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die Sie mir zu gute halten wollen. Einem solchen «vimix» wie ich, muß man was zu gute halten. Sehen Sie, Sie haben ein so gutes Gesicht, ein bißchen schwermütig, aber das thnt nichts, das giebt einen Charme mehr, und ich wollte mein Leben drauf verwetten, daß Sie keinem Menschen je was zuleide gethan haben. Ich schloß Sie gleich in mein Herz, gleich den ersten Abend . . Und nun bring' ich noch eine Gesundheit ans, aber ohne Namen. Wozu sollt' ich ihn auch nennen? Er steht ohnehin in Ihrem Herzen . . Und sehen Sie, Sie sind mir seitdem noch lieber geworden. Im ersten Angenblicke bekam ich einen Schreck, ich kann es nicht leugnen, und als ich nnn gar noch einen Rat geben sollte, ja, das war mir ein bißchen zn viel. Aber das Diplomatische, das Offizielle, das liegt nnn hinter uns und ich kann nnn sprechen wie mir der Schnabel gewachsen ist. Und da will ich Ihnen denn aufrichtig sagen, aber nur so ganz unter uns, Sie brauchen sich nicht ans mich zu berufen, ich freue mich immer, wenn einer die Courage hat den ganzen Krimskrams zn durchbrechen. Es gilt auch von dieser Ebenbürtigkeitsregel, was von jeder Regel gilt, sie dauert so lange, bis der Ausnahmefall eintritt. Und Gott sei Dank, daß es Ansnahmefalle giebt. Es lebe der Ansnahmefall. Es lebe. . . Noch ein halbes Glas, Waldemar. Und was ich Ihnen znm Abschiede noch sagen wollte, ja, sagen muß, der jüngste Schwilow, von dem ich Ihnen vorhin erzählte, hatte recht und Ihr Onkel hatte zweimal recht und die Gesellschaft beruhigte sich über die Dnperre. Noch kein Vierteljahr, daß ich die jetzige Baronin Schwilow auf Tzschatschow, etwas schwer anszusprechen, im Französischen Theater traf, wo die Snbra die Freifrau spielte. Sie sah reizend ans, ich meine die Schwilow (die Snbra natürlich auch), und als sie im Zwischenakte das Köpfchen warf und dabei die Brillanten im Ohrläppchen hin und her läuteten, da läutete sie zugleich die ganze vornehme Gesellschaft zusammen. Und wissen Sie, wer ihr am meisten den Hof machte? Natürlich der Herr Onkel, der anssah, als ob er selber geneigt sei, das von ihm prognostizierte dicke Buch von der gräflichen Admiralstochter zn schreiben. Ja, ja, Waldemar, Erfolg und Mut. Oder beginnen wir mit dem Mut. Am Mute hängt der Erfolg. Und nnn Gott befohlen."
Waldemar hatte sich inzwischen erhoben und seinen Hut genommen. Er dankte dem Baron und bat ihn, wenn ein ernsteres Zerwürfnis eintreten sollte, seinen Besuch wiederholen zn dürfen.
l2. Kapitel.
