Christa Schultze, Berlin (Hrsg.)
Fünf Briefe Theodor Fontanes an Eugen Zabel
Zu der Fontane-Autographensammlung von Paul Emden 1 , die 1930 in die Berliner Universitätsbibliothek kam 2 , gehören auch fünf Briefe Fontanes an Eugen Zabel.' 1 Diese Briefe gelangten mit dem Hauptteil der Sammlung im Jahre 1978 als Dauerleihgabe in das Fontane-Archiv Potsdam 4 , das uns — noch unter der Leitung von Dr. Otfried Keiler — aufforderte, ihre Kommentierung zu übernehmen.
Eugen Zabel (1851—1924) war hinsichtlich seiner Tätigkeit als Theaterkritiker ein Kollege von Fontane, hatte er doch das Theaterreferat im Feuilleton der „Nationalzeitung" inne, wo er seine Kritiken mit E. Z. zeichnete. Größere Artikel — z. B. über den ihm persönlich bekannten Anton Rubinstein, über den Maler Wassili Wereschtschagin, über russische Literatur (so den „Dichter des Proletariats" Nikolai Nekrassow in Nr. 125 vom 24. Februar 1892) oder über seinen Landsmann und Freund Ludwig Pietsch anläßlich dessen Herausgabe von Erinnerungen — zeichnete er mit seinem vollen Namen.
Zabel hatte von 1871 bis 1875 in seiner Vaterstadt Königsberg Philosophie, Literatur und neuere Philologie studiert; 1875 war er hier Kunstreferent an der von Paul Wislicenius herausgegebenen „Literatur". 1876 kam er nach Berlin und arbeitete seit 1878 unter der Leitung des Fontane befreundeten Karl Frenzel an der „Nationalzeitung" mit; 1883 trat er der Redaktion der Zeitung bei. Für die Bühnenkunst brachte er aus Königsberg durch seine engen Beziehungen zu der theatergeschichtlich interessanten Direktion Woltersdorf ein besonderes Verständnis mit. So vorgebildet vermochte er die im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts „so üppige Entwicklung des Berliner Bühnenlebens" mit den „großen Maßstäben, dem freien Gerechtigkeitssinn und dem gütigen Wohlwollen seines Lehrmeisters Karl Frenzel" zu beurteilen. - '
Zabel wirkte im Laufe seines fast 50 Jahre währenden journalistischen Lebens an einer ganzen Reihe von Zeitschriften mit; „Musikwelt", „Unsere Zeit", „Die Gegenwart", „Blätter für literarische Unterhaltung", „Velhagen und Klasings Monatshefte" und „Deutsche Rundschau"; auch war er für die Wiener „Neue freie Presse", die „Moskauer deutsche Zeitung" und die deutschsprachige „St. Petersburger Zeitung" tätig. Er verfaßte Biographien bedeutender Persönlichkeiten wie Hans von Bülow (1894) und Berthold Auerbach, ferner Reisebeschreibungen (er bereiste neben Zentral- und asiatischem Rußland auch China und Amerika), schrieb Bücher über das in- und ausländische Theater und bearbeitete antike, französische, spanische und russische Theaterdichtungen. Sein Interesse für russische Autoren, deren Sprache er beherrschte, zeigte sich in kleineren Arbeiten über L. N. Tolstoj, F. M. Dostojewski, N. G. Tschernyschewski, I. A. Gontscharow, N. W. Gogol und „Maxim Gorki als Dramatiker". Am meisten jedoch zog ihn I. S. Turgenjew an, dessen Skizzen und Komödien er fürs Deutsche einrichtete und auf die Bühne brachte und dem er Ende 1883, nachdem er selbst mit dem schon schwerkranken Dichter korrespondiert hatte 11 , die erste deutschsprachige Monographie über Leben und Werk widmete. Dieses Buch dürfte Fontane, der sich ja seit 1881 intensiv mit Turgenjew auseinandersetzte, gekannt haben — wie auch vermutlich andere Arbeiten Zabels über russische Literatur. 7
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