ten — die symbolisch-lyrisierende Erzählweise ein hochmoderner zeitgenössischer Stil geworden. Man denke nur an die suggestive Symbolik bei Hemingway in „Der alte Mann und das Meer", an Juri Trifonows Maximen, einen Roman als Novelle zu erzählen und „in der Kürze Unendliches zu finden" 1 ’ 1 , die zum Beispiel in seiner Moskauer Novelle „Der Tausch" exemplarisch verwirklicht sind, oder an die Symbolhaftigkeit und Gedichthaftigkeit der Prosa Christa Wolfs, um nur einige markante Beispiele zu nennen. Unmittelbare Anklänge an Thomas Mann, speziell an die „Tristan"-Novelle, findet man bei Christa Wolf in „Nachdenken über Christa T." im 12. Kapitel bei Gestaltung der Wiederbegegnung zwischen Christa T. und einem ihrer früheren Schüler 111 . Die stoffliche Entlastung der Romankunst durch andere Künste und Medien und das gewachsene allgemeine Kunstbewußtsein haben die symbolisch-lyrisierende parabelhafte Erzählweise zu einer Notwendigkeit erhoben. Fontane und Thomas Mann, zu denen sich Christa Wolf, Günter de Bruyn oder auch Juri Trifonow direkt bekennen, sind damit Ahnherrn und Triebkräfte der „ästhetischen Emanzipation" 17 in der modernen sozialistischen Literatur in der DDR und in der Sowjetunion, bei der es sowohl um die Überwindung reiner soziologischer Stofflichkeit als auch vordergründiger Didaktik durch die überzeugende Synthese von Kunst und Moral, von Gewissen und Geschmack geht. 1 * Hans-Georg Werner spricht im Falle der moralisch-ästhetisch emanzipierten Literatur neuerdings 19 von „subjektiv verantworteter künstlerischer Literatur", offenbar in bewußter Abgrenzung von entfremdeter Literatur. Unter diesen aktuellen Aspekten kann die Hervorhebung der Einheit von Detailbesessenheit und Konstruktivität des Erzählens bei Fontane und Thomas Mann nicht hoch genug veranschlagt werden.
Als Schlüssel- und Titelmotiv für den komplexen Vergleich fungiert die Formel von der „verantwortungsvollen Ungebundenheit", mit der Thomas Mann im Jahre 1910 .in seinem Essay über den alten Fontane dessen Sehweise und Haltung paradox-genau beschrieben hatte und die er damals auch für sich selbst beanspruchte. Ohl sieht in dieser Methodenbestimmung „die tiefste Gemeinsamkeit zwischen Thomas Mann und Fontane" 20 . „Verantwortungsvolle Ungebundenheit" als nicht-bornierte, nicht-apologetische Offenheit für die Wirklichkeit, aber auch als Ursache für spontane Widersprüchlichkeit und Ambivalenz. Ohl neigt nun aber dazu, die „verantwortungsvolle Ungebundenheit" vom ideologischen Reifeprozeß Fontanes zu isolieren, wie er andererseits die weltanschaulichen Fortschritte in der Entwicklung Thomas Manns nicht präzisiert. Diese Tendenz erwächst wohl aus der nur-allgemeinen, undifferenzierten Historizität, die dem Beitrag zugrundeliegt. 21
Hervorhebenswert erscheint mir noch zweierlei: das Eingehen auf die durch Fontane bedingten Stellungnahmen Thomas Manns zur Literaturwissenschaft und auf die Bemerkungen über das Verhältnis zwischen „Mythus und Psychologie", die Thomas Mann 1919 beim ersteh Wiederabdruck des Essays eingefügt hatte. Ohl betont, daß Fontane der erste Schriftsteller war, dem Thomas Mann ein Einzelporträt widmete, und daß er zu den wenigen Autoren gehört, deretwegen er sich auf Auseinandersetzung mit der Wissenschaft eingelassen hat. Während Thomas Mann das Gedicht „Leben; wohl dem, dem es spendet .. ." tiefsinniger deutete als es Fontane gemeint hatte und damit in der Polemik gegen Otto Pniower, freilich aus höchst künstlerischen Gründen,
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