Deutschland.
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Arbeiten, welche in früheren Jahren unter der Bezeichnung Post- und Telegraphendienst, sowie Eisenbahndienst und Fnhr- betrieb znsammengefaßt wurden, werden wir Viermalhunderttausend ^ Personen betrauen. Weiter werden wir zweimalhun- derttausend Personen beauftragen, reisende Bürger zu beherbergen und zu verpflegen, sowie solchen, welche keine eigene Haushaltung haben, die vom Staat vorgeschriebene Kost zu verabreichen.
Dadurch haben wir im ganzen 18555000 Personen ihre Beschäftigung fest zugewiesen, doch ist damit die Reihe der mit Arbeit beglückten Personen noch nicht erschöpft. Es treten alle diejenigen hinzu, welche Gebrauchsgegenstände untergeordneter Art anfertigen müssen, welche für die Vermittelung des Verkehrs — eine Arbeit, welche man früher als Handelsgeschäft bezeichnte — zu sorgen haben und schließlich sowohl die jenigen, welche den Verkehr mit fremden Völkern zur Erwerbung gewisser und notwendiger Rohstoffe vermitteln sollen, als auch diejenigen, welche gewisse, ausschließlich zum Export bestimmte Gegenstände Herstellen müssen, deren wir bedürfen, um den Wert der eingeführten Rohstoffe auszugleichen. Zu diesen letzteren gehören auch tausend Personen, welche an den Ufern des Rheins mit Goldwäscherei beschäftigt sind; obgleich wir selbst in der glücklichen Lage sind, des Goldes für unseren Verkehr nicht zu bedürfen, da derselbe einzig und allein durch unsere Lohnanweisungen reguliert wird, welche durch zweitausend Personen hergestellt werden, so gebrauchen wir das Gold doch zur Bezahlung für die einzuführenden Rohstoffe. Ob es unseren Bemühungen gelingen wird, durch Anlage von großartigen Treibhäusern und Bodenheizungs-Einrichtungen uns vom Auslande ganz unabhängig zu stellen, damit wir auch die wenigen, gleichsam als Ausfallpforten zu bezeichnenden Häfen schließen und so uns vollständig von der Außenwelt isolieren können, bleibt abzuwarten. Zu diesen Arbeiten werden rund vier und eine halbe Millionen Menschen gebraucht werden.
Zu allen diesen Arbeiten tritt nun aber noch eine Million Personen, welche mit der Verwaltung und Beaufsichtigung unseres Staatswesens beauftragt werden. Es mag manchem diese Zahl hoch erscheinen, aber Sie müssen bedenken, daß nicht nur die Verwaltung der gesamten Organisation, die Auswahl der für jede Arbeit von uns für befähigt erachteten Personen viel Arbeit kosten wird,, sondern daß auch eine große Anzahl von Personen mit der Überwachung der Bevölkerung betraut werden muß, um jede Übertretung der behördlichen Anordnungen zu verhindern. Es ist nicht ausgeschlossen, daß noch bei manchem Sehnsucht nach den alten, verrotteten Zuständen herrscht, daß so mancher den Versuch machen wird, sich der Arbeit zu entziehen und sie von anderen verrichten zu lassen, denen er durch List und Versprechungen ihre Lohnanweisungen ablocken wird, daß so mancher den Versuch machen wird, trotz aller Schranken in Verkehr mit dem Ausland zu treten oder gar unserem Staatsverbande sich zu entziehen. Alles das sollen die Aufsichtsbeamten verhindern, sie sollen durch ihre Klugheit erfahren, wenn solche Neigungen vorhanden sind, oder wenn Versuche gemacht werden, sie auszuführen, damit die vollziehende Gewalt durch strenge Strafen die Durchführung ihrer Organisation erzwingen kann.
Damit hat die Zahl der von der Regierung in ihrer Organisation eingereihten Arbeiter die Zahl von vierundzwanzig Millionen erreicht; es bleiben noch sechsundzwanzig Millionen Einwohner unseres Staates, welche allerdings von jenen vierundzwanzig Millionen ernährt werden müssen. Es sind dies zum größten Teil Kinder, schwache Frauen und Personen über sünfundsechzig Jahre, welche nach der Organisation unseres glücklichen Staates von jeder Arbeit befreit sind. Den Rest bilden die in der Haushaltung beschäftigten Personen, d. h. die Ehefrauen und halberwachsenen Töchter der arbeitenden Männer, welche von dem Staate weiter nicht kontrolliert werden.
