Heft 
(1988) 45
Seite
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Springpunkt in der Verweigerung Stines gegenüber Waldemar. Dabei verkennt er freilich nicht die Bedeutung der von Fontane als Hauptfiguren angesehenen Witwe Pittelkow und des alten Grafen.

Die verzweifelte Entschlossenheit Stines, mit der sie sich an die gegebenen bürgerlichen Normen aus Angst, ins soziale Abseits gedrängt zu werden zu klammern versucht und mit der siedie verborgene Intensität ihres Ge­fühls" (S. 150) unterdrückt, richtet, so Demetzdie Spitze der Gesellschafts­konvention gegen Waldemar" (ebd.), der er selbst nur, Stine mitreißend, durch den Freitod zu begegnen in der Lage ist.

Ein prägnanter novellistischer Konflikt von gesellschaftlicher Brisanz und auf hohem künstlerischem Niveau, eine Novelle von eminenter Bedeutung.

... Es ist gewiß alles so, wie Sie; sagen .-

es ist so hinsichtlich der Mischung von Romantischem und Realistischem und es ist so hinsichtlich der Parallele zwischen Lene und Stine. Lene ist berli­nischer, gesünder, sympathischer und schließlich auch die besser gezeichnete Figur. Auf die Frage ,Lene' oder .Stine' hin angesehen, kann Stine nicht bestehen. Darüber habe ich mir selber keine Illusionen gemacht. Das Beiwerk aber mir die Hauptsache hat in Stine vielleicht noch mehr Kolorit. Mir sind die Pittelkow und der alte Graf die Hauptpersonen, und ihre Porträtie- rung war mir wichtiger als die Geschichte. Das soll gewiß nicht sein, und der eigentliche Fabulist muß der Erzählung als solcher gerechter werden, aber das steckt nun mal nicht in mir. In meinen ganzen Schreibereien suche ich mich mit den sogenannten Hauptsachen immer schnell abzufinden, um bei den Nebensachen liebevoll, vielleicht zu liebevoll verweilen zu können. Große Geschichten interessieren mich in der Geschichte; sonst ist mir das Kleinste das Liebste. Daraus entstehen Vorzüge, aber auch erhebliche Mängel, und diese so nachsichtig berührt zu haben, dafür Ihnen nochmals schönsten Dank ..."

(Theodor Fontane, Brief an Theodor Wolff. Berlin, 24. Mai 1890)

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