Heft 
(1988) 45
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Wechsel, sondern sie erhielt die Post aus Italien und beantwortete diese auch. Dabei betonte sie nachdrücklich, daß sie ihre Kinder bewußt sehr einfach erzogen habe, damit es für diese keinen Grund für eine reiche Heirat gäbe. Sie selbst hätte ihren Mann geheiratet, bevor dieser einen Pfennig besaß. Von Hensel erwartete sie, daß er die ihm gebotenen günstigen Aussichten für seine künstlerische Entwicklung auch klug nutzte. 21

Im Auftrag des preußischen Königs kopierte Hensel RaffaelsTransfiguration". Diese Kopie befindet sich noch heute im Raffaelsaal der Orangerie in Pots­dam. In Rom entstand auch das GemäldeChristus und die Samariterin am Brunnen". Beide Bilder kaufte der preußische König. Hensel wurde zum Hof­maler ernannt, Mitglied der Akademie der Künste und wenig später auch Professor. Der Verlobung im Januar folgte am 3. Oktober 1829 die Ehe­schließung mit Fanny. 1830 wurde das Familienglück mit der Geburt des Sohnes Sebastian vollkommen. Das Ehepaar achtete sehr darauf, den Lebens­unterhalt vor allem aus dem Erlös künstlerischer Arbeit zu bestreiten, zumal es dem Maler an Aufträgen und Schülern nicht fehlte.

Als wichtigstes Werk Hensels gilt sein großes GemäldeChristus vor Pilatus", das Altarbild in der Berliner Garnisonkirche wurde und 1908 mit dieser verbrannte. 22

Das Jahr 1847 brachte Wilhelm Hensel schwere Schicksalsschläge. Im Mai starb plötzlich seine geliebte Frau, im November sein Schwager Felix. Crößere Werke entstanden nicht mehr, wohl aber noch fast 500 der über 1000 Bildnis­zeichnungen. 22

In der Revolution von 1848/49 war Hensel gewählter Kommandierender des Fliegenden Korps der Künstler", eines bewaffneten Verbandes aus Künstlern und Studenten, der wertvolle Bauten, Kunstsammlungen und wissenschaftliche Einrichtungen schützen sollte. Dem konservativen Hensel ging es aber auch um den Schutz des Königshauses. 2,1

In seinen ErinnerungenVon Zwanzig bis Dreißig" beschreibt Fontane Hensel sehr anschaulich:In Trebbin geboren, märkischer Predigersohn, war er der Typus eines Märkers, gesund, breitschultrig, festen Willens und mit kleinen, listigen Augen. Trat er ein, so glaubte man einen in die Großstadt verschlage­nen Amtmann zu sehen, und daß ihm, vierzig Jahre früher, die schöne Fanny Mendelssohn zuteil geworden, konnte wundernehmen. Erfuhr man aber, was es mit dem .Amtmann' auf sich habe, so war einem klar, daß die schöne Fanny sehr richtig gewählt habe." 2 1Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes, oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben." 26 Als er einem im Straßenverkehr bedrohten Menschen beisprang, verletzte er sich selbst und starb am 26. No­vember 1861 daran. Ob die Rettungstat einem Kind, einer Frau oder einem ortsfremden Mann galt, blieb bis heute ungeklärt. 27

Diese spontane Hilfsbereitschaft, die ihm selbst schließlich zum Verhängnis wurde, war für Hensel charakteristisch. Als er 1839/40 mit seiner Familie in Italien weilte, bemerkte er in Venedig eines Tages einen großen Menschen­auflauf an einem Ziehbrunnen. Hensel drängte sich durch und erfuhr, daß einer der jungen Wasserträgerinnen beim Wasserschöpfen das goldene Kreuz- chen ihres Halskettchens in den Brunnen gefallen war. Gegen eine gebotene gute Belohnung ließ sich ein junger Fischer von dem Maler in den Brunnen

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