Heft 
(1889) 40
Seite
660
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Seite 660.

Deutschland.

40.

Schufte, habt Ihr denn schmutziges Wasser statt Rumünenblnt in Euren Adern, daß Ihr, so viele, vor einem alten Türken davonlauft?»

Und so ähnlich hat er uns noch vorgesungen, daß uns Hören und Sehen verging. Da nahm ich mir aber ein Herz und sagte: «Sie sollen leben, Herr Sublocotineut; aber da hilft nichts, der Türkenhund füllt von keiner Kugel. Das sieht man, der hat einen Talisman gegen Schüsse.» Und «so ist es,» bestätigten unsere Jungens einmütig. «Ich lasse Euch alle niederschießen, wie die räudigen Hunde,» schrie der Sublo- cotinent. In solcher Wnt war er, daß ihm weißer Schaum aus dem Munde kam. Ich aber entgeguete, gebührlich salu­tierend: «Das wür doch schade! Dem Türken kann man nur mit dem Säbel beikommen. Gestatten Sie mir, ich will hin­schleichen und aus dem einen Türken zweie machen, so wahr mir Gott helfe!» «Gut, Voicu!» sagte der Herr Subloco- tinent nach kurzer Überlegung. Ob er nns recht gab oder ob er wie die Büchermenschen schon sind, an Talisman doch nicht glaubte und nur notgedrungen so handelte, was weiß ich? Genug, er war mit meinem Vorschläge einverstanden. Auf sein Geheiß schnallte ich mir seinen Säbel um ich als Ge­meiner hatte ja keinen thue einen tüchtigen Zug aus seiner mir angebotenen Flasche das war ein Schnaps, wie ich ihn, seit ich bin, noch nicht getrunken habe schlage als guter Christ, der ich bin, drei Kreuze und mache mich ans die Beine. Ich ging, was ich ging, eigentlich kroch ich vorsichtig, wie eine Katze, durch das Gestrüpp hinauf, bis ich ihn etwa fünf Schritte vor mir habe. Da sitzt er gemütlich vor ihm liegt die Flinte neben der Patronentasche im Grase und singt ein Lied, so ein türkisches, das klang gerade so, wie wenn unser Kirchensänger die Psalmen singt. Brüder, da sah ich ihn also vor meiner Nase. Hei, wie mir das Herz im Leibe vor Fremde tanzte!"

Voicu hielt plötzlich inne. Ursu, den es wurmte, daß der Sergeant durch seine Erzählung die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, hatte den Arm um Zamfiras Nacken geschlungen und mit ihr zu tändeln und nesteln angefangen, um zu zeigen, wie wenig ihn des Soldaten Erlebnisse interessierten.

Das war für Voicu zu viel. Er erhob sich, um mit sei­nem Nebenbuhler anzubindeu.

Da bot ihm der stets auf sein Geschäft bedachte Dimi- triadi, im Glanben, der Erzähler wolle eine kleine Pause machen, einen Schnaps an, dersicherlich besser sei, als der des Sublocotineuts."

Her damit!" rief Voicn und leerte das große Glas in einem Zuge.

Ursu, der wohl gemerkt hatte, wie seine Vertraulichkeiten mit Zamfira Voicu gereizt hatten, und der auch selber Streit herbeiwüuschte, um seinem nervösen Grolle in einer gesunden Keilerei Luft zu machen, versetzte jetzt seiner Braut einen laut­schallenden Kuß.

Mehr hatte es nicht bedurft, um Voicu völlig außer Fassung zu bringen. Er wurde kreideweiß; seine Augen glüh­ten in unheimlichem Feuer, als er jetzt seinen höhnisch lachen­den Widersacher ansah. Ein teuflischer Plan zuckte durch Voicus Hirn. Er setzte stehend seine Erzählung fort, diesmal rasch und hastig sprechend.

Jetzt kommt's," rief er.Paßt ans!" also ich schleiche

von rückwärts auf den Zehen an ihn heran, fasse den Säbel so, mit beiden Händen und haue mit ganzer Kraft auf ihu ein seht ihr so ssft!

Ein schriller, erschütternder Aufschrei Ursu stürzt mit ge­spaltenem Schädel blutüberströmt von der Bank herab. Toten­stille in der menschenüberfüllten Schenke. Alles war von Ent­setzen betäubt. Aber nur eiueu kleinen Augenblick blieb alles stumm. Dann erhob sich wüster Lärm.Bringt Wasser, haltet ihn fest, Mörder, zu Hilfe, Ruhe" tönte es wirr durch­einander.

Dimitriadi riß eiligst die Fallthür auf und verschwand im Nu im Keller; er wollte nicht dabei gewesen sein, er wollte nicht als Zeuge vernommen sein das kostet Zeit und Geld und ist auch sonst lästig.

Endlich legte sich ein wenig der Trnbel, als Pope Jlie sich zu dem am Boden liegenden Ursn beugte, um zu sehen, wie es um ihn stehe. Nun, Pope Jlie konnte nichts anderes thun, als ein Totengebet sprechen.

Voicu, der bisher unbeweglich dagestanden hatte, rief jetzt mit häßlichem Lachen, welches seine schönen Züge zu abstoßen­dem Grinsen verzerrte:Gut getroffen, nicht wahr? Haha! Seht, so anch traf ich den Türken, daß er nicht mehr «Pst» sagen konnte. Ursu ist tot? Nun, ein Hund weniger aus der Welt! .Herr Primär, führen Sie mich ins Gefängnis!"

*

Drei Monate später stand Voicn vor dem Geschworenen­gerichte in der Distriktshauptstadt B. Nachdem der Prokuror die Anklage zn Ende gebracht hatte, erhielt der Angeklagte das Wort, der nichts aussagte, als daß er sich der Geschehnisse nur dunkel wie im Traume zu eriuueru wisse; das sei ihm aber im Gedächtnisse haften geblieben, daß es ihm vorgekommeu sei, als hätte der alte Türke von Plenum seine Zamfira geküßt. Dann, als Ursn znsammenbrach, hätte er freilich gesehen, wer es gewesen.

Hierauf nahm ein Bukarester Advokat, den der inzwischen Kapitän gewordene Jonescu seinem Lieblinge Voicu zu Hilfe gesandt hatte, das Wort, um seine lange, mit vielem falschen Pathos vorgetragene Rede folgendermaßen zn schließen:

Meine Herren Geschworenen! Wie Sie also deutlich

ersehen haben werden, war Voicu bei Ausübung des ihm zur Last gelegten Verbrechens total betrunken, also nicht zurech­

nungsfähig, folglich muß er freigesprochen werden.

Sollten Sie aber wider Erwarten diese meine Ansicht nicht teilen, so will ich noch hervorheben, daß man auch dann die That nicht strafen darf, denn unser Klient handelte im so­genannten dramatischen Affekt. Sie als gebildete Leute werden von dem Falle Kenntnis haben, wie ein Schauspieler einer

ausländischen Bühne sich so sehr in seine Rolle hineingelebt

hat, daß er in einer großartigen Ermordungsscene seinen Part­ner thatsächlich tötete. Und wurde etwa der Künstler bestraft? Gott bewahre! Er erhielt sogar von seinem Souverän einen Orden für sein naturgetreues Spiel.

Nun stellen Sie sich im Geiste die Scene im Miueschtier Wirtshause vor: Voicu, ohnedies vom reichlichen Trinken er­hitzt, ergreift im Feuer der Erzählung den Säbel, und um die Scene der Niedermetzelung recht anschaulich zu machen, haut er