Seite 56.
Deutschland.
Schwert außer Dienst stellt, seine eigentliche Wehr aber ganz reglementsmäßig zur Hand behält.
Gegen die vorgeschlagene Freilegung des Brandenburger Thores jedoch, ans welche sich der Beifall der Jury hoffentlich nicht mit erstreckt, wie gegen die mannigfachen anderen anf dem Papier demselben zngedachten Verunglimpfungen mnß rechtzeitig ein prinzipielles Veto eingelegt werden; es bekundet sich in all diesen Vorschlägen ein bedauerlicher Mangel an Sinn für Monumentalität und an künstlerischem Stilgefühl, wenn man es freilegen, beseitigen oder versetzen, oder gar in einen riesengroßen, plumpen Bogen einspannen will. Wenn einer der Wettbewerber dasselbe als für die Freilegung Prädestiniert ansieht und es auf eine Stufe mit den Triumphbogen stellt, so irrt er. Es ist seiner Entstehung, Bestimmung und Gestaltung nach ein Prachtthor einer mauerumfriedigten Stadt. Es hat ihm künstlerisch wehe genug gethau, als es durch das Fallen der Stadtmauer aus seinem natürlichen Zusammenhänge gerissen wurde; und man hat ihm einen Ersatz dafür — freilich übel genug — durch die augebauten offenen Säulenhallen zu geben verflicht. Das rettet wenigstens die Grundidee und den Gesamteindruck, und dabei lasse man es bewenden. Wird doch der Platz als solcher nicht größer, wenn man ihn neben dem Thore öffnet. — Au eine Ausführung ist wohl auch bei diesem Plane nicht zu denken, wiewohl dem geringere Bedenken als bei den vorerwähnten entgegenstehen würden. Als positives Ergebnis läßt der preisgekrönte Entwurf die Einsicht zurück, daß der Pariser Platz, wie er ist, für ein höchst würdiges Kaiserdenkmal sehr wohl ausreicht.
„Vom Fels zum Meer," von Fritz Sch aper in Berlin, unter Mitwirkung des Architekten Th. Ferb er, baut vor dem Brandenburger Thore eiuen pompösen architektonischen Hintergrund auf, vor welchem sich das Reiterstandbild des Kaisers anf einem Postamente mit vier allegorischen Gruppeil an den Ecken erhebt. Dieses Postament möchte etwas zu konventionell erscheinen; ein Vorwurf, der aber nur in dem Falle trifft, wenn das Standbild von der gedachten architektonischen Umgebung losgelöst werden sollte. Denn anderenfalls ermöglicht letztere noch eine ausgiebige Durcharbeitung des Gedankens. Ja, in dieser Richtung geht Schaper wohl zu weit, lvie es viele mit ihm gethan haben. Mancher hat geglaubt, man müsse lint Zuhilfenahme mich noch der Malerei „ein Stück Weltgeschichte" darstellen, wie einer der Konkurrenten dies auch als Kennwort gewählt hat, und man hat nicht bedacht, daß die künstlerische Darstellung sich gerade darin von der wissenschaftlichen unterscheidet, daß sie nicht die nüchterne Wahrheit, sondern den schönen Schein wiedergiebt. „So wird der deutsche Kaiser im einzelnen gemacht" — schließt der Soldat in den Laufgräben vor Metz die Schilderung seiner Leiden. Aber das ist nicht die monumentale Anschauung der Sache. In der Geschichte haben wir alle, soweit wir auf Zurechnungsfähigkeit Anspruch machen können, den naiven Standpunkt des Heroeukultus überwunden. Sobald wir aber künstlerisch mo- uttmentnlisieren wollen, ist er die einzige Form, unter der die weltgeschichtlichen Vorgänge greifbar sind. Und gar Pragmatik laßt man da besser zu Haus. Ich will mit demjenigen Künstler nicht streiten, der die Vorstellung zu haben scheint, daß dem siegreichen Kaiser lediglich der fromme Augennufschlag, mit dem Geibelschen „der Herr hat Großes an uns gethan; Ehre sei Gott in der Höhe" zngefallen sei, während Bismarck festen Schrittes sein Pferd am Zügel den rechten und sicheren Weg geführt habe. Aber dies, als Gruppe plastisch dargestellt, als nationales Ehrendenkmal für Kaiser Wilhelm auszugeben, ist denn doch eine der seltsamsten Verirrungen. Soweit ist nun freilich Schaper nicht von dem künstlerischen Fach abgewichen. Aber es wäre doch bedenklich, wenn seiner Auszeichnung die Bedeutung beigelegt werden müßte, daß nach mangelnder Ansicht das Nationaldenkmal zur Geschichtsklitterung ausarten dürfe. Es wird aber auch wohl besser das Rechte treffen, wenn man annimmt, daß die biedere, hoheitsvolle und doch anmutige Schönheit der Sockelfiguren — ähnlich denjenigen
am Goethedenkmal — dem Entwürfe die Gunst der Jury gewonnen hat. Aber es bedürfte allerdings keiner Konkurrenz, um zu erfahren, daß Schaper vor vielen anderen im stände ist, derartiges zuverlässig gut zu machen.
