Heft 
(1889) 40
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ist bei einigen Organen recht erfolgreich ansgeführt worden, nnd zwar am Magen, Kehlkopf, den Gesichtsknochenhöhlen. Die Durchleuchtung des Magens ist jüngst ans Amerika be­schrieben worden. Die Durchleuchtung des Kehlkopfs und der Gesichtshöhlen ist bereits seit längerer Zeit im Gebrauch, jedoch erst in den letzten Jahren wieder zu allgemeiner Geltung ge­kommen, da die Untersnchungsmethode vielfach nur für eine elegante Spielerei gehalten wurde. Zur Durchleuchtung kann man sich bequem des oben beschriebenen Znngenspatels bedienen; das Untersnchungszimmer muß vollständig verdunkelt sein. Die elektrische Glühlampe wird an verschiedenen Stellen des Kehl­kopfs angelegt nnd bewirkt hiernach eine verschieden starke Durchleuchtung desselben. Bei der elektrischen Durchleuchtung der Gesichtsknochen, welche besonders in Betracht kommt, um Geschwülste oder Flüssigkeitsansammlungen in den Gesichts- Höhlen festznstellen, nimmt der Patient die Lampe in den Mund, nachdem die metallenen Teile zur Isolierung mit einem nassen Tuche umwickelt sind. Läßt man die Lampe dann erglühen, so kann man das Gesicht bis zu den Augen durchleuchtet sehen.

Die Elektrieitüt bezw. das Telephon hat inan noch benutzt, um die Töne des Pulses, des Herzens, der Muskeln zur An­schauung zu bringen ; jedoch erfreuen sich die zu diesem Zwecke angefertigten Apparate keines ausgedehnten wissenschaftlichen Gebrauchs. Außerdem wurde die Elektrieitüt bisher zu kriegs- chirnrgischen Zwecken in Anwendung gezogen, nämlich zum Suchen und Auffinden der Geschosse in den Schußwunden. Die hierzu angegebenen Instrumente beruhen darauf, daß me­tallene Sonden, deren Griffe mit einer Batterie in Verbindung stehen durch ein zwischen ihren Knöpfen befindliches Metall- stiick ldas Geschoß) eine geschlossene Kette darstellen. Schaltet man zwischen Batterie und Sonde eine kleine elektromagnetische Klingel oder Magnetnadel ein, so wird der Schluß der Kette, d. h. die Berührung des von der Sonde gefundenen Geschosses, durch das Klingeln oder den Ausschlag der Magnetnadel an­gezeigt. Der Apparat dürfte jetzt wohl nur noch sehr selten oder gar nicht mehr zur Anwendung gelangen, da dank der antiseptischen Wundbehandlung das Suchen der Kugeln und Sondieren der Wunden zu diesem Behnfe gänzlich in Fortfall kommt. Hat ein Geschoß getroffen, nnd befindet sich irgendwo im Körper, so bleibt es, wenn es nicht so oberflächlich sitzt, daß es unmittelbar ohne Sondierung und Erweiterung des Schnßkanals entfernt werden kamt, einfach liegen. Die Wunde wird nicht sondiert, befühlt w., sondern streng antiseptisch behandelt nnd verbunden. Die Kugel kann als Fremdkörper, ohne weitere Beschwerden zu verur­sachen, reaktivnslos nnd aseptisch einheilen. Macht sie später Beschwerden, so ist es dann noch immer an der Zeit, sie zu entfernen. Das Erweitern nnd Sondieren der Schußkanäle ans dem Schlachtfelde nnd ersten Verbandsplatz bewirkt nur, daß Unreinlichkciten in die Wunden gebracht werden, und sicherlich beruhte eiue große Auzahl von Wuudsieberu und anderen accidentellen Wundkrankheiten in früheren Kriegen ans dieser in unserer antiseptischen Ära gar nicht genug zu tadelnden Unsitte. Auch hierin hat unser Jahrhundert einen glänzenden Fortschritt durch Joseph Listers unsterbliches Werk gemacht. Es steht zu hoffen, daß die Früchte desselben in einem nächsten, d. h. noch recht fernen, Kriege zahlreichen Verwundeten zum Segen gereichen werden.

