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sterjnnge, blieb stehen und deutete mit der Hnud auf ihn. „Dem ist eine Katze iu die Fratze gesprungen; oder hat Ihre Liebste Sie so übel zugerichtet, schöner Herr?"
Einige Passanten hemmten den Schritt und lachten. Paul schaute sie wütend an und beeilte sich, so rasch wie nur möglich aus dem Bereiche der Gaffer und Lacher zu kommen.
Gott sei Dank, daß dieses widerwärtige Verhältnis endlich gelöst war!
II.
„So, nun ist's ans," sagte Frau Schulz zu Fanny, die, halbtot vor Erschöpfung, ans das fadenscheinige, harte, schmale Sofa hingesnnken war.
„Ans!" sprach das junge Mädchen mit dumpfer Stimme
nach.
„Das Klagen und Brüten hilft da nun einmal nichts," sagte die alte Frau znredend. „Tausende von Mädchen kommen in Deine Lage und finden sich darein."
„Ich gehe in die Donau!"
„Das wirst Du bleiben lassen, denn das wäre der größte Dienst, welchen Du dem elenden Kerl erweisen könntest."
„Und wovon soll ich leben? Der Dienst ist mir heute gekündigt worden, davvngejagt hat mich der Herr ..."
„Ich sage Dich nicht davon. Bei mir kannst Du wohnen bleiben wie bisher."
„Aber ich kann Ihnen ja die Miete für das Loch nicht bezahlen; und essen muß ich doch auch!"
„Dein Schurke von einem Liebhaber wird Dir Geld schicken."
„Ich mag von diesem Sündengelde nichts wissen. Ich sende es ihm zurück."
„Das wäre ein großer Unsinn. Das Geld gebührt in erster Linie dem Kinde. Du hast gar nicht das Recht, es zn- rückzuweisen. Übrigens - wer weiß, ob der junge Herr Wort hält! In diesem Falle würde ich Dich erhalten. Ich habe ! genug für zwei."
„Wenn ich wenigstens arbeiten, mir etwas verdienen könnte! Wer aber würde mich, in meinem Zustande, in seinen Dienst nehmen wollen!"
„Daran ist wohl vorläufig nicht zu denken. Du mußt warten, bis alles vorüber ist."
„Und diese Schande!" schluchzte das arme Mädchen. „Mit den Fingern werden sie ans mich weisen . . . O. mein Gott! mein Gott! wie ich mich schäme!"
„Vor wem denn?" fragte die alte Frau mit Nachdruck. „Bor den Leuten? Sieh Dir diese Leute einmal ein bißchen genauer an! Vor wein brauchst Du Dich denn zu schämen? Doch nicht vor den Männern? Daß ich nicht lache, dummes Ding! Die sollen vorerst vor der eigenen Thür kehren, ehe sie es wagen, zu richten. Und vor den Frauenzimmern? Erstens hat es eine große Zahl nicht besser gemacht als Du; von vielen weiß man es nur nicht. Und die braven, die ehrbaren Frauen und Mädchen, nun! die laß reden, was ihnen gefüllt. Sieh ihnen nur dreist ins Gesicht, und wenn sie Dir irgend eine vorlaute Bemerkung machen, dann gieb ihnen eine ! kecke und grobe Antwort. Dein Unglück geht niemand etwas an; niemand hat das Recht, daran zu rühren. Daß man die sogenannten gefallenen Mädchen mit Steinen bewirft, daran sind nur die. Mädchen selber schuld. Die armen Dinger ge-
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bürden sich ja so, als ob sie Gott weiß was für ein Verbrechen begangen Hütten. Und merke ans mich, die ich alt und erfahren bin: die Menschen richten nur den, der sich zuerst selber gerichtet hat. Schau einmal die Maitressen der großen Herren an! Füllt es diesen ein, sich zu schämen und zu grämen? Sie denken gar nicht daran! Und je toller sie es treiben, je größeren Skandal sie machen, je frecher sie dem Anstand ins Gesicht schlagen, um so mehr steigen sie im Preise. Für wen ruinieren und duellieren sich die Männer? Etwa für die anständigen, tugendhaften Frauen und Mädchen? Gott bewahre! Und in einer solchen Welt, inmitten einer so faulen Moral willst Du Dich, Deines kleinen Fehltritts halber, anklagen und schämen? Das wäre doch ein Unsinn."
„O, Frau Schulz, ich habe doch eine schwere Schuld ans mich geladen," sagte Fanny - aber bei weitem nicht mehr so trostlos und verzweifelt als vorhin.
„Eine große Dummheit hast Du begangen -- nicht mehr und nicht weniger. Siehst Du, das ist der Fehler der hübschen, jungen Frauenzimmer: sie werfen sich weg. Ich bin sechzig Jahre alt, Kind, ich habe viel erfahren. Wenn Ihr Mädchen den Männern insgesamt widerstündet, würden sie aus den Knieen vor Euch liegen. Aber leider bedenkt Ihr das nicht, solange Ihr jung, dumm und verliebt seid. Ihr habt eine viel zu günstige Meinung von den Männern, traut jedem, glaubt seinen Worten und meint, daß der, welchen Ihr liebt, besser sein müsse als die anderen — und dann sitzt Ihr im Elend. Indessen ist es nicht meine Absicht, Dich zu betrüben. Geschehenes läßt sich nicht ändern, Du wirst Dir diese bittere Lehre merken und in Zukunft klüger sein. Ich habe Großes mit Dir vor. Du bist hübsch und jung, hast graziöse Bewegungen, ein wohlklingendes Organ, ja sogar eine ganz angenehme, wenn auch schwache Singstimme . . . Tn sollst zum Theater gehen. Das ist der richtige Platz für Dich, da kannst Du Carriöre machen."
„Ach, ich will alles thnn, was Sie wollen, Frau Schulz," sagte Fanny, „mein Leben ist ja doch verspielt."
„Im Gegenteil, Kind: jetzt fängst Du erst zu leben an."
III.
Im Hanse des Großindustriellen Anselm Bergmann wurde ein Abschiedsfest gefeiert. Der junge Bergmann sollte am nächsten Morgen nach London abreisen, um im Hanse eines dortigen Geschäftsfreundes einige Jahre zu leben und sein kaufmännisches Wissen zu vervollkommnen.
„Unser verehrter Freund James Erooking," sagte Herr Anselm Bergmann zu seinem Sohne, „besitzt, wie Du weißt, eine einzige Tochter. Es ist zwischen uns vereinbart, daß aus Dir und dem jungen Mädchen ein Paar werden soll. Sprich kein Wort dagegen; die Sache ist abgemacht. Du wirst NUß Ellen einstweilen noch nicht kennen lernen. Sie zählt erst fünfzehn Jahre und befindet sich derzeit zu ihrer Ausbildung in einem Pariser Pensionat. Dir. James Erooking wird Dich erst später mit seiner Tochter bekannt machen. Vorläufig wird Deine Ausgabe sein, ihm zu gefallen. Mr. Erooking hat sehr strenge moralische Begriffe. Du wirst gut thnn, Dich znsam- menzunehmen. Tn hast hier zu viel mit jungen Kavalieren verkehrt, hast Dir ihre üblen Sitten angeeignet, hast gespielt, geritten, gewettet und Dich mit Frauenzimmern abgegeben.
Deutschland.