hinabwinden und holte das Kreuzchen heraus. Seitdem war Hensel bei allen Wasserträgerinnen sehr beliebt, und jene, die ihren Schmuck zurückerhalten hatte, ließ sich von ihm zeichnen.® Als 1861 Hensels Tod in Berlin bekannt wurde, trauerten ehrlichen Herzens auch viele Arme, denen er stets mit offenem Ohr und offener Hand begegnet war. 29
Nachdem Fontane Hensels Grab auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Berlin auf- gesucht hatte, kamen ihm Zweifel, ob es bei der Trebbin-Überschrift bleiben könne, denn auf dem Grabkreuz war Linum als Geburtsort angegeben. Das Trebbiner Kirchenbuch gab aber Fontanes ursprünglicher Meinung recht. Als 1971 das Grabkreuz erneuert wurde, wählte man bewußt den Text, den Fontane gelesen hatte, und unterließ eine mögliche Korrektur. 90 Treffend charakterisiert Fontane die Vielschichtigkeit des Menschen, den er kannte: „Wilhelm Hensel gehörte ganz zu jener Gruppe märkischer Männer, an deren Spitze als ausgeprägteste Type der alte Schadow stand. Naturen, die man als doppellebig, als eine Verquickung von Derbheit und Schönheit, von Gamaschentum und Faltenwurf, von preußischem Militarismus und klassischem Idealismus ansehen kann. Die Seele griechisch, der Geist altenfritzig, der Charakter märkisch."' 11
Wenn die Historikerin Dr. Cecile Lowenthal-Hensel, eine Urenkelin des Malers und die wohl beste Kennerin seines Lebensweges, in unseren Tagen darangeht, eine umfassende Biographie Wilhelm Hensels zu schreiben, ist dies sicher ein sehr mühsames Unterfangen. Hensel hinterließ keine umfangreichen Aufzeichnungen, so daß vieles erst aus oft sehr subjektiven Äußerungen seiner Angehörigen und von Zeitgenossen erschlossen werden muß, deren Spur nicht selten nur über die zahlreichen Porträts von Hensels Hand aufgespürt werden kann. Um so wichtiger wird da Fontanes Schilderung, die „lebendigste und menschlichste, so kurz sie auch ist". 92 „In ihrer Prägnanz und Klarheit kann diese Charakterisierung auch heute noch als unübertroffen angesehen werden." 99
Anmerkungen
1 Vgl. Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Spreeland. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1979, S. 670.
2 s. Anm. 1, S. 466.
3 s. Anm. 1, S. 467 ff.
4 Vgl. Theodor Fontane über Wilhelm Hensel. - In: Mendelssohn Studien. Beiträge zur neueren deutschen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Hrsg, von Cecile Lowenthal-Hensel und Rudolf Elvers. Berlin: Duncker & Humblot 1979, Band 3, S. 190, Anm. 11. Die Mappen 1-3 und 5-47 gingen 1956 aus Privatbesitz in das Eigentum der Neuen Nationalgalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin (West) über. Die Mappe 4 wurde schon 1881 Eigentum der Nationalgalerie in Berlin und befindet sich noch heule dort.
5 Vgl. Bartosehek, Gerd: Berliner Biedermeier. Potsdam-Sanssouci 1973. Anhang: Gemälde Berliner Maler der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Berlin-Potsdamer Schlössern, S. 48 f.
6 Bartosehek, Gerd und Schendel, Adelheid: Deutsche Künstler in Italien. Zeichnungen aus dem Jahre 1823. Potsdam-Sanssouci 1976, S. 18 ff.
91