Zum Schluß sei noch einer in allerjüngster Zeit auf elektro­technischem Gebiete gemachten Erfindung gedacht, welche be­sonders für Ärzte in Großstädten viele Annehmlichkeiten mit sich bringen dürfte. Alle die bisher geschilderten Anwendnngs- arten der Elektrieitüt erfordern den Gebrauch sehr verschieden­artiger Batterieen, die aus sehr verschiedenen Elementen zu­sammengesetzt sind. Für die Galvanokaustik und Glüh­licht sind einige wenige große Elemente mit sehr großen Metallplatten gebräuchlich; hier findet auch eine sehr schnelle Abnutzung der Elemente statt. Die Elektrolyse nnd die Elektro­therapie und -diagnostik bedingen zahlreiche kleine Elemente. Man hat bereits vor Zeiten versucht, alle diese verschiedenen Stromesarten von einer einzigen Quelle erzeugen und von

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einem Apparat ans in Thätigkeit treten zu lassen; stets jedoch scheiterte dieser Plan an technischen Schwierigkeiten. Man könnte die Elektrieitüt von Dynamomaschinen Herstellen lassen, welche ihrerseits durch Wasserleitung, Gas oder Handbetrieb (Wasser-, Gas-, Handmotoren) in Wirksamkeit gesetzt werden. Die hierdurch gelieferten Ströme haben aber für manche An- wendnngsarten des Stromes nicht genügend große Spannung, und es ist daher als ein weiterer Fortschritt zu bezeichnen, daß es gelungen ist, in Berlin die von den Berliner Elek- tricitätswerken gelieferte Elektrieitüt allen verschiedenen An- wendnngsarten in der Heilkunde nutzbar zu machen. An einem einzigen Tische, welchem der elektrische Strom von der Straßen­leitung mittels einfachen Kabels zugeführt wird, befinden sich die verschiedenen notwendigen Widerstünde, Rheostaten und andere Apparate angebracht. So ist es ermöglicht, von einem kastenförmigen Apparate ans die Elektrieitüt für alle Zwecke zu ver­wenden. Es ist damit zugleich der ungeheure Vorteil verbunden, daß die sonst so lästige Erneuerung der Elemente unnötig und ein Versagen des Stromes, sonst keine Seltenheit gerade im Augenblick des Gebrauchs, so gut wie ausgeschlossen ist. Durch eiue einfache Stöpselvvrrichtung kann mau sich jederzeit den gewünschten Strom in beliebiger Stärke und von stets gleich bleibender Konstanz zur Benutzung Herstellen. Natürlich kommt diese Bequemlichkeit nur denjenigen Ärzten zu gute, welche in Städten oder Straßen wohnen, welche mit Kabeln zur elektrischen Beleuchtung versehen sind. Vielleicht ist es doch in Zukunft möglich, durch passende sinnreiche Vorrich tnngen auch die von Wasser- oder Gasmotoren erzeugten elek­trischen Ströme zum Gebrauch in der Heilkunde geeignet zu machen. Außer den eben genannten Vorzügen ist noch die Konstanz des Stromes und die Billigkeit des Verbrauchs -- allerdings nicht der Anlage bei den neuen Apparaten her- vorznheben.

Musikrr-Tiipen.

Vier Normal-Biographieen von Woreich Woszkowslli.

I.

c^ohann August Gottlieb Lindemayer wurde am 2. Februar 1834 in Klein-Pnstewitz bei Brake im Lippe- scheu geboren. Sein Vater bekleidete daselbst das Amt eines Organisten und leitete die musikalische Ausbildung seines Sohnes, dessen außerordentliches Talent sich bereits im fünften Jahre bemerkbar machte, bis zu dessen Einsegnung. Durch ein ihm vom Fürsten zu Lippe gewährtes Stipendium von fünfzehn Thalern jährlich wurde letzterer nun in den Stand gesetzt, nach Detmold überzusiedelu, wo er die Unterweisung des vortrefflichen Hofmusikus Rantenbrecher genoß, welcher den strebsamen Jünger im Klavier-, Vivlin- und Cellospiel, sowie auch im Generalbaß nnd einfachen Kontrapunkt mit so gutem Erfolge unterrichtete, daß derselbe bereits nach zwei Jahren eine erfolgreiche Konzertreise durch den ganzen Nordwesten des Fürstentums unternehmen konnte. Die Einnahmen dieser Tournee setzten Lindemayer nunmehr in den Stand, in Berlin unter Rungenhagen und Dehn zwei weitere Jahre dein Studium des doppelten Kontrapunkts und achtstimmigen Satzes obznliegen, nach deren Ablauf er einige Motetten, Psalmen, Sonnten, so­wie das OratoriumBonifaeius" schrieb, welche Werke indes keinen Verleger fanden. Durch das Ausbleiben äußerer An­erkennung um so mehr gereizt, schuf Lindemayer in den nächsten zehn Jahren noch eine große Anzahl leider unbeachtet geblie­bener Vokal- und Jnstrumentalwerke, nnd erhielt alsdann im Jahre 1864 infolge warmer Empfehlungen seitens Tauberts, Dorns, Brosigs, Hitlers und Reineckes die Stelle eines Kan­tors an der protestantischen Pfarrkirche zu Naumburg, in welcher Stadt er fünfzehn Jahre hindurch den segensreichsten Einfluß ans das dortige Musikleben ansübte. Mächtig angeregt von

Deutschland.