noch zu skizzenhaft verschwommen. Die überall verfängliche Frage, wie die Rückseiten derartiger Anlagen annehmbar zu machen sind, ist ungelöst geblieben, und der Urheber des Planes ist nicht in der Lage, irgend eine Gewähr dafür zu bieten, daß das Hanptstück des Ganzen, das Standbild des Kaisers, im Falle der Ausführung eine befriedigende Durchbildung finden würde.
An die Spitze der vier zweiten Preise hat das Jnrygnt- achten «vivos vooo» von Adolph Hildebrandt in Florenz gestellt. Der geniale Bildhauer hat ein dem römischen Pantheon ähnliches Knppelgebünde mit teilweise recht merkwürdigen Details konstruiert, innerhalb dessen der Kaiser in einer Wandnische thront. Dasselbe soll zur Seite der Charlottenburger Chaussee zu stehen kommen. — Der Mensch kann bekanntlich nicht alles wissen, und er wahrt sein Allsehen am besten, wenn er die Grenzen seines Vermögens selber eingesteht. Ich erkläre daher, daß ich nicht im stände bin, auch nur entfernt zu ahnen, welchen Eigenschaften und Erwägungen diese Auszeichnung ihren Ursprung verdankt, noch auch, was daraus für die Sache zu lernen wäre.
„Friede," von Karl Hilgers in Charlottenburg, legt das Brandenburger Thor frei, und stellt davor den Kaiser in Gardes-du-Corps-Uniform mit dem Lorbeerkranz ans dem helmlosen Haupte, das friedlich mit den: Wehrgehenke umwickelte Schwert in der Rechten haltend. Zu seinen Füßen, an der Vorderseite des Postamentes, setzt der „bewaffnete Friede" seinen Fuß auf den Nacken Alles dämonischen Ungetüms, das wohl die Zwietracht oder dergleichen bedeuten soll. — Die Auszeichnung dieses Entwurfes dürfte vor allem andereil in der vorgedachten Weise, als eine Huldigung, dem gesunden Menschenverstände dargebracht, aufzufassen sein; denn in der That ist es rühmlich und erquickend, im Gegensatz zu dem sollst sich meist überstürzenden Wust, einen Entwurf zu finden, der sich zu bescheiden versteht, und der mit klarer Sicherheit den Schwerpunkt dahin legt, wo er naturgemäß liegen muß, in das Kaiserbild. Als bedenklich mag an diesem nur erwähnt werden, daß der Kaiser den Pallasch in der Scheide an der Seite hängen hat, das friedenbedeutende Schwert also als sachlich überflüssiges Symbol mit sich führt. Es wirkt nicht sehr überzeugend, wenn der Kaiser ein expreß dazu präpariertes