Heft 
(1989) 47
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Lücke liegt, die es verdienstlich und wünschenswert wäre auszufüllen, mit einem Wort, etwas vom Geiste Kuglers, der in diesen Stücken ein Meister war, müßte in ihm stecken . . . " 8

Von diesemGeiste Kuglers" steckte wohl in der gesamten Runde nicht viel. Sie wäre am Ende nicht lebensfähig gewesen, hätte sie Kuglers eigenartige Mischung von weit gefaßter Kunstkenntnis und begrenzter literarischer Begabung in jedem ihrer Mitglieder gehabt. Ihre Stärke lag eher darin, daß sie neben einem Kugler Friedrich Eggers und neben einem Paul Heyse Fontane hatte. Dieser wußte eine offenbar repräsentative Gruppe literarisch orientierter Männer um sich, die künstlerische Neigung und Beruf in ein balanciertes Verhältnis zu bringen hatte, von der ausgehend er taxieren und eigene Möglichkeiten abwägen konnte. Man verfehlt die Bedeutung Kuglers für Fontane, sieht man von diesem Nebeneinander ab. Die Lebensstrategien der kleinen Runde im Rütli übten Anzie­hungskraft aus und waren mehr noch Quelle praktischen Studiums. Theodor Fontane nutzte sie weidlich: von dort erklärt sich auch die Nüchternheit, mit der er (hauptsächlich in den Briefen an Merckel) die Rütlionen charakterisierte. Das scharfe, nicht selten überscharfe Urteil gründete in dem auf die eigene Lebens­konzeption gerichteten Blick. Den Freunden wurde eine Elle angelegt, die einer profilierteren, von Borniertheiten befreiteren Realitätssicht abgewonnen worden war.

Kugler selbst teilte seine Sympathien und Neigungen: imRückzug" in die Wissenschaft schenkte er seine besondere Aufmerksamkeit den werdenden Dich­tern Fontane und Heyse (die ihm gleichzeitig schon einfertiges" Stadium des nicht einfach Erreichbaren präsentierten), wobei er Heyse den Vorzug gab. Eher als in Fontanes Werdegang in England glaubte Kugler mit Heyses Karriere am bayrischen Hof, die nicht mit Selbstverleugnung und Devotion erkauft war, Chancen für eine wahrhaft dichterische Entwicklung mitzuerleben. Seine Berichte über den Schwiegersohn, die Fontane gewiß mit gemischten Gefühlen gelesen haben wird, sind mehr als nur familiäre Plauderei.

Kuglers Art, Briefe zu schreiben, ist wenig dazu angetan, ihm gleichsam in die letzten Winkel seiner Seele zu folgen. Die Spur von Fremdheit, die die Freunde immer wieder empfanden, verliert sich auch im persönlichen Bericht nicht. Fon­tane hat sie akzeptiert und auch akzeptieren müssen. Sie gehörte ihm zum Gesamtbild einer Persönlichkeit, deren Größe er im gesellschaftlichen Leben seiner Zeit anerkennend bewunderte, deren tatsächliche Vorbildwirkung aber an der Verschiedenartigkeit zur eigenen scheitern mußte. Daß Fontane die Bedeu­tung Kuglers erkannte (immerhin konnte Kugler auf ein stattliches Werk in mehreren Gebieten verweisen), wundert kaum daß Kugler Fontane in seiner besonderen Anlage wahrzunehmen verstand, ihn förderte und, im vertraulichen Gedankenaustausch mit seiner Frau Clara 9 , die Überlegenheit der poetischen Gaben des Freundes rühmte, bleibt bemerkenswert.

Im folgenden Abschnitt werden Dokumente dieser Förderung und Unterstützung vorgestellt und kommentiert.

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