Heft 
(1889) 04
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Karl Heckel, Die Idee der Wiedergeburt. (Leipzig, Max Spvhr.)

Eine von der Augnst-Jenny-Stiftung, deren Zweck die wissen­schaftliche Forderung und Verbreitung der Lehre von der Seelenwan derung oder besser der Wiedergeburt ist, gekrönte Preisschrift: damit ist die Richtung des Büchleins schon hinreichend gekennzeichnet. Nach dem der Verfasser einen Überblick über die geschichtliche Entwickelung der von ihm als der Weisheit letzter Schluß gepriesenen Lehre von: Brahmaismns und Buddhaismus an bis in unsere Tage hinein ge­geben hat, bemüht er sich, sie philosophisch zu begründen, wobei er sich besonders auf Schopenhauersche Thevrieen stützt. Könnte Herr Heckel sich nur erinnern, als was für ein denkendes Wesen er sich selbst vor seiner letzten Wiedergeburt umgetrieben hat! Dann ließe sich viel­leicht am ehesten eine historische Erklärung für seine ungeheuerlichen Anschauungen finden. b.

Kuno Fischer, Die Erklürungsarten des Goetheschen Faust (Goethe-Schriften 2). (Heidelberg, Carl Winters Uuwersitätsbuchhaudluug.)

Fischer unterscheidet drei Phasen und Richtungen in der Faust­erklärung, eine philosophische, eine historische und eine philologische, welche alle drei, von richtigen Grundgedanken ausgehend, auf Abwege geführt haben. Die erste hat allegorisierende Deutelei, die zweite die Sucht, überall Entlehnungen ans alten ähnlichen Sagenbildungen zu wittern, die dritte allerhand Mißgriffe in der Kritik der Entstehungs­art des Gedichts und der Entstehungszeit seiner einzelnen Teile her­vorgebracht. Einer besonderen Würdigung unterzieht er eine Anzahl Schererscher Hypothesen, deren Hinfälligkeit er durch Gegenüberstellung des urkundlichen Materials der von Erich Schmidt aufgefundenen und herausgegebenen ältesten Fassung des Faust zu erweisen sucht. Wo Fischer sich gelegentlich selbst auf das Gebiet der höheren Kritik begiebt, scheint er wenig glücklich. b.

Steeple Chases. Novellen von Hans Hermann. Breslau, S. Schottlaender. 1890.

Die drei Erzählungen sind in einem so frischen, lebendigen Ton geschrieben, daß man sich fortgerissen fühlt mit der lustigen Hetzjagd, selbst wenn man nicht Kürassier-Offizier oder ländlicher Züchter von Rennpferden ist. Daß der Dichter seineSteeple Chases" auch ernster ausgesaßt wissen will, beweist die letzte Novelle:Ausgebrochen-" sie schildert ein junges Menschenleben, das durch widrige Verhältnisse zu Grunde geht, gleich dem edlen Renner, der aus der Bahn bricht und dadurch das Anrecht auf den Sieg verliert. Freilich, was für eine Sprachbereicherung wir durch diese Geschichten gewinnen, zeigen solche Wendungen, wie:Lori sah, wie heftig das junge, starke Tier dem Reiter in die Zügel pullte" u. a. Vielleicht aber beginnt mit diesen Novellen eine neue Richtung unserer Litteratur- es würden dann Bücher folgen mit den Titeln:Regatta, Lawn Tennis, Foutball" u. s. w.

Rauch und Goethe. Urkundliche Mitteilungen von Carl Eg­gers. (Berlin, F. Fontane.)

Das Buch ist gewissermaßen ein urkundlicher Nachweis zu dem in der Eggersschen Rauchbiographie enthaltenen Abschnitt über Rauch und Goethe- es bietet eine stattliche Anzahl von Briefen Goethes, Rauchs, S. Boisseröes, Heinrich Meyers und vereinzelte andere. Die persönlichen Beziehungen zwischen Goethe und Rauch knüpfen sich an den Plan eines Goethe-Denkmals für Frankfurt, das Rauch ausführen sollte. Ein paar Besuche Rauchs in Weimar und Jena stellten aufrichtige freundschaftliche Gefühle zwischen beiden Männern her, welche in ihrer fast durchweg praktische künstlerische Fragen be­handelnden Korrespondenz zu schönem Ausdruck gelangten. b.

Fürst Bismarck als Humorist. Von I)r. Adolph Kohut. (Düsseldorf, Verlag von Felix Bagel.)

