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Deutschland.
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ich hätte sie von einer schädlichen Anwandlung kuriert und sie wäre nicht znm zweitenmal davon befallen worden.
Sv aber, da ich ihr in einer so heiklen Verfassung wider besseres Wissen und Erachten blind und widerstandslos nachgegeben hatte, und sie dadurch ihrer Macht über ineinen Willen bewußt und froh geworden war, erfüllte sie der Übermut. Sie fand unbändiges Gefallen daran, sich immer wieder und wieder von dem Besitz dieser Macht über meinen Willen zu überzeugen und sich und andern zu beweisen, was sie über mich vermöge mit der einzigen kurzen albernen Zauberformel: „Wenn Dil mich lieb hast!"
Während ich noch mit den englischen Damen im besten Gespräch war, überzeugte mich ein Blick, den ich nach Seraphinen sandte, daß sie an dieser Unterhaltung kein Gefallen fand. Immer härter wurden ihre Züge, immer trüber ihr Blick, immer schmaler ihre Lippen, so daß ich, Narr, der ihr alles nach Wunsch thnn und lassen wollte, mich unter irgend einem Vorwand von den Parkers empfahl und zu ihr znrückkehrte.
Die Gesellschaft saß in Gruppen ans einem etwa drei Meter breiten, mit großen Fliesen belegten Gang, der allein von dem oberen Stockwerk noch übrig geblieben war und an drei voll den vier Seiten des viereckigen Hanptbanes der Ruine noch ganz wohlerhalten hinlief, nach der Innenseite mit einem eisernen Geländer versehen, während nach außen die Reste der alten Mauer mit einzelnen stehen gebliebenen Bogenfenstern, Nischen und Pfeilern vor sedem Unfall schützten. Die Fenster, Altanen und Manerlücken gewährten nach außen über das weite Land herrliche Fernsicht. Ins Innere sah man über das Geländer zwei Stockwerke tief hinab ans halbzerbröckelten Saal und verfallene Kemenate, in denen sich jetzt Maurer und Ziunner- lente fleißig zu schaffen machten, und in den alten Burghof, wo um einen ehrwürdigen Ziehbrunnen drei riesige Linden ihre sanft- bewegte Blütterfülle fast bis zu uns emporreckten.
Überall im Gemäuer, und je höher, desto reichlicher, hatten sich Gras, Gesträuch und wilde Blumen eingenistet und gaben dem Bau einen zauberischen Schmuck, als weuu ihn Mutter Natur über seinen Verfall mit eigenem Reichtum hätte trösten wollen.
Von draußen her klang das Tirilieren der Waldvögel, über unseren Häuptern schwirrten die Mücken in sänlenartigen Schwärmen, und eine Äolsharfe, die vor langen Zeiten zwischen eine erweiterte Schießscharte eingebaut worden war, gab immer wieder denselben sanftklagenden Ton von sich, wenn ein stärkerer Lufthauch sich bei ihr verfing.
Die Arbeiter hatten Feierabend gemacht, die Gebnrtstags- gesellschaft hatte Kaffee gekocht: schöne Mädchen schenkten mit weißen Händen aus weißen Kannen den schwarzen Trank und boten goldfarbigen Kuchen dazu an.
Die Arbeiter, denen nun: eines von den nutgebrachten Fäßlein Bier zum besten gegeben: hatte, ließen aus dem Schloß- Hof ein schallendes Hurra hoch emporklingen.
Es war ein munterer Anblick, wie sich die wackeren Bursche dort unten um das Spundloch drängten und ihre Gläser füllten, die in der schwindligen Tiefe nur wie eine Handvoll über- gnellenden Schaumes erschienen.
Lange Querbalken, die sich, sei's als Stützen des alten Gemäuers, sei's als Unterlage für kommende Dielenbretter, mitten über die ganze Breite des Gebäudes von einem Rande der Galerie bis zun: gegenüberliegenden streckten, vermehrten für das hinabschaueude Auge noch den Eindruck der Tiefe.
Während drunten noch die Maurer johlten, kam ich, wie gesagt, von den Parkers zu Seraphinen zurück und entnahm ihren Fingern eine Tasse Mokka, die sie mir mit etwas gezwungenem Lächeln entgegenhielt, wie um meiner Rückkehr zu ihr vor den Gästen einleuchtenden Vorwand zu geben.
„Es war Zeit, daß Du kamst!" sagte sie leise. „Wärst Du uoch länger jener puritanischen Kokette zu Willen gewesen, ich glaube, ich wäre, um Dich von ihr nbznlenkcn, mit gleichen Füßen da hinunter gesprungen."
„Um des Himmels Wille::, wie Du nur so gottlos reden magst!"
„Gottlos? hm! Du freilich wärest derlei aus Liebe zu thnu nicht in: stände. Du bist ja so vernünftig, so kühl, so überlegt — wie lauwarme Milch."
„Das sagst Du mir heute, Seraphine?!" fragt' ich und sah sie vorwurfsvoll an.
' Ihre böse Laune schmolz unter meinen: Blick. „Vergieb, Heinrich," sagte sie und legte ihre Hand verstohlen ans die ineine. „Aber ich kann's nun einmal nicht ertragen, wenn Du mit andern lange sprichst. Und Du bist doch nicht den weiten Weg herübergaloppiert, um mit Parkers zu plaudern. Nicht wahr?"
„Ich dächte nicht."
„Nun also, plaudere nur mit mir! Nur mit mir!"
Sie sah mich dabei mißtrauisch an, ob diese Beschränkung nicht einen unangenehmen Eindruck ans mich hervorbrächte. Da ich aber glücklich und zufrieden meinen süßen Kaffee aus- schlürfte, legte sie für den Moment keine weitere Beunruhigung an den Tag.
Leider sah sie, wie Hinz und Kunz sich nnschickten, uns zu nahen, lvahrscheinlich, um ein Spiel oder einen Waldwandel vorznschlagen.
„Wenn die dummen Leute mich heute nur das einzige Stündlein, das Dir gegönnt ist, ungestört mit Dir verplaudern ließen! Ich möchte von Dir in einen: fort hören, daß Du nur mich liebst und mein gehörst mit Haut und Haar."
„Weißt Du das nicht ohnehin zur Genüge?"
„Nun ja, ich weiß es Wohl .... aber zur Genüge? Das giebt es nicht, Heinz!"
Die Störenfriede waren nun wirklich da und leider Miß Parker dazwischen. Es war nicht möglich, sich ihrer Aufforderung zu versagen, und Seraphinen schon gar nicht: sie war ja die Königin des Festes.
„Wo haben Sie denn Ihre schönen Rosen?" fragte einer von den Jünglingen.
„Ich weiß nicht, wo ich die gelassen habe," antwortete sie und sah sich suchend nach allen Seiten um. Aber weder unter den: Tisch, noch unter der Steinbank, noch sonst in der Nähe war der schöne Geburtstagsstranß zu erblicken.
„Ich werd' ihn im Wagen liegen gelassen haben. Thnt nichts. . . . Aber ohne Blume mag ich nicht mit Euch gehen, ich, das Geburtstagskind."
„Ach was! Seraphine, wir finden in: Walde noch Blumen genug für Dich. Komm, komm!" sagte Miß Parker und hüpfte zierlich der Treppe zu.
Einige flogen bereits voraus und tummelten sich die Stein- stnfen hinab, andere wollten der Freundin Entschluß durch Gefälligkeit beschleunigen und suchten die Galerie nach dem verlorenen Rosenstrauß ab. Sernphine, durch die Stimme der ihr ver-