Waldemar, als er bei Baron Papageno vorsprach, hatte die Meinung des Barons in einer ihm wichtigen Angelegenheit hören, im übrigen aber in eben dieser Sache sich durchaus nicht beeilen wollen. Umgekehrt, ein seiner Natur entsprechendes Abwarten und Hinansfchieben, nnd wenn auch nur auf ein paar Tage, war auch diesmal sein Plan gewesen, und erst der ermutigende Ton, in dem der Baron gesprochen hatte, hatte den Gedanken in ihm angeregt, den Bestich beim Onkel, in Ausnutzung der guten Stimmung, in der er sich befand, ans der Stelle machen zn wollen. So bog er denn vom Zieten- platz her in die Manerstraße ein; sah, als er das Königs- marcksche Palais passierte, zn der zweiten Etage, hinter deren kleinen Fenstern er mit einem vor Jahr nnd Tag dort wohnen
den Freunde manche glückliche Stunde verplaudert hatte, hinaus « nnd stand, nach einer abermaligen Straßenbiegnng, vor dem altmodischen, im übrigen aber gut nnd sauber gehaltenen Hanse, dessen oberes Stockwerk der Onkel seit einer Reihe von Jahren inne hatte. Portierslente fehlten, statt ihrer aber war ein ganzes System von Gitterthüren da, das, wenn man unten — oder was dasselbe sagen wollte, vor einem mit allerhand unleserlichen Blechschilden reich ansgestatteten Parterre-Verhau -- lingelte, mitunter wie durch einen rätselhaften Federdrnck in keiner Gesamtheit anfsprang, mitunter aber auch nicht, in welch letzterem Falle die nnn von Etage zn Etage nötig werdende Einzel-Klingelei gar kein Ende nahm nnd bei jedem neuen Gitter zn dem Erscheinen eulenartiger alter Köchinnen führte, deren Examinationsverfahren um so peinlicher nnd eindringlicher war, als nur ihr Auge die Fragen stellte. Waldemar war zn lang und zn gut mit dieser altberlinischen Hallsund Treppeneinrichtnng bekannt, um für gewöhnlich Anstoß daran zn nehmen, heute jedoch hatte dieses Nbsperrliilgssystem eine gewisse Bedeutung für ihn und jede neu zu Passierende Gitterthür erschien ihm wie eine Mahnung „es lieber nicht versuchen zn wollen." Der mitgebrachte gute Mut indes überwand alle Bedenklichkeiten lind ließ ihn schließlich bei der dritten nnd letzten Gitterthür ankommen, an der er von einem alten Muffel von Diener (natürlich vom Lande), dessen Umwandlung ins Herrschaftliche sich nur sehr unvollkommen vollzogen hatte, mit einigermaßen überraschlicher Freundlichkeit empfangen wurde. Der Herr Graf seien zu Hans nnd würden sich sehr freuen. „Er sitzt über die Kupferstiche «so schloß er) und wenn er da drüber her is, is er immer guter Laune."
Der Diener ging voran um zn melden, nnd der Eindruck, den Waldemar gleich bei seinem Eintreten empfing, war der denkbar günstigste. Wenn schon immer eine gewisse, durch einen guten Geschmack in Einrichtung nnd Ausschmückung bedingte Behaglichkeit in dem Wohnzimmer des Onkels anzntreffen war, so war diese Behaglichkeit heute bis zur Gemütlichkeit gesteigert. Die Fenster standen ans nnd von den „Linden" her klang die Musik eines ans Wache ziehenden Bataillons herüber. Aber das war nicht alles, einfallende Lichter blitzten an den Wänden hin nnd her nnd auf einem großen nnd eleganten Ständer von Mahagoniholz, dessen Wände niedergeklappt waren, lag eine Knpferftichmappe, darin der alte Graf emsig nnd andächtig zn blättern schien. Er trug schottisch-karierte Pantalons, Sammetrock nnd einen Fes mit Püschel, alles in allem ein ziemlich sonderbar zusannnengestelltes Kostüm, das freilich vollkommen zn seiner Versicherung stimmte: dem Eklekticismns gehöre die Welt.
„Ah, Waldemar. Lovc-x Io stwuvcnu. Herzlich willkommen, inein Junge. Nimm einen Stuhl oder stelle Dich persönlich hierher . . Im übrigen ganz nach Deiner Bequemlichkeit. Du findest mich in einer gewissen Aufregung: eben hat mir Amsler diese Mappe voll italienischer Stiche geschickt nnd ich schwelge in Reminiscenzen. Sieh . ."
„Mantegna . ."
„Ja, Waldemar. Mantegna. Du wirst das Original in der Brera gesehen haben. Süperbe. Wie das wohlthnt, eine verständnisvolle Seele zn finden. Alles redet von Kunst, aber niemand weiß etwas davon, nnd die wenigen, die die Wissen-