Heft 
(1889) 43
Seite
701
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Nr. 43.

Erscheint Sonnabends

und ist in der Post-Zcitungsprcisliste unter Nr. 1738 eingetragen.

Berlin, den 26. Juli.

Abonnementsprels

bei der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.

189V.

Inhalt: Ein anstößiges Verhältnis. Die Geschichte zweier reinen Seelen. Skizze von E. von Wald-Zedtwiy. Helgoland und Sansibar. Von P. Asmnsscn. Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das akademische Knnstjahr 1890. Von ' , ' (Schluß). Lebensgemeinschaften. Von I)r. Theodor Jaensch (Fortsetzung). Schule Gntte. Entseelte Wehstände von Bahrmann Herr. Von X. Gottfried Keller ch. Ein Totengespräch. Von F. M. Kleine Kritik.

ist KstßößigdK Krhältstis.

Die Geschichte zweien meinen Soeben.

Skizze

von

G. von Matd-Zedtivitz.

I.

ist ein freundliches Zimmer mit und ohne Kost ENMfH an einen ruhigen Mieter abzugeben. Drei Treppen

Nun, ein ruhiger Mieter war Berthold Stein, das konnte er ohne Selbstüberhebung von sich sagen, nnd so stieg er denn, ohne einen Blick auf die ärmliche Umgebung des kasernenartigen Hauses zu werfen, die drei Treppen hinauf. Ein Unterschied war in den einzelnen Stockwerken kaum zu bemerken: Alles kahl, nnwohnlich, steil wie eine Hühnerstiege, mit ausgetretenen Stufen und fettglünzendem Geländer, verband die Treppe eins mit dem anderen.

Draußen auf der Straße Ärmlichkeit, hier im Hause Ärm­lichkeit. Berthold Stein war daran von Jugend auf gewöhnt; bei dem Schneider, wo ihn sein Onkel nach dem Tode seiner Eltern, ehrbare Pastorenleute, für wenig Geld in Pension ge­geben, hatte es auch nicht besser ausgesehen.

Im Anfänge war ihm, der aus dem dörflichen Prediger­hause immerhin an eine gewisse Behaglichkeit gewöhnt gewesen war, das zwar hart angekommen, nach und nach hatte er sich aber darein gesunden, und jetzt schaute er mit Genugthuung auf jene Zeit zurück. Hatte ihn doch oft der Hunger an die Ar­beit getrieben, hatte er doch seine Abgangsprüfung bestanden und sich an die Entbehrungen gewöhnt. Was hätte er an­fangen sollen, wenn er erst jetzt Plötzlich verwaist und verarmt wäre? Nun wußte er's nicht anders, als daß Darben sein Los war.

Dreihundert Mark erhielt er während seiner auf ein Jahr

bemessenen Studienzeit von dem Onkel weiter. War's da nicht gut, daß er verstand, sich auch einmal am Abend mit einer- trockenen Brotkruste zu behelfen, und daß er sich nicht gleich in den Strohsack verkroch, wenn einmal bei fünfzehn Grad Külte kein Feuer im Kanonenöfchen brannte, oder daß er sich trotzdem auf die Straße wagte, wenn der Überzieher nun im Leihhanse träumte?

Drei Treppen na, da wären wir. Mein Schnei­der wohnte zu ebener Erde." Berthold lächelte.Daß der Mensch doch immer vergleichen muß. Und diese eingeschlossene Luft bei meinem Schneider da war's freier. Hol' der Teufel den Schnei"

Berthold Stein verschluckte den nnchristlichen Wunsch und entsann sich noch zur rechten Zeit, daß sich das für einen an­gehenden Pastoren am Ende würde er noch einmal Oberhojdomprediger oder so etwas Ähnliches, oder kam als Oberkonsistorial- und Geheimer Oberkirchenrat ins Ministe­rium wer konnte das wissen? sich nicht schickte.

Links. Hm. Das ist hier-aber da sind drei

Thüren drei Glocken drei Schilder. Welche ist nun die richtige? Bei meinem Schneider" War er denn nur mit dem Mann des Bügeleisens getraut? Gott sei gelobt und gedankt, nein, denn die Alte und die Töchter, und was da noch alles mit im Zusammenhänge -- es wäre schreck­lich gewesen.

Bim." Er zog an einem rohgearbeiteten Holzgriff, der seine Politur allein durch die verschiedenen Hände empfangen hatte, welche ihn im Laufe der Zeit berührten. Schritte, dumpfe Schritte, solche wie Menschen sie schreiten, welche fast nur Morgenschuhe tragen, näherten sich, zwei krankhaft weiße Finger schoben den roten Halbvorhang auseinander, und ein rundes Auge, dessen Farbe er nicht erkennen konnte, war auf ihn gerichtet. Gehörte dieses Auge einem männlichen oder weiblichen Wesen?

Was wünschen Sie?" klang es von innen. Das sprach ein Frauenzimmer. Traute es ihm nicht? Hm, hervor-