Ebensowenig hat das Kvnkurrenzergebnis etwas Überraschendes bezüglich des letzten Preises, der für den Entwurf unter dem Kennworte „Deutsch" an Johannes Schilling in Dresden, den Urheber des Denkmals auf dem Niederwald, gefallen ist. Nach seiner Idee soll sich aus dem Platze zwischen dem Opernhause und dein Kaiserlichen Palais ein stolzer Triumphbogen, mit dem Viergespanne der Siegesgöttin gekrönt, erheben, der von den Architekten Schilling und Graebner ausgearbeitet ist. Vor demselben steht in schlichter, vielleicht nllzuschlichter Gestaltung das Reiterbild des Kaisers, mH einem niederen ganz glatten Sockel. In dieser Gestaltung hat das Kaiserbildnis selber beinahe etwas Dürftiges. Zumal dem behenden Rassepferde wird künstlerisch wenig Geschmack abzugewinnen sein. Aber hierin — lvie in allem, was sich ans das Dienstliche bezieht, — liebte der Kaiser bekanntlich den strengsten Realismus. Als er sein Reiterstandbild für die Kölner Brücke mit dem wundervollen Pferde in Meister Drakes Werkstatt besichtigt hatte, sagte er im Fortgehen zu seiner Begleitung: „Ich bin froh, daß ich den Gaul nichr zu reiten brauche." — Selbstverständlich sind, lvie überall, die Architekturteile irr ausgiebigster Weise mit plastischem Schmucke bedeckt, der hier nur insofern einer besonderen Erwähnung würdig ist, als er durch Geschmack und Liebenswürdigkeit der Erfindung auffällig hervorragt. Aber das Mißverhältnis zwischen der Baumasse und dem Reiter ist gerade bei diesem Entwurf ein völlig erdrückendes, was um so empfindlicher zur Wirkung kommen würde, als der Triumphbogen an Ort und Stelle wohl noch mächtiger erscheinen dürfte, als er ist. Und hierzu wirkt seine eigentümliche Form noch verstärkend mit: die gekrümmten kurzen Flügelbanten sehen aus, lvie wenn sie sich zusammeuzögeu, uni nicht mit den benachbarten Häusern zu- sannneuznstoßen. Außerdem hat für mich der Triumphbogen - abgesehen davoll, daß er selbstredend nur über einer wirklichen via triumchmlm seinen berechtigten Platz hat, — in Verbindung mit dem Denkmale des Triumphators etwas geradezu Widersinniges, lvie denn auch thatsächlich kein Beispiel dafür existiert. Der Triumphbogen ist die Ehrenpforte, die man zur Erinnerung an die Feier an ihrem Orte stehen gelassen, nachdem man ihre Formen in dauerhaftes Material tibertragen. Die Pforte kann der Idee nach so gut Jahrtausende stehen bleiben, nachdem der Trinmphzug sie hinter sich znrückgelassen, wie Stunden; aber, daß der Triumphator bei ihr mit versteinert, erscheint mir, ich wiederhole es, nicht anders als widersinnig. In all solchen Dingen haben die Alten, die viel welliger bewußt rationell verfuhren als wir, eine Urteilsschärfe und ein Feingefühl bewährt, das wir nur bewundern und beneiden können.
Das wäre etwa, was das Juryurteil Positiv sagt. Durch seiil Schweigen läßt es eine Menge voll Entwürfen unter den Tisch fallen, welche immerhin einer Erörterung im Sinne des Für oder des Wider wert gewesen wären. Es sind Namen im Dunkel der Kennwortnmschläge geblieben, deren Träger sich gerade bei den kompetentesten Fachmännern der Jury und in weiten Kreisen der Künstlerschaft wie des kunstsinnigen Publikums einer übermäßigen Wertschätzung erfreuen. Aber es ist auch von Entwürfen keine Rede gewesen, deren Urheber, nachdem die Jury gesprochen, zum Teil den berechtigten Stolz gehabt haben, das Visier der programmmäßigen Anonymität zu lüften. Es würde viel zu weit führen, hier den Versuch zur Ausfüllung dieser Lücke zu machen. Ich will nur mein volles Einverständnis mit dem Urteile anssprechen, das jüngst einer unserer ersten Schriftsteller bescheidentlich „als Stimme aus dem Publikum" Verlautbart hat, indem ich noch des Entwurfes mit dem gefühlvollen Kennworte „denn er war unser" gedenke, als dessen Urheber sich der Bildhauer I. Knffsack in Berlin zu erkennen gegeben hat. Die beabsichtigte Aufstellung an der Schloßfreiheit — so, daß das Schloß doch keine Freiheit be-