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Nr. 23.
Erscheint Sonnabends
und ist in der Post-Zeitungsprcislistc unter Nr. 1738 eiiMtrcigen.
Berlin, den 8. März.
Abonnementspreis
bei der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.
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Inhalt: Stine. Von Theodor Fontane (Fortsetzung). — Tas Recht in der sozialen Frage. Von Robert Schelllvien. — Randbemerkungen zum deutsch-böhmischen Ausgleich. Von ll. Schönhoff. - „Uns' Jdn." Hamburger Skizze von Ilse Frapan. (Schluß.) — Zum Jubiläum einer chemischen Theorie. Von Ur. Robert HenrigneS. — Geheimnisse der Spiritisten. Von Hildegard Nilsoil. (Fortsetzung.) — Carl Frcnzcl als Dichter. Von F. M. — Kleine Kritik.
._Stine. . .
Von
TPeodow Iontcrne.
(Fortsetzung.)
Io. Kapitel.
als er wieder allein war, wurde sich der alte Graf alles dessen, was er gehört hatte, voll bewußt. Aller- dings war ihm gleich im ersten Augenblick das Blut zu Kopf gestiegen, Waldemars ruhiges Sprechen aber und vielleicht mehr noch ein ihm tief im Blute steckender Hang nach dem Aparten und Abenteuerlichen, hatte seinen Unmut znrückgehalten. Indessen dieser Zustand konnte nicht dauern, und jetzt, wo Waldemar fort und die Diskussion einer ihn prickelnden Frage geschlossen war, war auch der Moment wieder da, die zurückge- drüngten ersten Empfindungen: Entrüstung und Schreck, wieder auflohen zu lassen.
In der That auch Schreck. Er war Grund und Ursach all dieser Wirrnisse, die nicht gekommen waren, wenn er, für seine Person, ans die thörichte Laune, Waldemar bei der Pittel- kow einznführen, verzichtet Hütte. Dieser k'uux pu« seinerseits mußte früher oder später zur Kenntnis seines alteren Bruders, des Majoratsherrn ans Groß- und Klein-Hnldern, kommen, und wenn er sich dann verklagt sah, gleichviel laut oder leise, wie wollt' er da bestehen? Und wenn vor ihm, dem Bruder, wie vor ihr, der Frau Schwägerin. Sie war die stolzeste Frau weit und breit, eine von Petersburger Erinnerungen getragene kurlündische Dame, vor der selbst die Halderns nur mit Mühe bestehen konnten und der eine Schwiegertochter im Stile von Stine Rehbein einfach Tod und Schande bedeutete. Was half es, wenn Waldemar aus dem Lande ging und sich für immer expatriierte? Die Thntsache der „Encanailliernng" eines Haldern blieb bestehen und mit ihr der Skandal, die Blame, das Ridikül. Und das letztere war das Schlimmste.
„Nein, es geht nicht," überlegte der Graf, während er,
i immer erregter und nervöser werdend, in seinem Zimmer auf ! und ab schritt. „Ich werde mit Gewalt dazwischen fahren. Ich bin schuld, ja und nochmals ja, und immer wieder ja, — ich will es nicht von mir abwülzen. Aber meine Dummheit allein hat es nicht dahin gebracht, da steckt meine gute Freundin dahinter, dieser schwarze Gottseibeiuns, meine gute Pittel- kow, die jeden Tag rappelköppischer wird. Denn soviel dou 86N8 sie hat, so ist sie doch vom Hochmutsteufel besessen, und während sie nach links hin sich einbildet, mit mir machen zu können, was sie will, will sie nach rechts hin die blonde Schwester mit ihrer langweiligen Tngendgrimassc direkt in unsere Familie Hineinspielen. Aber ich werde dem Hause Pittelkvw mit all seinen Annexen zeigen, daß es denn doch die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Undankbare Kreatur. Ans dem Kehricht Hab' ich sie anfgelesen, und als Lohn für meine Gnt- that zahlt sie mir in dieser Münze."
Während er noch so sprach, traf sich's, daß sein Blick von ungefähr in den Spiegel fiel. Er trat denn auch heran, rückte sich das rote Halstuch zurecht und lachte: „So also sieht ein Ehrenmann aus, ein Witwenretter und Waisenvater . . . Habe die Ehre." Und er bekomplimentierte sich selbst. „Immer das alte Lied. Sowie man in der Patsche sitzt, spielt man sich auf den Unschuldigen hin aus, schimpft über die Complicen, die meist viel weniger Schuld haben als man selbst, und läßt andere die Dummheiten entgelten, die man höchst eigenhändig gemacht hat. Und in meinem Falle nennt sich diese schnöde Weißwascherei noch aristokratische Gesinnung und erhebt sich über die Pittelkvws, die sich wenigstens nicht mit «idlodl6886 ottli^s» durch die Welt zieren. Jammervoll. Wohin inan sieht, hat man sich zu schämen. Und doch muß etwas geschehen, und wenn meine Schuld noch zehnmal größer wäre."
Bei diesen Worten zog er die Klingclschnnr. „Eine Droschke, Johann." Und während dieser sich nach dem nächsten Halteplatz aufmachte, machte der alte Graf Toilette, sorglich und vor dem Spiegel, aber doch mit der Raschheit eines alten Militärs.