unter der erwähnten Rubrik bekannt. R. Speirs (Birmingham) arbeitete die „Rolle der Phantasie" im Roman, besonders bei der Figur der Lene Nimptsch, heraus und sieht durch deren realistische Behandlung bei Fontane auch dessen Rang als Realisten erhöht. Peter Wruck lieferte eine umfassende Interpretation, die den Roman als verinnerlichte Konfrontation sozial unterschiedlicher Lebensformen erfaßt.
Als Fazit der bisherigen Beiträge über „Irrungen, Wirrungen“ ergibt sich, daß der Roman ideell-kompositorisch zunehmend intensiver erschlossen wird. Diese fortschreitende hohe Erschließbarkeit, ja interpretatorische Unerschöpf- lichkeit erweist seinen außerordentlichen Kunstrang. (Fontane wollte ja weitaus mehr Künstler als Schriftsteller sein.) In diesem Zusammenhang ist auch die international gewachsene Forschung als ein Ausdruck der weltweit steigenden Resonanz von Fontanes Werken zu sehen.
An den Bemühungen, „Irrungen, Wirrungen" als durchkomponiertes poetisches Gebilde zu erschließen, beteiligte sich inzwischen auch Gunter H. Hertling, der den Lesern der FB in Heft 37 von Dietrich Grohnert als Verfasser einer Studie über „Stine" als „eine entzauberte .Zauberflöte'" vorgestellt wurde.
Eine ähnlich interessante, objektiv vielleicht sogar noch wichtigere Themenstellung greift Hertling in der Studie „Theodor Fontanes .Irrungen, Wirrungen. Die .Erste Seite' als Schlüssel zum Werk" auf. Er konzentriert sich auf den von der Wissenschaft vernachlässigten' Werkeingang, um ihn in Beziehung zum Romanganzen zu setzen.
Eröffnet wird Hertlings neuer Beitrag über Fontane jedoch durch einen interessanten Vergleich zwischen „Irrungen, Wirrungen" und „Effi Briest". H. geht in unserem Sinne davon aus, „daß .Irrungen, Wirrungen' und ,Effi Briest' die wohl künstlerisch reifsten Berliner Gesellschaftsromane Theodor Fontanes sind" (S. 9). Er möchte, auch durch Analyse der Eingangspassage von „Irrungen, Wirrungen", „die modisch gewordene .Bevorzugung' von ,Effi Briest' infrage stellen" (S. 14). Gemeinsamkeiten zwischen beiden Werken sieht er in der Gesellschaftskritik und in der „weltanschaulich resignativen Stimmung" (S. 14), Unterschiede im Grade der romanhaften Breite und im Menschentum: „Straffung, Kälte und Tragik einerseits, liebevolle Menschengestaltung andererseits" (S. 15). „Effi Briests eisige Welt läßt sich mit der so viel wärmeren um Lene Nimptsch und Botho kaum vergleichen" (S. 10). Motto und methodischer Schlüssel für die vorliegende Untersuchung ist die briefliche Äußerung Fontanes vom 18.8.1880 gegenüber Gustav Karpeles: „Das erste Kapitel ist immer die Hauptsache und in dem ersten Kapitel die erste Seite .. . Bei richtigem Aufbau muß in der ersten Seite der Keim des Ganzen stecken. Daher diese Sorge, diese Pusselei. Das Folgende kann mir nicht gleiche Schwierigkeiten machen . . ."
Der aus vier „konstruktionsschweren Langsätzen" (S. 23) bestehende „Einführungspassus bzw. gar ,-paragraph" (S. 40, 45, 58) wird als Keim für den gesamten Roman angesehen, nicht nur für die ersten Kapitel. Daraus ergibt sich die Frage, w i e das Werkganze in die viersätzige Einführung" (S. 24) hineinprojeziert ist. Hertling verweilt besonders bei den beiden Eingangssätzen, die Raum und Zeit beschreiben, während er sich bei den Sätzen drei und vier, mit denen die erzählerische Lockerung und Entfaltung einsetzt, kürzer faßt. Der Roman beginnt bekanntlich mit den Worten: „An dem