Wenn Könige bauen, haben die Kärrner zu thun. Der Humor Bismarcks halte es verdient, von weniger geschäftsmäßigen Händen ge

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sammelt und von einem etwas verwandteren Kopfe in ein System ge­bracht zu werden. Wir schlagen Herrn I)r. Kohut, der sein Büchlein recht ungebeteneine Festgabe zum fünfundsiebzigjährigeu Geburtstage" des Reichskanzlers nennt, noch einige zweckdienliche Büchertitel vor: Fürst Bismarck als Rancher, Fürst Bismarck als Fußgänger und Reiter, Fürst Bismarck und die deutsche Hutmacherkunst. Solche Erzeugnisse des Buch Handels werden immer ihre Leser finden, und die Gestalt Bismarcks ist groß genug, um auch solche Freunde anshalten zu können. -r.

Joseph Pape, Der Tod. Ein Beitrag zur Aufhellung seines Dunkels. (Leipzig, Max Spohr.)

Ein naiv gläubiges Gemüt läßt es sich angelegen sein, in einer die wunderlichsten Blüten treibenden Ausdeutung der biblischen Para­dieserzählung für sich selbst und andere die Gewißheit eines Fvrtlebens nach dem Tode zu erweisen. Selig find, die da glauben! Aber un selig die, welche ohne diesen Glauben solche Schriften lesen müssen!

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Geschichte der deutschen Litteratur von Goethes Tode bis zur Gegenwart von Paul Heinze und Rudolf Goette. lDres- den-Striesen, Paul Heinzes Verlag 1890.)

Wer von einer Litteraturgeschichte unserer Zeit nichts anderes ver­langt, als eine möglichst große Anzahl von Autornamen und Bücher­titeln, die mit edler Unparteilichkeit znsammengestellt sind, der mag sich Kürschners Litteraturkalender anschaffen. Die Verfasser des vorliegenden Versuchs scheinen an Unparteilichkeit dem Litteraturkalender ebenbürtig und verschmähen in ihrem erfreulichen Streben, reichhaltig zu sein, auch die obskursten Namen nicht. Nur um zwei Dinge ist es in ihrer Litte- ratnrgeschichte schlecht bestellt: um die historische Anschauung und um das litterarische Urteil. Mit unglaublicher Sorglosigkeit werden Schrift steller, welche durch eine Generation voneinander getrennt sind, dicht nebeneinander aufgezählt. Die Mängel des ästhetischen Urteils lassen sich freilich nicht so einfach belegen, sind aber im Grunde noch schlimmer. Die Lieblingsschriftsteller der Leihbibliotheken, wie Dahn und Ebers, werden mit wärmeren Worten gefeiert, als Dichter von der Größe Paul Heyses und Gottfried Kellers; den genialen Ferdinand Kürnberger schei­nen die Verfasser gar nicht zu kennen, da sie ihn als einen Zeitgenossen mit Theophil Zolling und Adolph Kohut in einem Atem unter den Feuille- tvnisten aufzählen, als ob er auch so ein kleiner Artikelschreiber gewesen wäre. Unsere erste Dichterin, Marie von Ebner-Eschenbach, ist schlank­weg übersehen, wogegen Alfred Friedmann und Julius Rodenberg liebe­voll und sogar ernsthaft als bedeutende Poeten behandelt werden. Es scheint, daß die Beschäftigung amDeutschen Dichterheim" den Verfassern die Andacht zum Einfältigen gestärkt und den Sinn für das Große ge­schwächt habe. Immerhin ist zu loben, daß diese Litteraturgeschichte uir gends eine vorgefaßte Meinung zeigt und ihrem Gegenstände einen ge­wissen jugendlichen Enthusiasmus entgegenbringt. -r.

Panl Mantegazza, Das h e u ch l e r i s ch e I a h r h u n d e r t. Aus dem Italienischen Vvn Hulda Meister. (Jena, Hermann Costenoble.)

Es sind nicht eben neue und tiefe Gedanken, die der berühmte italienische Physiolog über seinen Gegenstand vorzubringen hat. Er nimmt das ernste Thema, das er trotz seiner sittlichen Entrüstung über dasZeitalter des Tartuffe" in feuilletonistischem Plaudertone behandelt, doch gar zu sehr auf die leichte Achsel und bleibt fast durch­weg an der Oberfläche hasten. Er unterscheidet eine wohlthätige und eine schädliche Heuchelei- der springende Punkt lüge nur darin, die Grenze beider Gebiete mit sicherer Hand zu ziehen- dazu ist aber nirgend ein Versuch gemacht. Anregend und fein ist das Eingangs­kapitel, in welchem Fälle von Heuchelei aus der Tier- und Pflanzen Welt vorgeführt werden. Den Schluß des Buches bildet ein über dreißig Seiten umfassender Katalog der bekanntester: Schönheitsmittel als beredte Illustration für den heuchlerischen Drang unserer Zeit.

b.

Deutschland.