Deutschland.
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machte, fragte er sie: „Was willst Du denn eigentlich? Was soll ich thun?"
„Heiraten sollst Dn mich!" schrie sie ihn zornig an. „Was denn sonst?"
Darauf sagte er nichts. Eine seltsame Zumutung, ans Ehre! Er, der einzige Sohn des reichen, geldstolzen, angesehenen Großindustriellen Anselm Bergmann, sollte mit drei- nndzmanzig Jahren ein kleines Ladenmädchen, dessen Mutter Wäscherin gewesen war und dessen Pater niemand gekannt hatte, heiraten. Wäre er besser aufgelegt gewesen, dann würde er dem Mädchen wahrscheinlich ins Gesicht gelacht haben.
„Habe ich nicht recht, Frau Schulz?" wandte Fanny sich an die alte Frau im Hintergründe. „Wenn er eine ans seinem Kreise so weit gebracht Hütte, müßte er sie wohl heiraten und würde es auch thuu. Nun kann cs doch nicht zweierlei Art von Mauuesehre geben . . . Was in dem einen Falle eine Schurkerei ist, bleibt das auch in allen anderen; und wenn er es für seine Pflicht hielte, ein reiches, seinen Ständen ungehöriges Mädchen in meiner Lage zu heirateu, dauu darf er gegenüber einem armen Mädchen, wie ich bin, auch nicht anders denken und handeln."
„Liebe Fanny, Dn vergißt, daß ich Dir die Ehe niemals versprach," entgegucte der junge Herr. „Ich habe Dir niemals verschwiegen, daß ich unmündig, von meinem Vater abhängig und durchaus nicht in der Lage bin, über mich zu verfügen. Ich sagte Dir ferner, daß unser Verkehr von keiner langen Dauer sein würde ..."
„Schuft!" unterbrach sie ihn schluchzend. „Alles das sagtest Dn erst, als es zu einer Umkehr für mich zu spät war. Was alles habe ich diesem Menschen nicht zuliebe gethau! Ich habe ihn wirklich seiner selbst willen lieb gehabt . . . Denn Sie wissen ja, Frau Schulz, was für ein Knauser er immer war, was für schäbige Geschenke er mir machte, und wie schwer ihm ein Gulden aus der Tasche fiel! Freilich hat er mich stets auf spätere, bessere Zeiten vertröstet. Sein Vater wäre geizig, sagte er, und hielte ihn sehr knapp, er könnte mir also nur wenig geben. Aber wenn er einmal mündig, selbständig, Teilnehmer des Geschäftes wäre, o! dann wollte er mich in Sammet und Seide kleiden und mir alles kaufen, was ich nur wünschte . . . Ja, er sagte sogar, daß er hoffte, das Herz seines Vaters zu erweichen und dessen Zustimmung zu unserer Heirat zu erbetteln . . . Und auf alle diese schönen Versprechungen hin habe ich ihm seinen Willen gethan . . . Und nun, wo es zu spät ist, sehe ich, was die versprochenen späteren schönen Zeiten wert sind!"
„Es ist ja nicht meine Absicht, Dich im Stiche zu lassen," sagte der junge Mann begütigend. „Ich werde gewiß für Dich und . . . und das Kind Sorge tragen."
Vom Hintergründe her ließ sich ein kurzes, leises Lachen vernehmen.
„Was giebt es darüber zu lachen, Frau Schulz?" fragte der junge Mann ungehaltenen Tones.
„Sie haben recht; cs wäre besser, darüber zu weinen als zu lachen," erwiderte die alte Frau. „Daß doch alle Männer sich in diesem Punkte gleich bleiben! Ist nicht Fannys Kind auch das Ihre? Meinen Sie damit, daß Sie für Ihr eigenes Kind Sorge tragen wollen, etwas Großes zu thun? Aber, mein lieber junger Herr, das ist ja nichts weiter als Ihre
verdammte Pflicht und Schuldigkeit! Das ist selbstverständlich, und Fanny braucht Ihnen dafür kein Wort des Dankes zu sagen."
„Verlange ich denn das von ihr?" entgegnete er geärgert. „Aber Sie wissen vielleicht, verehrte Frau Schulz, daß das Gesetz in solchen Fällen bescheidene Forderungen an den Mann stellt . . . Ich aber bin gewillt, mich nicht an das Gesetz zu hatten und mehr zu thun, weit mehr!"
„S, das Gesetz!" sagte Frau Schulz kopfnickend. „Nicht umsonst sind die Gesetze von Männern gemacht worden. Das merkt man an jedem Paragraph. Die Herren Gesetzgeber haben wohlweislich dafür gesorgt, daß ihnen und den anderen Männern nicht wehe gethan werden könne . . . Eine Frau, welche das Gesetz zu ihrem Schutze gegen einen Mann anrnft, ist eine arme Närrin."
„Eben deshalb will ich mehr thnn, als das Gesetz mir vorschreibt," sagte der junge Mann ungeduldig. „Tausendmal habe ich schon bereut, dieses unglückliche Verhältnis Angegangen zu sein ..."
„Um bei nächster Gelegenheit ein ähnliches, vermutlich mit dem gleichen Ausgange, anznfangen. Wir kennen diese Reue."
„Gott befohlen!" sagte er und griff nach seinem Hute.
Fanny vertrat ihm den Weg.
„Dn willst mich also wirklich sitzen lassen, Paul?" fragte sie ihn leise und langsam.
„Ich werde für Dich thun, was in meinen Kräften steht. Unmögliches darfst Du von mir nicht verlangen."
„Und wirst Dein Kind niemals anerkennen, niemals?"
„Ich werde es erziehen lassen . . . Versetze Dich doch in meine Lage! Wie kann ich meiner Familie znmnten, sich mit solchen Dingen abzufinden? Mein Vater würde mich ja verstoßen und enterben!"
„Wirst mich nbfinden mit Geld und mich dann für meine Liebe bezahlt halten? Wirst eine andere, eine ans Deinen Ständen heiraten, Kinder haben, diese Kinder verzärteln, verwöhnen und Dich um den armen Wurm, der ja auch Dein Kind ist, nimmer, nimmer bekümmern? Kannst Du so schlecht sein, Paul?"
Er hatte die lästige Scene satt bekommen. Wozu noch die vielen Worte, da sein Entschluß doch unwiderruflich fest staud! Mit freundlicher Gelassenheit war bei dem Mädchen nichts ausznrichten ... so wollte er es denn auf andere Weise versuchen.
„Ich will Dir etwas sagen," sprach er brutal. „Ein ehrbares Mädchen weiß sich zu behüten und giebt sich nicht dem ersten besten Manne hin . . . Mädchen Deiner Sorte heiratet man nicht. Und damit basta!"
Sie schrie auf, hängte sich au ihn und zerrte an seinem Nocke, als wollte sie ihm das Kleid vom Leibe reißen.
„Schuft! Schuft! Schuft! ..."
Wie er sich von ihr hatte losmachen können und auf die Straße gekommen war, wußte er selber nicht. Mit einem Male stand er auf der Straße und rieb sich mit dem Taschentuche das Gesicht, als gelte es, etwas davon abzuwischen. War ihm doch, als stünde das Wort „Schuft," das sie ihm förmlich ins Gesicht gespieen hatte, auf seinen Wangen geschrieben.
„Schant einmal den an!" rief ein vorübergehender Schn-