Ich hoffe, meine lieben und geschätzten Mitbürger, daß Sie meinem, Ihnen in großen Zügen dargelegten Arbeitsver
teilungsplan Ihre Zustimmung nicht versagen werden und schließe ich mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Durchführung desselben unserem Vaterlande zum Heil, der sozialistischen Idee zum Ruhme gereichen werde.
Lauter und anhaltender Beifall von allen Seiten des hohen Hauses belohnte den Redner, und die Reichsboten drängten sich um seinen Platz, um ihm durch Händeschütteln ihre Zustimmung auszndrücken. Alles in allem kann man den Eindruck in die Worte zusammenfassen, daß der Reichstag mit dem Bewußtsein auseinanderging, daß heute ein großer und wichtiger Schritt auf der Bahn der sozialistischen Organisation gemacht, daß jetzt das sozialistische Deutschland fest und sicher begründet sei.
Uch eiiliiml die «kadeimsiheii Aussteilmgspreise.
Von
Julius Ku.
^^^ieder einmal hat in Berlin eine akademische Knnstaus- stellung stattgefunden, wiederum hat die Jury ihr Urteil gefüllt, und jeder, der will, kann sich darüber freuen. Freilich kann auch niemand verboten werden sich zu ärgern, und dieser Ärger hat nichts Besonderes an sich, sondern er schließt sich ganz zwanglos an den über die vorjährige Ausstellung und Preisverteilung an. Man hat in Berlin schon manches gesehen, was man lieber nicht gesehen Hütte, das weiß Gott! aber das diesjährige ist denn doch mit das Schlimmste, was bisher beschert worden ist. In der ganzen Ausstellung sah man nicht mehr als vielleicht fünf große Künstler, im nächsten Jahre werden es vielleicht drei werden, vielleicht noch weniger; wir wollen uns frohen Hoffnungen für die Zukunft nicht verschließen, vielleicht sagt uns die Kunst überhaupt Valet und geht nach München, was ich ihr nicht verdenken kann.
Wenn man die ganze Unsumme von Mittelmäßigkeit, Unfähigkeit und Unsinn, welche die diesjährige Ausstellung beherbergte, an sich vorüberziehen läßt, so muß man der Jury das tiefste Beileid ausdrücken. Erstens deswegen, weil sie es nicht verstanden hat. diesen ganzen Wust fern zu halten, zweitens, weil sie als Jury genötigt war, bei der Prämiierung die richtigen Leute zu — verfehlen, was in Anbetracht der wenigen, die in Betracht kamen, eine allerdings nur ihr zu lösende Aufgabe war. Aber sie löst sie mit Eleganz, und ehe man es sich versieht, steht man einigen „Unsterblichen" gegenüber, denen man es sonst wirklich nicht angesehen Hütte.
Ich will damit nicht gesagt haben, daß die Jury in einigen wenigen Füllen nicht auch den Richtigen getroffen Hütte. So ist z. B. gegen d-ie Verleihung der kleinen Medaille an Herrn Koner nichts einzuwenden, auch will ich nichts dagegen sagen, daß Frau Parlaghy mit demselben Preise ausgezeichnet worden ist, wenn ich auch in die allgemeine Bewunderung ihres Windthorst-Porträts nicht mit einstimmen kann, wenigstens nicht in so lauter Weise, und zwar aus folgendem Grunde: Es giebt in der dramatischen Litteratur Rollen, die nicht völlig zu verderben sind, wenn auch der Darsteller es an liebevoller Bemühung nicht fehlen läßt. Es kann der unbefühigtste Schauspieler sein, er bringt immer noch etwas. Solche Figuren giebt es für die Porträtmalerei auch. Es kann an sie herantreten, was da wolle, etwas wird doch immer daraus, und es ist ganz selbstverständlich, daß, wenn eine befähigtere Hand sich mit ihnen beschäftigt, etwas verhältnismäßig viel Vorzüglicheres entsteht, als bei anderen Personen unter gleichen Umständen. Nun ist Windthorst eine Figur, wie sie sich der Porträtmaler nicht besser wünschen kann, ein charakteristischer, weltbekannter, leicht zu treffender Kopf mit einem Ausdrucke, der längst in das öffentliche Bewußtsein übergegangen ist. Was Wunder, wenn da etwas Besonderes entsteht. Daß der Künstlerin die